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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2018

Sanierung, Umstrukturierung und Erweiterung der Staatlichen Kunsthalle

2. Preis

Preisgeld: 91.000 EUR

Auer Weber

Architektur

ZWP Ingenieur-AG

TGA-Fachplanung

Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Städtebau
Die städtebauliche Situation des Hauptgebäudes der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe bleibt weitgehend unverändert. Mit wenigen Eingriffen wird das Vorfeld im Bereich Haupteingang gestärkt, so mit der Schaffung eines barrierefreien großzügigen Zuganges. Von diesem Vorfeld aus ist auch die Erweiterung (Ideenteil) der Kunsthalle in den Gebäuden des Amtgerichtes an der Ecke Zirkel / Waldstraße wahrnehmbar. Die Erschließung der Erweiterung erfolgt wie vorgesehen über einen unterirdischen Verbindungsbau.
Die denkmalgeschützten Gebäude des Amtsgerichtes aus den 50er Jahren bleiben in ihrer äußeren Kubatur und Hülle weitgehend erhalten. Der zweigeschossige Baukörper mit Dach und Arkadengang zum Schloßplatz und auch der 5-geschossige Bau zur Herrenstraße. Lediglich der flache Baukörper mit Flugdach, der vom Eingang des Hauptgebäudes der Kunsthalle sichtbar ist, erhält eine Aufstockung. Der ehemalige Eingang zum Amtsgericht bleibt als Nebeneingang zum dort vorgesehen Restaurant erhalten. Zwei neue Nebeneingänge am Zirkel und am Schlossplatz ermöglichen eine Durchwegung des Gebäudes der Erweiterung in Nord-Südrichtung. Der Innenhof der Erweiterung wird als Kontrapunkt zum „leeren“ Innenhof (mit Überdachung) des Hauptgebäudes mit einem eingestellten, ablesbaren Baukörper gefüllt.

Architektur und Erscheinungsbild
Der gestalterische Umgang mit dem Bestand sowohl im Hauptgebäude mit seinen 4 Bauphasen als auch im ehemaligen Amtsgericht mit seiner charakteristischen 50er Jahre Fassade hat zur Prämisse, die vorhandenen Zeitschichten ablesbar zu erhalten. Das Neue ist erkennbar und ergänzt das Bestehende zu einem neuen Ganzen.
Die wenigen neuen Elemente im Hauptgebäude, die „Schublade“ zum Innenhof, die Tragkonstruktion der Überdachung verbinden sich über ihre Materialität - bronzierte Metalloberflächen.
Die Aufstockung am ehemaligen Amtsgericht besteht aus einer vorgehängten leichten perforierten Metallhülle, die nachts hinterleuchtet werden kann.

Museologische Aspekte
Auf allen Ausstellungsebenen ist ein durchgehender Rundgang und eine leichte Orientierung möglich. Die schwellenlose Zugänglichkeit der Ausstellungsräume im Erdgeschoss vom Innenhof bietet ein hohes Maß an Flexibilität. Folgende Lichtqualitäten auf den Ebenen werden angeboten: Obergeschosse mit klassischem Museumsoberlicht, Tageslicht mit Kunstlichtergänzung bei Bedarf, Erdgeschoss mit gefiltertem Seitenlicht und Lichtdecke, Untergeschoss mit Lichtdecke.

Innenhofüberdachung
Die Eindeckung der Innenhofüberdachung erfolgt mittels ETFE-Folienkissen, die Primärkonstruktion der Innenhofüberdachung wird als Trägerrost aus Stahl ausgebildet.
Durch die ETFE-Folienkissen-Eindeckung eine vergleichsweise (z.B. im Vergleich zu Glas) leichte und transluzente Dacheindeckung gewählt. Die aus den ETFE-Kissen resultierende Horizontallast (Temperatur, Schnee Wind und Lastfall „Wassersack“) werden innerhalb der Primärkonstruktion aufgenommen und nicht als äußere Kräfte auf den Bestand abgeleitet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Diese Arbeit überzeugt konzeptionell im Realisierungsbeitrag und städtebaulich tektonisch im Ideenteil durch Ihren subtilen und zurückhaltenden Gesamtauftritt. Diese „leise Töne“ schmälern aber nicht die Qualität der notwendigen architektonischen Interventionen insbesondere im Bereich des sensiblen Bestandes der staatlichen Kunsthalle. Auch im notwendigen Übergang und dem ebenfalls denkmalgeschützten potentiellen Erweiterungsbau des Amtsgerichts, legen die Verfasser in Anmutung und äußerer Erscheinung die gleiche Messlatte der Veränderungen an. Geschickt werden städtebaulich relevante Bausteine des Bestandes erhalten und für museale und weitere Aspekte umgenutzt, sowie eine plastische Ergänzung des niedrigen baulichen Bestands am Zirkel nach oben und die Füllung des Innenhofs als naheliegende und gut nutzbare räumliche Erweiterungen angeboten.

Die aufzeigte Grundrisskonfiguration und insbesondere die unterirdische Verbindung zur staatlichen Kunsthalle sind angemessen in den Raumproportionen und funktionalen Zuweisungen. Allerdings greifen Sie in erheblich das Bemessungsgrundwasser ein. Änderungen programmatischer Art sind aufgrund der Raumangebote im Erweiterungsbau unproblematisch lösbar. Der Verbindungsbau unter dem Straßenniveau bietet eine rhythmisierte und großzügige Raumsequenz die sicherlich im Durchdringen des Durm’schen Kellergewölbes einer besonderen Feinfühligkeit und konstruktiven Sensibilität bedarf und daher auch kritische diskutiert werden.

Die architektonischen Eingriffe in das Bestandsgebäude der staatlichen Kunsthalle sind geprägt von einem großen Respekt vor dem spannenden heterogenen Bestand. Sie versuchen diesen nicht zu übertrumpfen, sondern sind geschickt eingefügt ohne Ihre Entstehungszeit zu verleugnen.

Das historische Treppenhaus verbleibt nach wie vor als „die Adresse“ der staatlichen Kunsthalle. Ein größerer Vorplatz entlang der Straße wäre wünschenswert. Es kann barrierefrei von der Straße erschlossen werden und benötigt für einen Übergang zum nach wie vor erhöhten Innenhof einen substantiellen Eingriff in den denkmalgeschützten Bestand des Hübsch-Baus. Dieser neue Aufzug wird von der Jury und insbesondere der Denkmalpflege sehr kritisch gesehen und bedarf weiterer Überlegungen Der über eine neue Treppenanlage erreichbare, erhöhte Innenhof birgt zukünftig alle notwendigen Funktionen für die Besucher; wie Kasse, Bookshop und ein Museumscafé, die im Sockelbereich des Mohlbaus angeordnet sind. Der erhöhte Innenhof wird wohl neu aufgebaut werden, bietet aber insbesondere für den Bereich der Wechselausstellung einen gut nutzbaren und in der Höhe angemessenen Raum unter dem Hofniveau an. Hier scheint allerdings die angebotene Deckenhöhe für technische Installationen knapp bemessen.

Die Treppenkaskade vom Innenhof hinunter in die Wechselausstellung liegt räumlich gut angeordnet und findet ihre Entsprechung im späteren Erweiterungsbau. Allerdings wird die Lage und Ausformung auch ambivalent besprochen.

Die von den Verfassern angebotene „leichte Überdachung“ des Innenhofs mittels ETFE Folienkissen und einem einfach gehaltenen Stahlträgerrost will mit ihrer Einfachheit den Innenhoffassaden die maximale visuelle Aufmerksamkeit bieten, ohne konzeptionell selbst in den Vordergrund zu treten.

Technisch und bauphysikalisch sicher eine zunächst simple Lösung für eine notwendige Überdachung, die jedoch sowohl in ihrer tektonisch-strukturellen als auch energetischen Bewertung (Verschattung ?) und hinsichtlich eines guten Raumklimas (Überhitzung, Akustik?) aus zu arbeiten wäre.

Die angebotenen Rundwege im Bestandsgebäude sind zunächst an die vorhandenen räumlichen Raumsequenzen gut angepasst und nutzen diese nachvollziehbar. Die Lage des Kupferstichkabinetts im Erweiterungsbau des UG / Bestand kann mittels Aufzugsanlage mit dem Auslegesaal einfach verbunden werden und schafft mit seiner Lage mehr Raum für die Malerei in den Obergeschossen. Dennoch wird diese Aufteilung bei den Museumsfachleuten kontrovers diskutiert. Ebenso kontrovers wird die Verlagerung der Thoma Kapelle in das Dachgeschoss des Amersbachbaus besprochen. Anlieferung und Verteilung der notwendigen Lagerflächen im UG des Bestands sind nachvollziehbar und nutzbar angeboten, ebenso wie die Integration der neuen Technikanlagen.

Auf Grund des bescheidenen Gesamtauftritts der gesamten Konzeption für Bestand und auch Ideenteil zeigt diese Arbeit auch plausible und angemessene wirtschaftliche Kenndaten. Insgesamt ein subtiler und intelligenter Beitrag zu den vielschichtigen und komplexen Fragestellungen dieses kombinierten Wettbewerbs, der insbesondere gute räumliche Angebote in beiden Bauteilen anbietet, jedoch in seinem architektonischen Fußabdruck, insbesondere im Innenhof noch Potentiale heben könnte.
Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Zwischengeschoss

Zwischengeschoss

1. Obergeschoss

1. Obergeschoss

1. Untergeschoss

1. Untergeschoss

Schnitt

Schnitt