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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2018

Ehemaliges Brauereigelände

ein 3. Preis

Preisgeld: 5.500 EUR

ISA Internationales Stadtbauatelier

Architektur

Erläuterungstext

Die Stadt Willich verfügt über ein reizvolles Zentrum, in dem die Kirche und der Markt einen Knotenpunkt der öffentlichen Aktivitätszone bilden. Östlich daran anschließend bietet das ehemalige Brauereigelände eine einmalige Chance für eine umfangreiche urbane Entwicklung, die den städtischen Kern stärken und erweitern wird. Am ehemaligen Brauereigelände laufen die industrielle und moderne Geschichte der Stadt zusammen. Der Ort bildet gewissermaßen ein kontrastreiches Spiegelbild zum historischen Kern der Stadt. Eine aussagekräftige Artikulation und Integration dieser Spiegelung mittels Form, Funktion und Bedeutung ist die Ausgangslage des Entwurfs. Hierbei wird eine nahtlose Erweiterung des Stadtkerns geschaffen, die all die vielfältigen Elemente aufnimmt, die die einzigartige Identität der Stadt prägen.
Im Entwurf wird die Grabenstraße als Symmetrieachse zwischen dem historischen, westlichen Bereich und dem modernen, östlichen Bereich des neuen Stadtkerns verstanden. Beide Seiten spiegeln die angesprochenen Kontraste wider: Der historische Bereich ist mannigfaltig, historisch, kleinmaßstäblich geprägt und bietet Einkaufsgelegenheiten in Läden entlang der Straßen. Der moderne Bereich verfügt über einen großmaßstäblich, industriegeschichtlich geprägten Charakter mit Einkaufsgelegenheiten in geschlossenen Räumen (Supermarkt, Brauereipassage). Im Bestand treten weitere Gegensätze auf: Während die Kirchenseite gut artikuliert, fußgängerorientiert und mit einem aktiven städtischen Freiraum (Markt) ausgestattet ist, ist die SB-Markt-Seite unausgereift, autoorientiert und umfasst eine inaktive städtische Freifläche (Parkplatz).
Die Herangehensweise des Entwurfs ist es, auf diesen Gegensätzen aufbauend ein sinnvolles "Ganzes" zu schaffen, das gleichzeitig ganzheitlich und diversifiziert ist. Zunächst wurde hierfür eine Gruppe von Merkmalen im historischen Bereich ermittelt, die sich nach Möglichkeit im modernen Bereich widerspiegeln lassen. Dadurch konnte eine sich ergänzende Polarisierung zwischen den beiden Seiten geschaffen werden: Beide Seiten sind Vertreter eines unverwechselbaren städtischen und architektonischen Erbes (Geschichte vs. Modernismus, letzterer soll neu artikuliert werden). Beide Seiten haben einen städtischen Freiraum (Markt vs. Parkplatz, letzterer soll umgenutzt werden). Beide Seiten haben herausragende Sehenswürdigkeiten (Kirchturm vs. Brauerei-Kubus, letzterer soll wieder hervorgehoben werden).
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, einen modernistischen urbanen Charakter zu erhalten, einen zentralen, öffentlichen und offenen Raum zu schaffen und den Gebäudekubus der Brauerei als bedeutungsvollen Modernitätspol als Gegenstück zum historischen Pol freizulegen.
Der aktuelle Parkplatz belegt einen äußerst wertvollen und strategisch günstig gelegenen Standort. Um diesen bislang autoorientierten, inaktiven Raum zur Schaffung eines fußgängerorientierten Aktivraums nutzen zu können, schlägt der Entwurf die Schaffung eines Parkhauses östlich des SB-Markts vor. Dadurch wird die Parknutzung weniger exponiert als bisher untergebracht, das Potenzial des SB-Marktes wird gestärkt und die Gesamtzahl der Parkplätze wird erhöht. Der jetzige Standort des Parkplatzes kann dann städtebaulich vorteilhaft den neuen, grünen Brauereiplatz vor dem Brauerei-Kubus, der aus dem SB-Markt herausragt, beherbergen. Der Kubus wird in einen Mehrzwecksaal mit einem großen, baulich umschlossenen, öffentlichen Raum umgestaltet, der hier einen Gegenpol zu den Funktionen der Kirche am Markt aufbaut. Zudem sieht der Entwurf einen großen, grünen Fußgängerkorridor vor. Dieser verbindet die Kirche und das Gebäude der Brauerei direkt miteinander und bindet auch die zugehörigen zentralen Freiräume aneinander an.
Die Erzeugung eines nahtlosen Übergangs zwischen beiden Seiten ist eine zentrale Herausforderung. Hierfür soll ein heterogenes, städtisches Übergangsgewebe zwischen den historischen und modernen Stadtpolen geschaffen werden. Hierbei wird ein vermittelnder Architekturstil im Einklang mit historischen und modernistischen Gebäuden vorgesehen.
Das städtebauliche und architektonische Vokabular beider Seiten weist unterschiedliche Charakteristika auf: Einerseits liegen historische, diversifizierte, kleinmaßstäbliche Gebäude mit geneigten Dächern vor, die in Blockrandbebauung angeordnet sind und Innenhöfe umgeben. Andererseits existieren modernistische, großmaßstäbliche Gebäude mit kubistischen Formen bei denen der Blockrand zu L-förmigen Gruppierungen aufgelöst ist, um die herum Freiflächen angeordnet sind. Zusätzlich wurde ein dritter, „zeitgenössischer“ Stil für die Räume am Übergang der beiden anderen Stile entwickelt. Hierbei setzt der Entwurf auf eine flexible, modulare und raumwirksame Typologie auf der Grundlage eines Grundelements von 5,5 x 5,5 x 2,75 m.
Dieses modulare Grundelement kann verortet an der Rückseite eines Gebäudes zwei Stellplätze beherbergen und kann positioniert an der Vorderseite kleine Ladeneinheiten aufnehmen. Aufbauend auf dem Grundelement beträgt die typische Bautiefe somit 11 m. Die Geschosszahl beträgt maximal 5 Geschosse, wobei sich entsprechend den Maßen des Grundelements eine maximale Gebäudehöhe von 13,75 m ergibt. Dadurch fügen sich die Gebäude in die städtebauliche Umgebung ein. Die Dachneigung wird mit 45° festgeschrieben, wodurch sich eine ideal passende fortlaufende Schräge über zwei übereinander gestapelte Grundelemente auf einer Gebäudehälfte ergibt. Dies ermöglicht eine austauschbare Konfiguration zwischen dem geneigten und flachen Dach innerhalb einer puristischen Geometrie, die gleichzeitig diversifiziert und homogen ist.
Der typologische Übergang zwischen der historischen und der modernistischen Seite wird durch zwei Entwurfsmaßnahmen erreicht. Erstens: die Überleitung von Gebäuden in Blockrandbebauung inklusive eines die Parkplätze überspannenden Innenhofs hin zu lockereren L-förmigen Gruppierungen, die Terrassen über den Parkplätzen ausbilden. Und zweitens: die abnehmende Verwendung von geneigten Dächern in östliche Richtung. Hierbei sorgen eine minimalistische Architektur und scheinbar zufällig angeordnete Öffnungen für einen modernen Stil der Gebäude.
Form und Stil gehen jedoch über das reine Erzeugen der Identität am Ort hinaus und bilden eine Hülle für Kreativität und Interaktivität, für die im Entwurf eine Plattform gegeben werden soll, die auf echten Werten des Ortes und seiner Gemeinschaft aufgebaut ist. Die Modularität der Gebäude ermöglicht eine flexible und individuelle Ausarbeitung verschiedener Gebäudegrößen auf Grundstücken von 120 bis 720 m2. Hierbei können ganze Cluster oder einzelne Teilabschnitte entwickelt werden, um großen und kleinen Entwicklern die Chance zu geben, ein wirklich partizipatives Design zu realisieren.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf greift die unterschiedlichen Schichten und Maßstäbe der Stadt auf und versucht, diese miteinander in Einklang zu bringen. In Fortführung des historischen Bestands werden Blockstrukturen gebildet, die in sich aufgelöst sind, differenziert mit dem öffentlichen Raum umgehen und in der Dachlandschaft modelliert sind. Die innere Füllung wird als Parkplatz genutzt; die Ränder sind überwiegend mit kleinflächigem Einzelhandel besetzt. Diese Konzeption der Schichtung von Nutzungen wird grundsätzlich begrüßt, wirft jedoch die Frage nach der angemessenen Höhenentwicklung und der Umsetzung von kleinteiligen Einzelhandelsflächen auf. Stadträumlich reagiert die Bebauung differenziert auf die Anforderungen der jeweiligen öffentlichen Räume. So wird an der Grabenstraße durch Öffnungen und Versprünge eine attraktive Raumwirkung erzeugt. Ähnlich different reagiert die Bebauung entlang der Brauereistraße. Mit dem Brauereiplatz findet die Achse der Hülsdonkstraße ihren Abschluss und formuliert eine gute Eingangssituation zum SB-Markt. Es wird eine überzeugende Verbindung zwischen Marktplatz und Brauereiplatz geschaffen. Das Konzept versucht, zwischen einem fußgängergeprägten Bereich im Westen und einem autogeprägten Bereich im Osten klar zu differenzieren. Die Anforderung an das ebenerdige Parken wird mit einem Parkhausanbau östlich des SB-Marktes beantwortet, was den realen Bedingungen nicht gerecht wird. Im Obergeschoss des Marktes wird eine Multifunktionshalle mit einer dazugehörigen Hallenterrasse und anschließenden Dachgärten angeordnet. Die Zuwegung zur Veranstaltungshalle bleibt unklar. Die Frage der Realisierung bleibt offen und ist aufgrund der intensiven Bebauung des Plangebiets und der Flächensprache des SB-Marktes als langfristige Konzeption zu betrachten. Das Konzept ist nur bedingt in einzelnen Schritten umsetzbar. Insgesamt stellt der Entwurf einen interessanten Beitrag dar, der als ganzheitlicher Ansatz einen mutigen neuen Aufschlag darstellt.