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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2018

Sanierung, Umstrukturierung und Erweiterung der Staatlichen Kunsthalle

Anerkennung

KUEHN MALVEZZI

Architektur

Werner Sobek AG

Energieplanung, TGA-Fachplanung, Tragwerksplanung

Bollinger+Grohmann

Brandschutzplanung

atelier le balto

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

ENTWURFSKONZEPT
Mit einer architektonisch erneuerten Vierflügelanlage um einen integrierten Lichthof erreicht die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe museologisch und energetisch ein neues Niveau: Die von Heinrich Hübsch, Josef Durm und Heinz Mohl sukzessive geformte Anlage erhält durch eine Intervention im Amersbach-Flügel die zur Zeit fehlende Schlüssigkeit. Ausgehend von einer klaren Vertikal-Erschließung am Atrium entstehen zwei geschlossene Sammlungsparcours auf den beiden historischen Hauptebenen sowie ein neuer Sonder-ausstellungsraum im Untergeschoss. Lage und Richtung der neuen Erschließung weisen zugleich den Weg zur Erweiterung der Kunsthalle im Amtsgericht. Der denkmalgeschützte Bau von Heinrich Hübsch wird durch die Intervention von Foyer- und Haupterschließungsfunktion entlastet; die denkmalgeschützten Seitenflügel Durms und Mohls werden mit minimalen Maßnahmen in ihrer jeweiligen Typologie erhalten und museologisch gestärkt. Zwischen den beiden charakteristischen baulichen Fugen mit den Rettungstreppenhäusern entstehen im Amersbach-Flügel gut proportionierte neue Sammlungsräume, die eine Enfilade mit den Seitenflügeln bilden und einen Rundlauf auf beiden Ebenen ermöglichen.

1. BAUABSCHNITT KUNSTHALLE
VORPLATZ
Solitär und Zirkel-Baustein in einem: Ausdruck dieser Doppelrolle der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe im Stadtkontext ist die historische Aufweitung des Straßenprofils vor dem Hübsch-Gebäude. Dieser Platz, einst zwischen Waldstraße und Linkenheimer Tor aufgespannt aber heute lediglich als morphologische Spur gegenwärtig, wird als neuer Vorplatz der Kunsthalle wiedergewonnen. Die stadträumliche Qualität aus der Fußgängerperspektive wird durch eine Neuordnung erreicht: mit einem durchgängigen Steinbelag auf dem gesamten Platz einschließlich der leicht abgesenkten Fahrbahn für langsamen Verkehr, deren Verlagerung eine Befreiung des unmittelbaren Entrées schafft. Zwei Rampen ergänzen die bestehende Treppe, deren Antritt in den neuen Platz vorverlagert wird.

ATRIUM
Der Stadtplatz erweitert sich durch das Entrée in das überdachte Atrium. Für Museumsbesucher wie Passanten gleichermaßen zugänglich, bildet es das Herzstück der neuen Kunsthalle und verleiht ihr eine andere Öffentlichkeit. Der Hof wird wieder auf das Eingangsniveau des Hübsch-Baus abgesenkt und so ebenerdig barrierefrei erreicht. Die Konstellation von Café, Museumsshop und Kasse im Lichthof schafft einen großen platzartigen Empfang, der vom klimatisierten Sicherheitsbereich klar getrennt als temperierter Stadtraum funktioniert. In Verbindung mit dem öffenbaren Auditorium ist das Atrium ein natürlich belichteter multifunktionaler Raum, der alle Ausstellungsbereiche zentral erschließt.

ASSEMBLAGE
Die Intervention am ehemaligen Amersbach-Flügel nimmt sich gegenüber dem denkmalgeschützten Bestand zurück und fügt die einzelnen Fragmente der Kunsthalle zu einer bis in die Gegenwart fortgeschriebenen Assemblage. Als neues Rückgrat trägt die Einfügung das Lichtdach und die gesamte Vertikalerschließung. Die bestehenden Baukörper werden als Zeugen historischer Epochen und ihrer jeweiligen architektonischen Paradigmen sowohl als Nutzfläche wie als Exponate behandelt, die sich um den gemeinsamen Hof gruppieren. Dabei wird vor allem das Treppenhaus im Hübsch-Bau von seiner erschließenden Funktion und den Foyereinbauten befreit und so als öffentlich zugängliches Exponat erfahrbar.

SAMMLUNGSPARCOURS
Als Zirkelschluss auf den beiden Hauptebenen komplettiert der neue Amersbachflügel die Enfilade des Sammlungsparcours zwischen Durm- und Mohl-Flügel. Ausgehend von der Vertikalerschließung am Atrium entsteht so ein geschlossener Sammlungsparcours. Die Fugen zwischen den Baukörpern erzeugen darin keine Unterbrechungen, sondern sind als fließende Überleitungen in die neu geschaffenen Enfiladen des Parcours integriert. Die zusätzlichen Fluchttreppen sind im Gegensatz zur Bestandssituation nicht Teil des Parcours und bleiben für die Besucher unsichtbar. Der Mohl-Flügel wird museologisch gestärkt, indem sämtliche Mezzanin-Geschosse als Komplementärräume wie Kunstvermittlung dienen, während die Hauptebenen als Tageslicht-Ausstellungsräume hervorgehoben werden.

SONDERAUSSTELLUNG
Die zusammenhängende Neukonzeption von Hof und Nordostflügel bietet die Chance, im Untergeschoss einen großen, stützenfreien Ausstellungsraum zu gewinnen. In der fünf Meter hohen Halle mit künstlichem Oberlicht sind Sonderausstellungen mit sehr variabler rämlicher Inszenierung und vielfältiger Parcoursbildung möglich. Über zwei großzügige Treppenläufe öffnet sich der Sonderausstellungsraum zum darüber liegenden Atrium. Eine klimatisierte Lastwagenanlieferung mittels Aufzug wird auf der neuen Sonderausstellungsebene positioniert. Dadurch kann auf eine großräumige Rampenanlage verzichtet und eine hohe Effektivität sowie Sicherheit der Anlieferung erreicht werden.

2. BAUABSCHNITT AMTSGERICHT
KOMPLEMENTÄRE ERGÄNZUNG
Das Thema der Assemblage setzt sich im Bestandsbau des Amtsgerichts fort. Er ist ein Zeugnis der komplexen Fügung und Überlagerung historischer Spuren und zeitgenössischer Intervention innerhalb der Nachkriegsarchitektur. Die Artikulation verschiedener Bauteile mittels Fugen und Treppenhaus-Gelenken zeichnet das Amtsgericht wie die späteren Mohl-Bauten der Kunsthalle aus. Die zukünftige Erweiterung bietet die Möglichkeit, beide Ensembles zu einem schlüssigen Gesamtparcours zu verbinden. Die Valorisierung der 1950er-Jahre-Fassaden sowie des Innenhofs als offenem Skulpturengarten im Herzen der Sammlung Moderne macht aus der Erweiterung eine komplementäre Ergänzung der Kunsthalle.

VERBINDUNG UND PARCOURS
Ein geradliniger Parcours lässt die Moderne mit dem Thoma-Raum im Untergeschoss der Kunsthalle auftakten und führt über vollwertige Ausstellungsräume unter der Straße hindurch per Rolltreppe und Aufzug ins Amtsgericht. Das Auftauchen am Skulpturengarten verortet und orientiert die Besucher unmittelbar bei Ankunft im Erweiterungsbau. Im Erdgeschoss setzt sich der Sammlungsparcours Moderne um den Skulpturengarten herum fort. Im Obergeschoss sind zwei große schaltbare Ausstellungsräume mit Lichtdecken zu einem eigenen Parcours zwischen Neu- und Bestandsbau verbunden.

EIGENSTÄNDIGE FIGUR
Ein Neubau mit großen Ausstellungsräumen überlagert das Eckgebäude am Zirkel als eigenständige Figur. Vom Grund bis zur Dachlinie bildet der L-förmige Neubau ein Haus über dem Haus, das vom Stadtraum als Volumen hinter der historischen Skelettfassade wahrnehmbar ist und dieser zugleich als Rücklage dient. Am Skulpturengarten bildet der Neubau eine offene Galerie am Hof, die Innen und Außen räumlich verwebt und den Ausstellungsräumen eine Raumschicht vorlagert, die sowohl Ausstellungs- wie Bewegungsfläche am Skulpturengarten ist. Rolltreppen und ein Aufzug verbinden die Hauptebenen und schaffen eine klare Orientierung innerhalb des heterogenen Gebäude-Ensembles.

VERANSTALUNTGSBEREICH
Mit dem historischen Foyer des Amtsgerichts steht ein offener Raum mit eigener Adresse als künftige Museumsgastronomie zur Verfügung. Durch seine Innenverbindung zum Museum ist er zugleich als Veranstaltungsbereich im Zusammenhang mit den denkmalgeschützten Gerichtsräumen im Erd- und Obergeschoss nutzbar und eignet sich für Museumseröffnungen und Empfänge. Als Pendent des Kunsthallen-Atriums bildet dieser Raum einen Empfangsraum der Öffentlichkeit außerhalb des musealen Klima- und Sicherheitsbereichs, ohne jedoch über eigene Kassen- und Besucherservice-Einrichtungen zu verfügen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen eine Intervention im Amersbach-Flügel vor, die vom Innenhof aus betrachtet als eigenständiges architektonisches Element zu den von Heinrich Hübsch, Josef Durm und Heinz Mohl gestalteten Fassaden hinzutritt. Ausgehend von einer klaren Vertikal- Erschließung am Atrium entstehen zwei geschlossene Sammlungsparcours auf den beiden historischen Hauptebenen sowie ein neuer Sonderausstellungsbereich im Untergeschoss. Lage und Richtung der neuen Erschließung weisen dabei sinnvoll den Weg zur Erweiterung der Kunsthalle im Amtsgericht. Der Hof wir dabei auf das Eingangsniveau abgesenkt. Die Anordnung der neuen Erschließung wirkt schlüssig und setzt einen neuen Akzent, nachdem der Besucher das wundervolle Treppenhaus von Heinrich Hübsch durchschritten hat. Die Integration von Aufzugsanlagen im Hübschbau werden aus Sicht des Denkmalschutzes eher kritisch kommentiert. Begrüsst wird hingegen die Einführung der neuen Fassade am, die als Rückgrat das Lichtdach und die gesamte Vertikalerschließung tragen kann. Die bestehenden Baukörper werden dabei als Zeugen historischer Epochen und ihrer jeweiligen Paradigmen quasi als Exponate behandelt, die sich um einen gemeinsamen Hof gruppieren. Dieser Ansatz wird von der Jury gewürdigt, da es gelingt, sowohl die Erschießungsproblematik zu den zu bewältigen, als auch eine eigenständige neue architektonische Haltung für den Hof zu etablieren.

Allerdings wird das Erscheinungsbild des neuen eingestellten Baukörpers als wenig gelungen empfunden. Sowohl die Treppenanlage und der Balkon als auch die gewaltigen Kragträger der Dachkonstruktion wirken rüde im Verhältnis zu den Fassaden von Heinrich Hübsch und Heinz Mohl. Im Gegensatz dazu erscheinen die Stützen unverhältnismässig dünn. Es ist auch fraglich, ob die notwendigen Zugstützen an der Außenfassade nicht sehr aufwendige Verankerungen im Kellergeschoss notwendig machen würden.

Insgesamt erscheint die Auseinandersetzung mit der Frage, wie tief und wo sinnvoll zu bauen ist, sowie wie der neue Museumsteil im Amtsgericht anzubinden sein könnte, wenig fundiert und lässt in der dargestellten Form hohe Kosten erwarten. Der Abgang durch die Fuge ist schmal und führt den Besucher zunächst in ein Zwischengeschoss indem sich der Toiletten/Garderoben und der Multifunktionshalle befinden. Von dort aus geht es tiefer nach unten, um an der Sonderausstellung vorbei durch einen relativ schmalen Bereich unter dem Hübsch Bau durch zu tauchen um anschließend auf einer Rolltreppe den Weg in den Neubau zu finden. Diese Anbindung wirkt wenig überzeugend.

Der Umgang mit dem Amtsgerichtsgebäude erscheint jedoch städtebaulich gelungen. Mit dem Erhalt von Nord- und Ostflügel und den Fassaden der Süd- und Westseite sowie der Einführung eines 4-geschossiger Kubus für die Flächen der Sonderausstellung gelingt es den Verfassern, den Bau des Amtsgerichtes glaubwürdig in ein neues Gesamtensemble zu integrieren.