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Kooperatives Werkstattverfahren | 02/2018

Ortsmitte Haaren

1. Rang

scape Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

VSU GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Konzept

Das Gestaltungskonzept für die Ortsmitte Haarens greift den spannenden Kontrast, der durch das Aufeinandertreffen von landschaftlich geprägten Freiräumen und hochverdichteten Stadtstrukturen entsteht, auf und arbeitet diesen heraus. Wurm- und Haarbach schaffen zusammen mit der Alt-Haarener Straße als stadträumliches Rückgrat eine Verbindung zwischen Siedlungsraum und Landschaft. Sie werden zum zentralen Identifikationspunkt der Stadt. Ziel ist es, dem Haarbach und der Wurm Raum für eine möglichst naturnahe Fließgewässerentwicklung zu geben. Gleichzeitig soll das Element Wasser stärker als bisher mit der Stadt verwoben werden und neue Freiraumqualitäten für Begegnung, Bewegung, Spiel und Naturerleben für alle Bevölkerungsgruppen bieten.
Grundgedanke ist es, den ursprünglichen Verlauf des Haarbachs innerhalb des Ortskerns durch Wasserfenster wieder sichtbar zu machen und dadurch eine Verbindung zu den umliegenden Grünflächen der Wurmaue zu schaffen. Im Bereich der Wurmaue sollen durch kleine Inseln und Flachuferzonen die freiraumplanerischen und ökologischen Qualitäten gestärkt werden.

Verknüpfung
Die Offenlegung des, im Ortskern unterirdisch in einem Kanal verlaufenden Haarbachs vernetzt den städtischen Raum mit den umliegenden Grünflächen. Dabei sind Plätze von zentraler Bedeutung. Sie dienen als Bindeglied zwischen dem hochverdichteten Ortskern und den anschließenden Landschaftsräumen.
Am Ortseingang Haaren trennt die Jülicher Straße die beiden Auenbereiche. Zwei gegenüberliegende Plätze schaffen eine Verbindung und bilden gleichzeitig einen neuen einladenden Zugang zur Wurmaue. Auf den Plätzen wird der Gehölzbestand aufgelichtet, wodurch sich schon von weitem schöne Ausblicke auf die Wurm öffnen. Die unübersichtliche Atmosphäre weicht einer neuen Großzügigkeit der Freiraumgestaltung. Gleichzeitig wird die Sicht auf den Parkplatz vor dem Hochhaus gezielt mit Bäumen verstellt, um den Blick auf den Eingangsplatz zu lenken. Es wird ein repräsentativer Ortseingang geschaffen, der die besonderen Freiraumqualitäten Haarens aufzeigt und zum Spazieren in der einzigartigen Wurmauenlandschaft einlädt. Im Bereich des Tuchmacherwegs öffnet sich ein weiterer kleiner Platz zum Wasser. Mit seinen Sitzstufen greift er die Gestaltung der steinernen Haarbachpromenade auf und leitet den Spaziergänger über einen leicht geschwungenen Uferweg in den Auenbereich. Im Mündungsgebiet, in dem Haarbach und Wurm zusammenfließen, schafft die „Wurmterrasse“ einen attraktiven Übergang und lädt zum Aufenthalt und zur Naturbeobachtung ein.
Um dem Fuß- und Radverkehr mehr Raum zu geben, wird der von Aachen kommende Fuß- und Radweg entlang der Wurm ausgebaut. Dadurch wird der Grünzug entlang der Jülicher Straße mit dem Feuerwehrpark verknüpft und eine durchgängige Verbindung nach Aachen geschaffen. Bereits etablierte Verbindungen sollen durch das Gestaltungskonzept gestärkt und durch Baumreihen betont werden. Das Auenband wird von lockeren Baumstellungen, prägenden Bestandsbäumen und einer naturnahen Ufervegetation begleitet und bietet vielfältige Spiel- und Freizeitangebote.

Rund um St. Germanus

Durch seine besondere Lage zwischen der Alt-Haarener Straße und dem alten Feuerwehrpark kommt dem Platz an der St. Germanuskirche eine besondere Bedeutung zu. Vor allem die St. Germanuskirche mit ihrer charakteristischen roten Fassade sowie der beeindruckende Baumbestand prägen den Ort und besitzen hohes Gestaltungspotenzial. Gleichzeitig bietet er ausreichend Platz und eine schöne Atmosphäre für Veranstaltungen wie z.B. einen Weihnachtmarkt. Fokus des Gestaltungskonzeptes ist es, durch eine klare zurückhaltende Gestaltung das Kirchengebäude neu zu inszenieren und ausreichend Platz für Veranstaltungen zu schaffen.
Eine Intarsie aus Natursteinplatten umgibt das Kirchengebäude und schafft durch seine prägnante Formensprache eine eigenständige Platzfigur, die sich von der umgebenden einheitlichen Pflasterfläche klar abgrenzt. Die Pflasterfläche schafft einen ruhigen Untergrund für die Inszenierung des Kirchenbaus und erweitert den Platz im Bereich der Alt-Haarener Straße optisch über die Straße hinaus bis zur Gebäudekante. Die Fahrbahn ist in diesem Bereich mit einem Farbasphalt versehen. Die im nördlichen Bereich der Intarsie liegenden Grabplatten werden in eine „grüne Insel“ eingebettet, die die Form der Intarsie aufnimmt und mit ihren langen Sitzbänken Platz zum Aufenthalt vor der St. Germanuskirche bietet. Sie wird zum neuen kommunikativen und repräsentativen Treffpunkt vor der St. Germanuskirche. Der von Berta Kals gestaltete Brunnen wird erhalten und durch ein in den Platzbelag integriertes Fontänenfeld ergänzt.
Um einen barrierefreien Zugang zum Kirchengebäude zu ermöglichen, wird das Gelände im südlichen Bereich leicht angehoben. Die Intarsie umgibt die St. Germanuskirche als ebene Fläche und geht im süd- westlichen Bereich in eine ca 50 cm hohe Mauer über, die als großzügige Sitzbank zum Aufenthalt einlädt. Die OKF- Höhen in den neugeplanten Gebäuden werden auf 146,20 angehoben, um den Höhenunterschied auszugleichen. Der wertvolle Baumbestand bleibt weitestgehend erhalten. Durch das vorsichtige Auflichten der Gehölze öffnen sich Blickbeziehungen auf die Kirchenfassade.

Haarener Markt

Die Alt-Haarener Straße bildet als Hauptdurchgangsstraße das stadträumliche Rückgrat Haarens und wird in ihrer heutigen Gestalt stark vom Verkehr dominiert. Ziel des Gestaltungskonzeptes ist es, die Fahrbahnbreiten für den Kfz-Verkehr auf die Mindestbreite zu beschränken, um die Alt- Haarener Straße für Fußgänger und Radfahrer attraktiver zu gestalten und eine Offenlegung des Haarbachs zu ermöglichen. Auf der südlichen Straßenseite soll eine steinerne Stadt-Promenade am Wasser geschaffen werden, die zum Flanieren und zum zwanglosen Aufenthalt am Wasser einlädt. Sitzstufen schaffen einen erlebbaren Zugang zum Wasser und dienen als Entspannungs- und Treffpunkt. Eine lockere Baumreihe aus Linden begleiten die Uferpromenade und schaffen ein harmonisches, grünes Gesamtbild.
Der Haarener Markt zeichnet sich bereits heute als Mittelpunkt des Stadtteils aus. Historische Gebäude wie der Zehnthof prägen den Ort. Der Platz soll durch die Umgestaltung der Kreuzung Haarener Gracht/Alt-Haarener Straße erweitert werden, sodass die Marktaufstellung erhalten bleiben kann und die Gastronomie mehr Platz erhält. Auch die Skulptur von Joachim Bandau bleibt als wichtiger Identifikationspunkt bestehen und wird in die Mitte des Marktplatzes verschoben.

Wurm- und Haarbachaue

Als Pendant zur steinernen Stadtpromenade bilden die Wurm- und Haarbachauen einen eher landschaftlich geprägten Bereich westlich des Ortskerns. Durch die neue Fuß-und Radverbindung zwischen der Jülicher Straße und dem alten Feuerwehrpark wird der Auenbereich zugänglich gemacht und schafft neue Grünräume zur Naherholung. Die Wurm und der Haarbach werden in diesem Bereich durch eine ökologische Ufergestaltung naturnah aufgeweitet. Kleine Inseln und Flachuferzonen schaffen ein natürliches Erscheinungsbild. Die Aufweitung der Gewässer dient einerseits dem Hochwasserschutz, andererseits bietet sie Raum für die ökologische Entwicklung einer aquatischen Flora und Fauna. Das großzügige Auenband definiert einen ökologischen Entwicklungsraum und inszeniert diesen neu.
Eine neue dynamisch geschwungene Brücke soll das Überqueren der Wurm erleichtern und verbindet die Wurmaue mit dem alten Feuerwehrpark. Die vorhandenen Brückenköpfe werden für den Bau der neuen Brücke wiederverwendet und bilden das Grundgerüst der neuen Brückenkonstruktion. Um die heute eher isoliert wirkenden Bereiche des Wurmufers und der Parkanlage miteinander zu verknüpfen, soll das Ufer der Wurm durch einen Kiesstrand zugänglich gemacht werden und zum Naturspiel einladen. Über Trittplatten kann man den Bach und die kleinen Inseln erkunden. Baumstämme und größere Steine bilden Kletter- und Balanciermöglichkeiten und schaffen ein neues attraktives Spielangebot für Familien und Kinder. Das Ufer verläuft am Kiesstrand sehr flach, um auch kleineren Kindern einen ungefährlichen Zugang zum Wasser zu ermöglichen. Von den Sitzstufen aus lässt sich das Naturspiel gut beobachten. Gleichzeitig lädt die nach Süden ausgerichtete Lage zum Verweilen und zur Entspannung in der Natur ein. Fokus des Gestaltungskonzeptes ist es, die Natur erlebbar zu machen. Insgesamt sechs Naturstationen laden zum spielerischen Lernen und zum Beobachten ein. Gleichzeitig informieren die Naturstationen über die Wurm- und Haarbachaue und das neu geschaffene Ökosystem.


Verkehrskonzept

Als Planungsprinzip soll das Verkehrssystem umgestaltet, jedoch nicht grundsätzlich neu aufgestellt werden. Ziele der Umgestaltung sind die Verbesserung des Straßenraumangebots und der Straßenquerung für Fußgänger. Durch eine Verlangsamung des motorisierten Individualverkehrs soll eine sichere Führung des Radverkehrs gewährleistet werden. Die Straßenraumstellplätze orientieren sich am Kunden- und Besucherverkehr. Zusätzlich werden Angebote von Car-Sharing, Bike-Sharing und Radstellplätzen im öffentlichen Raum eingerichtet.
Das Verkehrssystem für den motorisierten Individualverkehr wird beibehalten. Die Fahrbahnbreite der Alt-Haarener Straße beträgt im Regelquerschnitt mit zwei Schutzstreifen für den Radverkehr 7,5 m, neben dem Haarbach mit zusätzlicher seitlicher Mischverkehrsfläche 7,0 m. Bestehende Aufweitungen in der Alt-Haarener Straße an Kreuzungen werden beibehalten, auf der Haarener Gracht an der Kreuzung mit der Alt-Haarener Straße jedoch zugunsten einer eindeutigen Verkehrsführung rückentwickelt. Dieser Knotenpunkt wird von einer Y-förmigen Kreuzung in eine T-förmige umgestaltet. Hierdurch wird der Hauptstrom zum Links- bzw. Rechtsabbieger, was die Durchschnittsgeschwindigkeit reduzierr und die Fußgängerquerung verbessert.
Die Straßengeometrie wurde unter Beachtung der Schleppkurven von Gelenkbussen auf der Hauptstrecke entwickelt. Die Bushaltestelle auf der Alt-Haarener Straße wurde gebündelt. Eine Vorbeifahrt an haltenden Bussen ist nur noch bei geringem Verkehrsaufkommen möglich.Heute ist dies stadteinwärts breits der Regelfall. Die Neuordnung dient der Verbesserung der Fußgängerquerung und der Verringerung der mittleren Fahrgeschwindigkeit. Die Wartezonen wurden vom Flächenangebot her ausgeweitet.
Um den Fußgängern mehr Raum zu geben wurden die Seitenbereiche in der Alt-Haarener Straße auf mehr als 2,5 m verbreitert. Bei insgesamt ausreichender Breite wurden Stellplätze angeordnet. Zwischen Haarbach und der südlichen Gebäudekante wurde eine Mischverkehrsfläche konzipiert, die neben der direkten Erschließung der Gebäude auch dem Radverkehr und dem Zulieferverkehr für den Markt dient. Der „St. Germanus-Platz“ ist als verkehrsberuhigter Bereich gestaltet, der baulich die Aufenthaltsfunktion betont, jedoch das Befahren zur Erschließung und zum Parken ermöglicht.
Die Alt-Haarener Straße ist beidseitig mit einem Schutzstreifen für Radfahrer versehen. Im Bereich des Haarbaches wird der Radverkehr einseitig auf eine seitlich geführte Mischverkehrsfläche geleitet. Alle anderen Straßen sind als Tempo-30-Straßen bzw. verkehrsberuhigte Flächen ohne gesonderte Radverkehrsanlagen geplant. Der verkehrsberuhigte St.-Germanus-Platz ist vollständig befahrbar.
Derzeit gibt es im öffentlichen Straßenraum 135 öffentliche Pkw-Stellplätze. Die Planung ordnet das Parkplatzangebot neu. Im Bereich St. Germanus entfallen 10 öffentliche Parkplätze, vor allem durch Reduzierung des im Süden liegenden Parkplatzes auf einem Baulückengrundstück, der durch die Neubebauung mit Gebäuden in seiner heutigen Form entfällt. Im Bereich der Wurm- und Haarbachaue entfallen die ungeordneten Plätze im Eingangsbereich des Tuchmacherwegs und diejenigen im Kreuzungsbereich Alt-Haarener Straße / Wurmbenden, insgesamt 10 Plätze. Die den Anwohnern zugeordneten Plätze bleiben erhalten. An der Alt-Haarener Straße entfallen von 106 öffentlichen Plätzen 38 zugunsten der Öffnung des Haarbachs. Die verbleibenden Plätze werden teilweise verschoben und neu geordnet. Insgesamt wird im Planungsraum das Stellplatzangebot um 58 Plätze reduziert. Bei einem Verzicht auf Sitzstufen an Teilabschnitten des geöffneten Haarbachs würden sich Flächenpotenziale für weitere Stellplätze ergeben. Die verbleibenden öffentlichen Stellplätze sollen vollständig den Kunden des örtlichen Handels und Besuchern zur Verfügung gestellt werden. Größere zusätzliche Parkierungsanlagen sind auf Grundstücken der Stadt Aachen, etwa dem Bauhof oder hinter dem ehemaligen Bezirksrathaus, realisierbar. Eine Parkpalette auf dem Bauhof unter Hinzunahme der benachbarten Garagenfläche könnte den Verlust der Stellplätze mehr als ausgleichen und zu einem zusätzlichen Parkraumangebot führen. Allein durch Aktivierung der Flächen der Stadt Aachen sind bis zu ca. 50 zusätzliche Plätze gegenüber heute möglich. Die Erarbeitung eines Parkraumkonzeptes wird angeregt.
Die Planung berücksichtigt neben den Kfz-Stellplätzen Fahrradabstellanlagen. In der Alt-Haarener-Straße, im Bereich St. Germanus und in der Wurm- und Haarbachaue sind insgesamt ca. 100 Stück geplant. Im Bereich des Marktes ist auch ein Standort für ein Fahrradverleihsystem vorgesehen. Car-Sharing-Stationen für Pkw werden in Marktnähe realisiert. Hier bietet sich entweder eine Gruppe von Straßenraumparkplätzen oder ein Ort in einer neu zu schaffenden Parkierungsanlage an.