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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2018

Gedenkort zur Deportation Thüringer Juden am Standort der ehemaligen Viehauktionshalle

Perspektive

Perspektive

1. Preis

Preisgeld: 9.000 EUR

Vogt Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure AG

Bauingenieurwesen

Integral Lars Müller

Kunst

Erläuterungstext

Das Umgebungskonzept "Parkhain mit vier Lichtungen" sieht vor einen neuen Park für Weimar Nord zu schaffen - einen Volkspark für alle mit klassischen Parkelementen wie Blickachsen, Topografie, Raumabfolgen, offene Wiesen- und Rasenflächen und nutzungsspezifische Teilräume. Obwohl der Park auch ein Ort der Ruhe und des Erinnerns und Erfahrens ist, soll es auch ein Ort der Begegnung und des Austausches werden. Der neue Park bietet Raum zur sozialen Partizipation und Interaktion. Die baulichen Reste der Viehauktionshalle haben eine eigene, ursprüngliche Sprache. Auch wenn der grösste Teil nicht mehr vorhanden ist, strahlt das verbleibende Relikt dennoch Geschichte aus. Bei der Gestaltung wird auf grosse Gesten bewusst verzichtet. Die grösste Lichtung hat die Ausmasse der ehemaligen Viehauktionshalle. Das Relikt der Viehauktionshalle und die Überreste der Gleisanlagen bleiben soweit möglich in ihrer heutigen Form erhalten.

Der Gedenktisch in einer der Lichtungen bietet einen ruhigen, würdigen und aber auch alltäglichen Rahmen für Begegnungen zwischen Menschen. Der Gedenktisch ist aus Beton mit einer Edelstahltischplatte und einem Überlauf in der Mitte. Die Hocker sind soweit vom Tisch entfernt, dass man nicht direkt am Tisch sitzt, sondern bewusst mit etwas Abstand. In die Edelstahlplatte sind die Namen der 877 Thüringer Juden eingraviert. Durch eine Aufkantung der Edelstahlplatte werden die Namen zusätzlich noch mit 2cm Wasser überdeckt. Gleich einem endlosen Spiegel reflektieren sich der Himmel und die Bäume in dem Tisch, aber man sieht sich beim Blick auf die Namen auch sich selbst. Die Intensität der Spiegelung verändert sich je nach Wetter und Tageszeit.

Die Bestandsbäume aus verschiedenen Arten werden so weit wie möglich erhalten und in das Konzept integriert und dienen als Hintergrund für die neuen Bäume. Die bestehenden Bäume werden ausgelichtet und das Unterholz entfernt, um den Park und die Lichtungen besser zugänglich zu machen und um die Blickachse durch den Park offen zu halten. Als Neupflanzung werden ausschliesslich Zitterpappeln im lichten Raster gepflanzt. Wenn man in die Nähe einer Zitterpappel kommt, dann hört man dies meist. Ein kleiner Windhauch genügt, schon rascheln die Blätter, denn die kreisrunden Blätter haben einen besonders langen und dünnen Stiel und erzeugen somit ein charakteristisches und stimmungsvolles Geräusch.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der historisch vorgeprägte Bereich wird durch eine parkähnliche Anlage umdefiniert.
Aus einem „Unort“ wird ein „Ort zum Verweilen“. Dabei werden die drei wesentlichen, noch erhaltenen historischen Grundelemente gesichert und durch die Gestaltung der Lichtungen herausgearbeitet. In den Lichtungen werden die historischen Spuren zu - räumlich begrenzten - Erinnerungsorten, die der Besucher entdecken kann. Die Entwurfsverfasser schlagen einen sich selbsterklärenden Gedenkort mit hoher Aufenthaltsqualität vor, der als innerstädtischer Verweilort, auch über das Gedenken hinaus, funktioniert.

Die Form des Gedenkens ist unaufdringlich und zurückhaltend, der Umgang mit den Namen der Deportierten ist zärtlich und spiegelt die Fragilität des Lebens wider. Die Gestaltung der Namen ist originell, neu und pflegearm. Der Wasserfilm schützt sie vor Vandalismus. Die Erinnerung wird in den Alltag der Menschen eingebettet, ein gesellschaftlicher Unort (Deportationsort, Lagerhalle der Armee) wird nicht nachgezeichnet, sondern transformiert in einem lebendigen, attraktiven und nachhaltig wirkenden gesellschaftlichen Ort. Der historische Ort der Ausgrenzung und Verfolgung wird so zu einem lebendigen Ort der Begegnung und Aufklärung. Die gewählte Baumart der Zitterpappeln fördert die Aufenthaltsqualität. Das Zittern der Blätter schon bei leichter Windbewegung hört sich an wie ein leises Flüstern und führt zu einem interessanten Licht-Schattenspiel.

Der Gestaltungsansatz ermöglicht einen Ort, der von den Menschen angenommen wird; damit wird er auch als Gedenkort eine hohe Akzeptanz finden. Der Entwurf weist jedoch auch Schwächen auf. Über die Orte, aus denen die Menschen kamen, ist nichts ausgesagt. Die historische Korrektheit der Deportationswege ist zu überprüfen, die angegebene Blickbeziehungen im Park funktionieren nur teilweise und die Platzierung des Gedenktisches mit den Namen scheint beliebig.
Zitterpappeln

Zitterpappeln