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Mehrfachbeauftragung | 11/2016

Sanierungsmaßnahme „Altstadt Neubrandenburg“ - Neugestaltung Bahnhofstor

Lageplan

Lageplan

1. Rang

hannes hamann landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Das Bearbeitungsgebiet enthält mit den Wallanlagen, der Stadtmauer, dem Franzis-kanerkloster und der St. Johanniskirche bedeutende Denkmale, welche die Stadtgeschichte Neubrandenburgs bis in das Mittelalter dokumentieren.

1824 wurde die Doppelwallanlage mit den drei Gräben zu einer Stadtpromenade umgestaltet. Wassergebundene Wege auf den Wallkronen und ein schöner Baumbestand mit alten Eichen prägen dieses Gartendenkmal.

Mit dem Anschluss an das Eisenbahnnetz wurde 1864 die Stadtmauer geöffnet und die Stargarder Straße axial auf den Bahnhof geführt. Das historisierende Eisenbahntor entstand aus zwei massiven Pfeilern mit flachen Anschlüssen an die alte Stadtmauer.

1885 entstand in den westlichen Wallanlagen ein Denkmal für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs, welches 1945 zerstört wurde. Auf der östlichen Seite wurde 1893 ein Denkmal für den Dichter Fritz Reuter errichtet. 2006 wurde dieses restauriert.

1923 wurde durch einen Kaufmann der Reuter-Brunnen für den Marktplatz gestiftet. Der Bildhauer Wilhelm Jaeger schuf das heute als Mudder-Schulten-Brunnen bezeichnete Wasserspiel. Aufgrund der Umgestaltungen des Marktplatzes wurde 1961 der Brunnen in die Wallanlagen verlegt.

Das Gestaltungsprinzip der südlichen, erneuerten Abschnitte der Stargarder Straße wird aufgenommen und konsequent fortgeführt. Die Gliederung in Fahrbahn, Bord, Unterstreifen, Gehweg, Oberstreifen und Freifläche wird beibehalten. Die Fahrbahn verbreitert sich nördlich der Poststraße durch Abbiegespuren und wird mit dem vorhandenen Granit-Kleinpflaster befestigt. Ein Granit-Hochbord dient als Einfassung, Ober- und Unterstreifen werden mit Granit-Mosaikpflaster, die Gehwege mit Betonplatten hergestellt.

Die Fahrbahnnebenflächen sind mit Breiten von 4,50 - 7,00 m großzügig dimensioniert und stärken eine durchgängige Verbindung nach Norden zum Bahnhof.
Das Leitsystem für sehbehinderte Menschen markiert Übergänge über die Fahrbahn und Zugänge zu den öffentlichen Gebäuden.

Gestaltung 1. Ringstraße

Der bereits umgestaltete Straßenraum in der 1. Ringstraße wird nach Norden um eine kleine Freifläche bis zu der vorhandenen Sitzmauer erweitert. Die Platzfläche bietet Aufenthaltsqualität mit Sitzmöglichkeiten und Informationen zur Stadtgeschichte. Die Fläche wird mit Lesesteinpflaster befestigt.

Gestaltung 2. Ringstraße

Der Abschnitt der 2. Ringstraße zwischen Darrenstraße und Stargarder Straße dient ausschließlich der rückwärtigen Erschließung des Klosters. Anlieferung, Entsorgung und Parken für das Museum erfolgen in Zukunft nur noch über die Darrenstraße. Nördlich des Klosters entstehen Freiflächen ohne Fahrverkehr. Die geplanten Materialien der Straßenplanung mit Granitplatten, Großpflaster und Lesesteinpflaster werden auf der Nordseite des Museums fortgeführt. Im Eingangsbereich des Museums entsteht ein großzügiger Platz, auf welchem der Mudder-Schulten-Brunnen eingeordnet werden kann.
Der Brunnen wurde ursprünglich für den Markplatz entworfen. Er entstand in Proportion zu dem alten Rathaus und der befestigten Fläche des alten Marktplatzes. Der Standort in den Wallanlagen an der sehr stark befahrenen Ringstraße wird deshalb für ungeeignet angesehen.
Mit dem alten Kloster ist ein Gebäude von ähnlicher Kubatur vorhanden. Mit dem neuen Eingangsbereich ist eine Fassung der kleinen Platzfläche zu zwei Seiten entstanden. Mit der Verlagerung auf diesen kleinen städtischen Platz erzählt der Brunnen einerseits selbst ein Stück Stadtgeschichte, darüber hinaus aber auch Landesgeschichte im Eingangsbereich des Regionalmuseums. An diesem Standort verbinden sich eine denkmalgerechte Instandsetzung des Brunnens und moderne Freiraumgestaltung mit hoher Aufenthaltsqualität.

Stadtmauer

Die mittelalterliche Stadtmauer wurde vor über 150 Jahren im Zuge der Stadterweiterung geöffnet und mit dem Eisenbahntor eine neue Eingangssituation geschaffen. Die Spuren beider Stadtbefestigungen sind heute noch ablesbar. Flache Mauerscheiben nehmen das mittelalterliche Mauerprofil auf, zeichnen in unterschiedlichen Abständen den Verlauf nach und verdichten sich zur Straße zu einer neuen Torsituation, ohne den Stadtzugang wieder zu verschließen. Als Material empfehlen sich hier Cortenstahl oder Stahl. Informationen zur Stadtgeschichte können in die Stelen eingearbeitet werden.

Die Doppelwallanlage mit den drei Gräben wird auch von der Stargarder Straße wieder erlebbar. Die Wallanlagen werden als Grünfläche wieder an die Straße geführt, ohne dabei die Großzügigkeit der Gehwege einzuschränken. Die Wallkronenwege werden über Rampen angebunden, die Topographie wieder erlebbar gemacht. Der sehr schöne Altbaumbestand wird vollständig erhalten, geschützt und entwickelt werden vorrangig die Alleebäume an den Promenaden. Zur Herstellung von Blickbeziehungen werden einzelne Bäume aufgeastet. Zur Straße sind Rasen- und Gehölzpflanzungen als leichte Böschungen anzulegen. Schmuckpflanzungen entstehen am Fritz-Reuter-Denkmal.

Das Fritz-Reuter-Denkmal wurde 2006 instandgesetzt, das Umfeld ist jedoch deutlich gestört. In Anlehnung an die historische Situation wird eine kleine Platzfläche um das Denkmal geschaffen. Damit ist dieses von allen Seiten erlebbar. Eine Möblierung mit Bänken wertet diesen Bereich auf und schafft eine hohe Aufenthaltsqualität. Einerseits ist das Denkmal aus dem Straßenraum besser erlebbar, andererseits auch die Altstadt mit dem neuen Stadteingang von dem Platz um das Fritz-Reuter-Denkmal.

Die Möblierung der Straßen, Plätze und Grünanlagen orientiert sich an dem vorhandenen System in der Stargarder Straße. Das gesamte Stadtmobiliar wird aus beschichtetem Metall gefertigt, die Bänke erhalten Auflagen aus Holz. Neben straßenbegleitenden Mastleuchten akzentuieren Bodenleuchten das Kloster und die Stelen. Die Informationstafel zum Thema „Orte der Gewalt“ wird auf der kleinen Platzfläche nördlich des Hotelneubaus eingeordnet.

Beurteilung durch das Preisgericht

WÜRDIGUNG DER ARBEIT

Stadteingang Verbinden und Trennen

Neubrandenburg besitzt eine einzigartige Situation, die durch die unmittelbare Lage des Bahnhofs vor der mittelalterlichen Befestigungsanlage bestimmt ist. Die Stadtväter haben sich in der Zeit um 1860 ganz offensiv zum Stadtumbau entschieden und dass seinerzeit modernste Verkehrsmittel durch den Mauerdurchbruch inszeniert und die Anbindung an die Stadt organisiert.
Dieses Thema beschäftigt auch heute die Stadt und ihre Bürger.
Der Verfasser nimmt die vielen Fragen auf und beantwortet sie sehr geschickt.
Die Bereiche vor der Altstadt und in der Altstadt werden nicht noch stärker getrennt, als es durch Verkehrsorganisation, Fahrbahnbreiten, Wartezeiten etc. notwendig ist, sondern die Einzelelemente werden sichtbar gelassen und erlebbarer gestaltet. Es wird ein Gesamtraum inszeniert. Das tut Neubrandenburg an dieser Stelle sehr gut. Zu den Qualitäten der Studie zählt daher auch der Vorschlag einen mindestens 7,00 m breiten Gehweg anzubieten.

Umgang mit der Stadtmauer

Der Verlauf der Mauer wird durch eine Reihe unregelmäßig aufgestellter Stelen sichtbar gemacht. Jedoch wird keine Abschottung erzeugt, sondern mit einer großzügigen Semitransparenz gekonnt gespielt. Am sogenannten „Brückner-Wiekhaus“ wird die Originalhöhe der Mauer um 1900 erkennbar gemacht. Damit werden authentische Spuren Neubrandenburger Stadtgeschichte gezeigt und keine Kopien erstellt. Eine einladende Geste wird erreicht und Hinweise auf den historischen Schatz, den die Stadtbefestigungsanlage darstellt, werden im Original gewürdigt.
Das Konzept beruht auf einer genauen Recherche zur Stadtgeschichte, die dem Umgang mit den einzelnen Themenbereichen an diesem Standort zugute kommt.

Gestaltung der Flächen im Wallbereich

Das Wallprofil ist gestört! Bahnhofsvorplatz und Stargarder Straße gehören natürlich zusammen seit über 150 Jahren. In der Erkenntnis dieser beiden Pole muss eine Lösung für den Wallbereich auf beiden Seiten gefunden werden, der den Denkmalanspruch respektiert und den urbanen Zusammenhang gleichsam herstellt. Durch das leichte Gefälle der Rasenflächen wird eine Lösung aufgezeigt, die gestalterisch und funktional überzeugt.

Standortvorschlag Mudder-Schulten-Brunnen

Eigentlich war er der Marktbrunnen vor dem Rathaus, der hierher Anfang der 1960er Jahre versetzt wurde und einen neuen Namen erhielt. Als Fritz-Reuter-Brunnen ist seine Entstehung mit bürgerschaftlichen Engagement verbunden. Auch deshalb ist er so wichtig für diese Stadt. Er bleibt mit dem Vorschlag zur Standortveränderung in Sichtweite zu Fritz Reuter. Das Kunstwerk erhält den notwendigen maßstäblichen Bezug zur Architektur, analog zur Ursprungssituation auf dem Marktplatz.
Damit wird man dem Brunnen stadträumlich gerecht und gleichzeitig rückt er vor den heutigen Museumszugang als „Hingucker“, zum Verabreden und zum Verweilen. Gleichzeitig wird das Museum selbst bereichert.

Sicherung der Aufenthaltsqualität

Aufenthaltsqualitäten sichern ist ein wichtiges Ziel in bewegten Zeiten und Orten. Die Sehnsucht zur Ruhe zu kommen ist damit verbunden. Diese Nahtstelle innerhalb der Innenstadt jedoch ist durch enorme Dynamik gekennzeichnet. Dennoch ist der Wunsch nach Sitzmöglichkeiten, zum Zuschauen aus „sicherer Distanz“ groß. Das kann mit der gefundenen Lösung am Fritz-Reuter-Denkmal eingelöst werden. Zusätzlich werden behutsam historische Anleihen vorgenommen und in die Denkmalumgebung integriert.
Durch den Vorschlag, die 2. Ringstraße als Aufenthaltsbereich zu entwickeln, kann die Situation zwischen Franziskanerkloster und Stadtmauer als Eingangszone für das Regionalmuseum erheblich aufgewertet werden.

Besondere Qualität der Arbeit

Die Arbeit zeichnet sich durch drei Punkte besonders aus:
- sensible Herleitung aus der Aufgabenstellung
- klares übergeordnetes Konzept
- „Durchhalten“ des Anspruchs bis ins Detail
Detail Klosterplatz

Detail Klosterplatz

Ansicht Bahnhofstor

Ansicht Bahnhofstor

Ansicht Wallanlagen

Ansicht Wallanlagen

Ansicht Kloster

Ansicht Kloster

Ansicht Bahnhofstor

Ansicht Bahnhofstor

Ansicht Wallanlagen

Ansicht Wallanlagen