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Kooperatives Gutachterverfahren | 12/2017

Erarbeitung eines städtebaulich-landschaftsplanerischen Entwurfs für den 'Kieler Süden'

1. Rang

REICHER HAASE ASSOZIIERTE GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Förder Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Grundidee
Die landschaftlich attraktive Lage im Kieler Süden ermöglicht die Entwicklung eines neuen hochwertigen Wohngebietes. Das neue Gebiet soll sich harmonisch in die Topografie und Landschaft einbetten.
Das Grundprinzip des neuen Gebietes ist die Verbindung von Naturlandschaft und Kulturlandschaft. In diesem neuen Stadtdorf werden die Vorzüge von Stadt und Dorf verbunden: Auf der einen Seite vielfältige Wohntypologien und eine „Neue Mitte“ auf der anderen Seite kleinteilige Nachbarschaften und Freiraumbezug.

Städtebauliches Gesamtkonzept
Das Gegenüber von Natur- und Kulturlandschaft schafft ein kleinteiliges und grünes Gesamtbild. Das Entwurfsprinzip folgt einem klaren Motiv: Eine dörfliche Morphologie, welche sich in die Landschaft einfügt und an den klassischen Dorfstrukturen der Region orientiert. Ein dichterer Kern, der sich um einen zentralen Anger legt und eine Dichte, die zu den Rändern hin abnimmt. Das Stadtdorf setzt sich aus mehreren Wohnquartieren zusammen, welche für sich einzelne kleine Nachbarschaftszentren ausbilden. Jedes Wohnquartier gruppiert sich um einen Quartiersplatz mit Kita.
Das Zentrum umfasst die zentralen sozialen Funktionen des Kieler Südens. Über den Freiraum und starke Wegeverbindungen wird das Zentrum mit den weiteren Ortsteilen verbunden. Die Landschaft wird bis in das Zentrum der Siedlung hereingezogen und zum Teil des neuen Angers. Dabei nimmt diese Freiraumzunge die sanft geschwungene Topografie auf und ermöglicht auch die Entwässerung des Gebietes. An der Freiraumzunge liegen die Bildungseinrichtungen mit Anschluss an die Sportflächen im Nordwesten.
Die Wohngebiete werden mit der Landschaft verzahnt. Es entstehen vielfältige Kontaktpunkte, Sichtbeziehungen und Übergänge aus den Wohngebieten und Wohnhöfen in die Landschaft. Gliederndes Elemente sind hierbei die Knicks, die die Quartiere und Erschließungen gliedern und mit der umliegenden Landschaft verbinden.

Baustruktur / Dichte
Die Bau- und Dichtestruktur wird zusammen mit der funktionalen und topografischen Situation entwickelt. Der dichteste Bereich – das Ortszentrum entsteht im Zentrum an einer Anhöhe in Verbindung mit dem zentralen Anger. Das Ortszentrum, der Anger und die Freiraumzunge nach Nordwesten werden baulich stärker gefasst. Es besteht ein Prinzip verdichteten Wohnens entlang wichtiger Freiraumverbindungen.
Innerhalb der einzelnen Quartiere existiert ein Gegenüber von durchmischten Bauformen innerhalb der Quartiersringerschließung. Die Ränder lösen sich zur Landschaft auf, um durch Einfamilienhaus-Höfen mit intimen Nachbarschaften einen kleinteiligen Übergang in die Landschaft zu ermöglichen.
Die Nachbarschaften und Erschließungsstraßen werden in die Topografie eingepasst, um den Charme der Höhenentwicklung zu erhalten.

Freiraum und Landschaft
Die stadtnahe Landschaft stellt eine wertvolle Ressource der Region dar, die es in ihrer Ausformung zu bewahren gilt. Der neue Siedlungskörper wird über grüne Fugen mit der Landschaft verzahnt; Landschaftsprägende Begebenheiten werden integriert.

Die stark von Topografie geprägte stadtnahe Hügellandschaft bildet Niederrungen mit humiden Böden aus, die der Entwurf in die Freiraumkonzeption einbettet. Für die Knicks, als besonders prägendes Freiraumelement, sieht die Konzeption nicht nur einen Erhalt außerhalb des Siedlungskörpers vor, sondern auch eine Integration der Knickstrukturen in die Siedlungskonzeption. Diese Knickstrukturen dienen als ökologische Trassen und siedlungsgliedernde Elemente.

Zentrales Element der Freiraumkonzeption stellt die Grünzunge dar, welche bis zum zentralen Anger reicht und die neue Mitte und die Schule an den Freiraum anbindet und mit den Sportplätzen verbindet. Diese Freiraumzunge bildet auch die zentrale Verbindungsachse des Zentrums mit den umliegenden Ortsteilen. Die Grünzunge orientiert sich an einer topografischen Niederung mit humiden Böden und Biotopen und kann in der weiteren Konzeption auch als Grünbereich zur Entwässerung in den tiefer gelegenen Solldieksbach dienen. Hier können darüber hinaus auch weitere Spielmöglichkeiten angedacht werden.

Weitere Grünfugen binden die Knickstrukturen in den neuen Siedlungskörper ein und fungieren als verbindende Freiraumelemente zwischen Siedlung und Landschaft. Sie nehmen wichtige Freiraum- und Fußwegeverbindungen auf und führen sie in den Ortskern. Spielflächen werden an zentralen Grünfugen angelagert.

Im nordwestlichen Teilbereich des Wettbewerbsgebietes befinden sich die neuen Sportflächen, welche über die Grünzunge an den Ortskern und die neue Grundschule & Sporthalle angebunden sind.

Ein Netz an öffentlichen Freiräumen unterschiedlicher Hierarchie erstreckt sich über den neuen Ortsteil. Als zentraler Stadtteilplatz befindet sich der Angerplatz an den grünen Anger angelagert. Er dient als belebter, intensiv bespielter Mittelpunkt für den neuen Stadtteil und den angrenzenden Siedlungsbereichen. Nachbarschaftliche Treffpunkte der einzelnen Teilquartiere stellen die fünf Quartiersplätze dar.

Erschließung und Mobilität

MIV
Die Haupterschließung des Bereichs „Ost“ für den motorisierten Individualverkehr erfolgt von Osten aus über die Verlängerung des Solldiekswalls. Von Westen aus über den ausgebauten Bustorfer Weg. Die Haupterschließung bildet einen Ring um den Ortskern, von dem ausgehend in die einzelnen Teilquartiere Wohnstraßen abgehen, die bis an die Quartiersplätze führen und in einer weiteren Verästelung in Wohnwege übergehen. Jedes Teilquartier bildet einen eigenen, ökonomischen Erschließungsring aus. Während die Haupterschließung eine klare Verkehrswegetrennung vorsieht, sind die Wohnwege als Mischverkehrsflächen konzipiert. Ausgehend von den Ringerschließungen der Quartiere werden nach Außen kleine Höfe gebildet.

Der Teilbereich „Mitte“ wird über den ertüchtigten Bustorfer Weg erschlossen. Das Erschließungsprinzip folgt dem durchgängigen Prinzip der Erschließungshierarchisierung. Eine Quartiersstraße bildet zwei Ringe aus, von welcher kleinere Wohnwege abgehen.

Öffentlicher Nahverkehr
Um den neuen Siedlungsbereich an die Innenstadt Kiels anbinden zu können sieht das ÖPNV-Konzept eine Neuführung der Linie 42 vor, die entlang der Haupterschließung durch den Siedlungsbereich „Ost“ und weiter über den Bustorfer Weg führt. Die Einzugsradien von 300m der vier neuen Haltestellen decken weite Teile der Wohnquartiere ab. Die zentrale Haltestelle im Bereich der „Neuen Mitte“ ist als Mobilitätsstation konzipiert, die einen einfachen Wechsel der Verkehrsträger (Bus, Bike- und Carsharing) ermöglicht und einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Mobilität im neuen Stadtteil leistet.

Fuß- und Radwege
Über ein engmaschiges Fuß- und Radwegenetz wird der neue Stadtteil an die bestehenden Siedlungsbereiche angebunden und in die stadtnahe Landschaft integriert. Bestehende Fußwegeverbindungen Neumeimersdorfs werden durch den Landschaftsraum weiter bis in die neuen Wohnquartiere weitergeführt. Darüber hinaus dienen kleine Fußwegeverbindungen innerhalb des Siedlungsbereichs als Verbindungen der einzelnen Teilquartiere quer und entlang der Freiraumfugen.

Von Osten entlang des Solldiekswalls bis in die Neue Mitte führt die Hauptradwegeverbindung (Stadtrandtangentiale), welche im weiteren Verlauf nach Westen die Mobilitätsstation passiert, durch die neue Grünzunge verläuft und die Grundschule anbindet.

Ruhender Verkehr
Der ruhende Verkehr wird für den Geschosswohnungsbau im Ortskern in Tiefgaragen organisiert. In den weniger dichten Wohnquartieren kann eine Organisation der privaten Stellplätze oberirdisch auf den Grundstücken vorgenommen werden. Bei Reihenhausstrukturen auch in gesammelten Stellplatzanlagen. Öffentliche Besucherstellplätze sind straßenbegleitend vorgesehen.

Wohntypologien und Nutzungen
Der neue Stadtteil dient überwiegend als Wohnquartier. Hier ist eine heterogene Mischung unterschiedlicher Typologien von Einzel- über Doppel- und Reihenhäuser, bis hin zu Geschosswohnungsbau mit Einfamilienhausqualität vorgesehen.
Der Geschosswohnungsbau ermöglicht zukunftsfähige, barrierefreie Wohnformen, die unterschiedlichen Wohnformen ermöglicht: Single-Haushalte, Starter-Familien vor dem Umzug in das eigene Heim, Senioren, gemeinschaftliche und intergenerationelle Wohngruppen und Wohngemeinschaften. Baugruppen, preisgedämpfter und geförderter Wohnraum sorgen für eine soziale Mischung und Gemeinschaft.

Im Ortszentrum konzentrieren sich die sozialen und Versorgungsfunktionen des Kieler Südens. Das Dorfgemeinschaftshaus bildet das Scharnier zwischen gebautem Zentrum und Freiraum. Um das Dorfgemeinschaftshaus und insbesondere um den zentralen Angerplatz gruppieren sich weitere Nutzungen wie Cafés oder kleinteiliger Einzelhandel, Versorgungseinrichtungen sowie Dienstleistungen und Ärzte, die primär der Versorgung des neuen Stadtteils dienen, darüber hinaus aber auch Anziehungskraft auf die bestehenden Das Zentrum entwickelt sich entlang der Freiraumzunge nach Westen. An der Freiraumzunge sind die Schule und Sporthalle angelagert. Nach Nordwesten hin schließen sich neue Sportflächen an, die die bestehenden Sportflächen ergänzen.

Neben der Grundschule sieht das Konzept Kindertagesstätten vor, die sich im Zentrum der einzelnen Teilquartiere an den Quartiersplätzen befinden, direkten Zugang zu den Grünfugen und damit dem Landschaftsraum aufweisen und der Versorgung der Wohnquartiere dienen.

Städtebauliche Kennziffern
Die Städtebaulichen Kennziffern erfüllen die Vorgaben und sind dem Berechnungsblatt zu entnehmen. Insgesamt entstehen ca. 1.560 Wohneinheiten. Durch eine Variabilität im Geschosswohnungsbau sind flexible Anpassungen an zukünftige Bedarfe möglich.
Ein Grünflächenanteil von bis zu 9,7 % trägt zur Sicherung der Wohnumfeldqualität bei.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Büro Reicher Haase entwickelt ein städtebauliches Gesamtkonzept, das sich harmonisch in die bewegte Knicklandschaft einfügt. Die Topographie wird geschickt genutzt um Bebauung, Freiraum und Erschließung aufeinander abzustimmen. Die Landschaft wird unter Berücksichtigung der Knickstrukturen in die Wohnquartiere hineingezogen. Gleichzeitig werden diese Grünräume für die Ableitung des Oberflächenwassers genutzt. Entlang des Bustorfer Weges werden großzügige Grünräume mit Sportangeboten und Kleingärten angeordnet.
Die Gestaltung der Neuen Mitte als verdichtete Stadtkrone im topografisch höchsten Bereich des Gesamtareals wird begrüßt. Die dargestellte Konzeption verspricht eine hohe Qualität und eine gute Basis für erforderliche wohnbauliche Vertiefungen und Konkretisierungen. Auch der entlang der Ringstraße geplante Geschosswohnungsbau und die Stadthäuser zur Markierung des Entrees der Siedlung sowie zur Akzentuierung der Grünzüge setzen sehr gute Akzente in dem ansonsten durch Reihen- und Einzelhäusern geprägten Quartier.
Die Einfamilienhäuser bilden überschaubare Gruppen und damit gute Voraussetzungen für die Bildung von Nachbarschaften. Ihre lockere Anordnung ermöglicht weiche Übergänge in die Landschaft. Allerdings führt die relativ aufwendige Erschließung der peripher gelegenen Einfamilienhausgruppen auch zu kritischen Positionen.
Die Haupterschließung als Ring um den Ortskern ist sowohl für den MIV als auch für den ÖPNV gut geeignet. Die geschwungene Führung der Straßenräume wird als wohltuend empfunden. Das engmaschige Fuß- und Radwegenetz ist gut vernetzt mit dem Umfeld.
Das Gesamtkonzept überzeugt durch die sehr ortsbezogene Vernetzung von Bebauung und Landschaft sowie die sehr gute, identitätsstiftende Mischung der Gebäudetypologien, die Einzel-, Doppel- und Reihenhausquartiere wie Sonderformen und Geschosswohnungsbau adressbildend darstellen. Auch die Darstellung der Realisierungsstufen ist überzeugend und nachvollziehbar. Insgesamt wird die Arbeit als sehr guter Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe gewertet.