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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2018

Neuentwicklung Wohn- und Gewerbequartier „Friedensplatz bis Löwenplatz“

1. Preis

Preisgeld: 10.500 EUR

raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

modellwerk weimar | Architekturmodelle, Modellbau, Frässervice, Laserservice

Modellbau

Erläuterungstext

Das „Löwenquartier“

Ausgangslage / Grundgedanke
Das Planungsgebiet ist geprägt durch vielfältige städtebauliche und architektonische Missstände (Siehe Grafik Analyse Bestandssituation), die es wo möglich zu beseitigen oder zu mildern gilt. Gleichzeitig liegt gerade in solchen Umbruchräumen auch eine besonderes Potential für die Entwicklung von „urbanem Leben“, das genau diese Freiräume sucht und benötigt.
Grundgedanke ist es daher, innerstädtischen Nischen wie der derzeit dysfunktionale Löwenplatz nicht allein als Defizit, sondern eben auch als Potential und Katalysator zur Etablierung eines neuen kreativen Milieus zu verstehen. Als weiterer wichtiger Anker einer neuen innerstädtischen Stadtentwicklung in Rüsselsheim ist die Neubebauung des Karstadt Areals.

Stadtreparatur wird im vorliegenden Konzept als kreativer Aneignungs- und Aktivierungsprozess verstanden, der maßgeblich durch die Mobilisierung von Akteuren vor Ort („Kümmerer“) vorangetrieben wird. Die vorliegende Planung versteht sich daher nicht als Masterplan, welcher ein ideales finales Bild vorgibt, sondern als Strategie für einen offenen, flexiblen und situativen Ansatz der Stadtentwicklung. Entscheidend ist hierbei die Verzahnung von „harten“ baulichen Maßnahmen mit „weichen“ Maßnahmen zur Aktivierung vielfältiger persönlicher Engagements im neuen „Löwenquartier“. Das bereits vorhandene und im Ausbau befindliche Kulturangebot der Stadt, die junge und bunte Mischung der Rüsselsheimer Bevölkerung, sowie die allgemeine Verknappung von Flächen für die Kreativwirtschaft im Rhein-Main-Gebiet als Ganzes sind hierbei befördernde Faktoren. Folgende Aspekte sind wesentliche Komponenten des Entwicklungskonzeptes:

Hardware = Stadtumbau
- Abriss und Neubau des ehemaligen Karstadt Areals als Nukleus und Katalysator für den Umbauprozess des Quartiers
- Definition grundlegender Regeln für zukünftige Baumaßnahmen im Sinne einer Stadtreparatur
z.B. Körnung, Maßstab, Baulininien, Blockrandschließung, Durchwegung, Belebung EG-Zone, Zonierung öffentlich/halböffentlich/privat, Innenhof- und Dachflächenbegrünung
- Baulandschaffung durch Baulückenschließung als Anreiz für Umbau und Abriss im Bestand auf privatem Grund.

Software = Aktivierung lebendiges Quartier
- Initiative Löwenplatz als Nukleus und Katalysator zur Aktivierung der Menschen im Quartier
- Neue Bewohnerschaft auf ehemaligen Karstadt Areal als wichtiger Impulsgeber für das Quartier als ganzes
- Aktivierung von Menschen mit hohem zeitlichen und persönlichen Engagement und Experimentierfreudigkeit für ihr Projekt im „Löwenquartier“
- begleitende Unterstützung durch die Stadt durch Programme und Maßnahmen wie z.B. Quartiersmanagement, Leerstandsmanagement für projektbezogene Zwischennutzungen, Urban Gardening Projekte etc.

Entwicklung in Stufen
Der Entwicklungsprozess gliedert sich im in 3 Stufen, deren zeitliche Reihenfolge sowie bauliche Konkretisierung je nach tatsächlicher Ausgangslage variieren kann und soll.

Bestandssituation
Vielfältige Mängel prägen das heutige Bild der des Planungsgebietes:

Hardware
- mangelnde städtebauliche Qualitäten durch fehlende Maßstäblichkeit in Größe, Höhe und Ausrichtung der Gebäude
- mangelnde architektonische und funktionale Qualität vieler Bestandsgebäude der Nachkriegsmoderne mit damit verbundenem Leerstand bzw. Fehlnutzung und Sanierungsstau
- mangelnde Qualität im öffentlichen und privaten Freiraum durch undefinierte Abgrenzung von öffentlichen, halböffentlichen und privaten Flächen
- Fehlende Qualität der öffentlichen Räume, teilweise verursacht durch „Übermöblierung“ (Beispiel Löwenplatz), teilweise durch vollständige Inanspruchnahme durch den ruhenden Verkehr
- Fehlende Qualität der Durchwegungen und Passagen (halböffentlicher Raum)
- Fehlende Qualität der privaten Räume. Hoher Versieglungsgrad und Dominanz des ruhenden Verkehrs.

Software
- Verlust der „Kümmerer“ für den Löwenplatz
- keine ausreichende Vernetzung und Stärkung bereits vorhandener Akteursgruppen vor Ort (Treffpunkt Innenstadt, Initiative Freundeskreis Löwenplatz, etc.)
- keine ausreichende Fokussierung und Abstimmung von öffentlichen und privaten Programmen und Maßnahmen

Stufe 1
- Ziel der Stufe 1 ist die Aktivierung der zwei zentralen Katalysatoren für das „Löwenquartier“: Die Neubebauung des Karstadt Areals sowie den Löwenplatz. Eine zeitgleiche Bebauung und Baulückenschließung südlich des Karstadt Areals ist zwar nicht zwingend erforderlich wird jedoch empfohlen, da hierdurch wesentliche Synergievorteile für alle betroffenen Grundstückseigentümer (GWH, Stadt und Privat?) erzielt werden.

Hardware
- Neubauplanung Karstadt Areal:
Stadtreparatur, Blockrandschließung, Ausbildung einer Sockelzone mit öffentlichkeitswirksamer Nutzung, Stärkung Wohnraumangebot, Verlagerung des ruhenden Verkehrs unter die Erde, Schaffung begrünter Innenhofbereiche und Dachflächen,
Rückbau der überdimensionierten hofseitigen Erschließungssituation (Ehemalige Anlieferung Kaufhaus, Ringerschließung wird Stichstraße mit Wendemöglichkeit PKW / Sprinter
- Baulückenschließung südlich des Karstadt Areals durch Neubau:
Aufwertung der Querverbindung „Weisspassage“ durch Ausbildung eines halböffentlichen Innenhofplatzes mit angelagerter Quartiersnutzung, Verlagerung des ruhenden Verkehrs unter die Erde und Erschließung über gemeinsame Tiefgaragenzufahrt Grundstück GWH
- Löwenplatz:
Reduktion der festen Platzmöblierungen auf wesentliche und flexibel nutzbare Elemente, Umgestaltung auf Grundlage eines gemeinsam mit den Akteuren entwickelten Nutzungskonzeptes, Einrichtung einer Mobilitätsstation (Stadtrad, Carsharing, Ladestation…)

Software
- Neubauplanung Karstadtareal:
Realisierung als gemeinschaftliches Wohnprojekt mit erhöhten Anspruch an Diversität, Integration, Gemeinschaftsnutzungen (z.B. Nachbarschaftscafe, -werkstatt) und damit besonderer Ausstrahlung ins Quartier
- Baulückenschließung südlich des Karstadt Areals durch Neubau:
Bespielter Innenhofbereich als kommunikativer „Nachbarschaftshof“
- Löwenplatz:
Aktivierung einer neuen erweiterten Akteursgruppe „Löwenplatz,“ Entwicklung eines Platzkonzeptes, städtische Unterstützung durch Programme und Maßnahmen wie z.B. Quartiersmanagement, Leerstandsmanagement für projektbezogene Zwischennutzungen, Urban Gardening Projekte etc.

Stufe 2 Füllen
Das Planungsgebiet gewinnt an Attraktivität. Auf Initiative der Grundstückseigentümer und auf Grundlage der definierten Regeln werden vorhandene Baulücken gefüllt.
Der Erschließungsverkehr wir aus den Blockinnenbereichen vollständig verdrängt.

Hardware
Baulückenfüllung, ruhender Verkehr unter der Erde, Begrünung der Innenhöfe und Dachflächen, klare Trennung von öffentlichen Platz- und Straßenräumen, privaten Innenhöfen und Dachflächen sowie halböffentlichen Hofdurchwegungen im Bereich der Passagen.

Software
Das urbane Leben am Löwenplatz ist über die Grenzen hinaus bekannt und beliebt und wird zum wichtigen Anziehungspunkt in der Innenstadt. Ein neues kreatives Milieu entsteht und trägt maßgeblich zum Identitätswandel der Stadt Rüsselsheim bei.

Stufe 3 Schließen
Durch die Aufwertung des Quartiers sind größere Um- und Abrissmaßnahmen nun wirtschaftlich darstellbar. Sanierungsbedürftige Gebäude am Löwenplatz werden in passender Maßstäblichkeit und Körnung durch Umbau überformt oder durch Neubauten ersetzt.

Hardware
Der Block wird vollständig geschlossen

Software
Angrenzende Innenstadtquartiere folgen dem Wandlungsprozess.

Bebauung ehemaliges Karstadtareal

Städtebauliche Einbindung
Mit dem Abriss und Neubau des Areals Karstadt besteht nun die einmalige Chance, die hohe Qualität der städtebaulichen Gesamtkomposition Marktplatz/Frankfurter Straße mit seinen inszenierten Hochpunkten Rathaus und Stadtkirche wieder herauszustellen.
Die Bebauung nimmt eine wichtige und exponierte Lage in der Innenstadt ein. Sie ist östlicher Auftakt der Frankfurter Straße, welche in den Marktplatz als „gute Stube“ der Stadt mündet. Gleichzeitig definiert die Bebauung eine wichtige Platzkante zum Friedensplatz, welcher geprägt ist durch mehrere hohe Gebäude. Der Entwurf sieht daher eine Zonierung der Baumasse in zwei Bereiche vor:
Während zur Frankfurter Straße lediglich eine stadträumlich wirksame „dreigeschossige“ Bebauung verträglich ist, die nicht die Höhe der Traufkante der Stadtkirche überschreitet, fügt sich die fünfgeschossige Bebauung als östlicher Auftakt und Platzkante zum Friedensplatz ein.

Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit
Trotz dreigeschossiger Bebauung entlang der Frankfurter Straße werden die hohen Ausnutzungserwartungen erreicht. Durch die Ausbildung eines steilen Satteldaches werden zwei zusätzliche Dachgeschosse ermöglicht, die sich nach Süden zum Innenhof öffnen. Ein dreigeschossiges Hofhaus ergänzt die Bebauung und umfasst einen grünen Gemeinschaftshof. Eine Mischung an unterschiedlichen Wohnungstypen und -größen schafft ein vielfältiges Wohnungsangebot und ermöglicht eine lebendige Nachbarschaft. Durch die Kombination von Dreispänner, Vierspänner und Laubengang wird eine hohe Wirtschaftlichkeit der Erschließung erreicht. Die Laubengänge sind so angeordnet und ausgerichtet, dass sie sowohl als Freisitze für die angrenzenden Wohnungen sowie als nachbarschaftlicher Begegnungsorte genutzt werden können. Die Anordnung der Wohnungen ermöglicht den Verzicht auf eine Feuerwehrzufahrt zum Innenhof.
Die Bebauung des Karstadtareals ist unabhängig von einer südlich angrenzenden Bebauung in der Baulücke. Dennoch sprechen viele Argumente für eine zeitgleiche Entwicklung: Hierdurch wird eine effiziente Tiefgargenunterbauung aller Grundstücke inklusive öffentlicher Erschließungsfläche mit lediglich einer gemeinsamen Tiefgaragenzufahrt ermöglicht. Legt man den Stellplatzschlüssel der Stellplatzsatzung zugrunde, wird eine zweigeschossige Tiefgaragenunterbauung erforderlich. Aus Sicht der Verfasser ist ein reduziertes Stellplatzangebot für dieses Wohnquartier jedoch nicht nur vertretbar, sondern folgerichtig. Da das Grundstück hervorragend an den ÖPNV angebunden ist und ein zusätzliches Mobilitätsangebot mit Carsharing am Löwenplatz entsteht, ist die Etablierung eines bewusst autoarmen Wohnquartiers möglich. Durch den Wegfall der oberirdischen Stellplätze können qualitätsvolle Innenhofbereiche entstehen.

Nutzungsverteilung
Nutzungsschwerpunkt ist Wohnen mit Fokus auf gemeinschaftliches Wohnen. Die Sockelzone der fünf Häuser wird weitgehend mit öffentlichkeitswirksamen Nutzungen belegt. Nach Norden zur Frankfurter Straße sind großflächig zusammenhängende Ladenflächen back to back mit kleinen Wohnungen zum Innenhof vorgesehen. Entlang der Löwenstraße sind neben gewerblichen Nutzungen auch Workinglofts in der Kombination von Wohnen und Arbeiten denkbar. Gemeinschaftliche Nutzungseinrichten wie Nachbarschaftscafe, oder -werkstatt sind ideal platziert im Sockel des Hofhauses und finden eine freiräumliche Ergänzung durch die Platzaufweitung der Weisspassage.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Konzeption verfolgt das Leitbild, eine Stadtreparatur vorzunehmen, die den Gedanken eines kreativen Umsetzungsprozesses unter Beteiligung von unterschiedlichen Akteuren verfolgt.
Die vorgeschlagene städtebauliche Struktur setzt sich intensiv mit dem Bestand und der Maßstäblichkeit des Ortes auseinander. Als langfristige Vision wird die Arrondierung des Blockes zwischen Löwenstraße und Bahnhofstraße angestrebt, die in einzelnen Entwicklungsschritten unter Berücksichtigung der Bestandsbauten realisiert werden kann. Die einzelnen Abschnitte sind so zugeschnitten, dass in den verschiedenen Phasen jeweils eigene Qualitäten erzeugt werden. Mit den beiden Katalysatoren, der Neubebauung des Karstadt-Areals und der Revitalisierung des Löwenplatzes, kann eine Initialzündung für das gesamte Areal erzeugt werden.
Der Bebauungsvorschlag für das Karstadt-Areal formuliert eine klare Kante zur Frankfurter Straße und orientiert sich mit seiner Höhenentwicklung am umgebenden Kontext. Die Traufkante wird aufgegriffen, die Ecksituation am Friedensplatz angemessen überhöht. Das differenzierte Nutzungsgefüge, das im Erdgeschoss aus einer Mischung von Einzelhandel, Gastronomie, Ateliers, Co-Working und zum Innenhof orientiertem Wohnen besteht, hat das Potenzial, den öffentlichen Raum zu beleben. Im Blockinnenbereich bestimmen vielfältig nutzbare Freiflächen den grünen Charakter dieses Raumes.
Der Löwenplatz wird als zentraler öffentlicher Raum des „Löwencarrées“ perspektivisch klar räumlich gefasst und gemeinsam mit den Akteuren umgestaltet.
Die Erschließung erfolgt über die Löwenstraße, wobei der ruhende Verkehr in zwei Tiefgaragen untergebracht wird.
Insgesamt überzeugt das Konzept, weil es angemessen auf den Ort reagiert, in der Umsetzung höchste Flexibilität gewährleistet und durch die vielfältigen Nutzungsangebote ein lebendiges Quartier verspricht.
Modell - modellwerk weimar

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