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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2018

Stadterweiterung München Freiham-Nord (2. Realisierungsabschnitt)

Perspektive Streifraum

Perspektive Streifraum

Anerkennung

LAUX ARCHITEKTEN GMBH

Architektur

Burger Landschaftsarchitekten Susanne Burger und Peter Kühn Partnerschaft

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

FREIHAM.
Warum in Freiham wohnen? Hier ist weder Stadt noch Land, nicht mehr das urbane Schwabing und noch nicht das ländliche Idyll des Fünf-Seen-Lands.
Die Besonderheit des Ortes ist das Dazwischen, das sowohl das Urbane als auch die Qualität des Wohnens im Grünen verfolgt. Hier wird keine Stadtrandsiedlung entworfen, sondern ein Stück zukunftsorientierte Stadt, mit eigener Identität und neuen (frei-)räumlichen Qualitäten.

KONZEPT.
Das Areal des zweiten Realisierungsabschnitts im Münchener Stadtteil Freiham Nord formuliert gen Westen einen klaren baulichen Rand am Übergang zum Landschaftspark und zur offenen Landschaft. Die Struktur knüpft an den ersten Abschnitt Freihams an und interpretiert diesen als urban-landschaftlich geprägtes Gewebe zwischen Aubinger Allee und Landschaftspark.
Die Gliederung der Baufelder wird in seiner Grunddisposition dem östlich der Aubinger Allee gelegenen Abschnitt entlehnt, kleinmaßstäblicher und differenziert fortgesetzt. Dabei stehen die nachbarschaftlichen Identitäten und das Netz aus Freiräumen besonders im Fokus.

GRÜNTHESE.
Mit dem Prinzip einer durchwebten Textilstruktur verwandt, wird der Freiraum zum tragenden Geflecht und setzt den Duktus der vorangegangenen Bauabschnitte fort.
Die nord-süd-orientierten Freiräume des Landschaftsparks und der Aubinger Allee werden durch ein dazwischen befindliches Aktivband mit Busspur und Radl-Highway ergänzt.
Die ost-west-gerichteten öffentlichen und halböffentlichen Grünräume der Grünfinger und Streifräume verbinden Landschaft und Stadt als parkartig gestaltete, großzügige Aufenthaltsräume mit eindeutigen raumbildenden Konturen, Öffnungen und Abgrenzungen.

ERSCHLIESSUNG.
Ausgehend von der Aubinger Allee falten sich eine Stich- und zwei Ringstrassen als kompakte und effiziente, öffentliche Erschließungen durch den Stadtteil. Die Straßenführung ist situativ mit Blickbezügen und Raumsequenzen im Sinn Theodor Fischers gesetzt: kleine, klassisch proportionierte Platzräume als Aufweitungen und Adressierungen dienen als nachbarschaftliche Treffpunkte der Quartiersbewohner. Entlang der Strassen sind Besucherstellplätze und die Zufahrten in die Tiefgaragen vorgesehen.
Die effiziente Erschliessung mit reduziertem Stellplatzangebot wird durch die Potenziale alternativer und multimodaler Mobilitätsangebote kompensiert, wie Sharing-Angebote, Nahmobilität, zentralen Mobilitätsstationen, ÖPNV-Vernetzung und der Beförderung des Fahrradverkehrs.
Die eigenständige Busspur quert das Quartier im vorgesehenen Freiraumkorridor in Nord-Süd-Richtung. Sie ist eingebettet in ein Aktivband, das als sequenzartige Freiraum-Promenade mit Radl-Highway alle Quartiere direkt anbindet.

NUTZUNG.
Im Gegensatz zu den untergeordneten Quartierstrassen wird der Straßenraum entlang der Aubinger Alle und Autobahnzubringer durch eine geschlossene sechsgeschossige Blockrandbebauung markiert und schirmt das Quartier nach innen hin ab.
In der Randbebauung (aktive Ränder) befinden sich der Einzelhandel, Kulturnutzung und Quartiersversorger mit Anlieferung, Entrées und Tiefgaragenzufahrten.
Die Schulen sind direkt von diesen Haupterschließungen erreichbar, zugleich auch an der Schnittstelle mit Nebenerschließung, Park, Grünfinger, Busspur und Radl-Highway gelegen.
Während sich eine Grundschule in der nördlichen Quartiershälfte an der Aubinger Allee befindet ist eine weitere Grundschule in Kombination mit der Mittelschule als Campuslösung südlich des Autobahnzubringers im Konzeptausschnitt der ersten Stufe situiert. Der Standort für die optionale Schule befindet sich im Norden nahe der
S-Bahn-Station Aubing.

QUARTIER / NACHBARSCHAFT.
Im gesamten zweiten Realisierungsabschnitt werden bis zu 17.000 Einwohner wohnen. Die Gliederung in sieben bis neun sukzessiv zu realisierende Quartiere schafft Orientierung, Adresse und Identität.
Im Kern eines jeden Quartiers befindet sich jeweils ein Quartiersplatz als Treffpunkt mit angelagerten Nutzungen, wie Kita, Versorgung, besonderen Wohnformen, sozialen und Wohnfolgeeinrichtungen.
Jeweils vier kompakte Mini-Blocks gruppieren sich nach Innen um einen Quartiersplatz herum und bilden ein Kleeblatt übersichtlicher Nachbarschaft. Nach Außen sind die umgebenden grünen Ränder jedes Quartiers durch Viefalt gekennzeichnet, Aktivband, Aubinger Allee, Landschaftspark, Grünfinger oder Streifraum.

AKTIVBAND.
In Nord-Süd-Richtung und in Ergänzung zu Landschaftspark und Aubinger Allee verläuft das Aktivband, eine urbane bewegungsorientierte Promenade, die Busspur, Radl-Highway und Aktivraum zugleich ist und einen bewussten Kontrast in Nutzung und Atmosphäre zu den grüngeprägten Parks und Streifräumen setzt.
Bewegung, Abwechslung und Extrovertiertheit beschreiben das Wesen dieses Bereiches.

PLATZ.
Im urbanen Umfeld, auf der Erschließungsebene, sind die zentral gelegenen Plätze in Quartiersmitte die öffentlichen Begegnungsorte der Quartiersbewohner. Am jeweils zentralen Kreuzungspunkt situiert, bieten sie mit ihren Baumhainen städtischen Flair und in den angrenzenden Erdgeschoßzonen Raum für alltäglichen Bedarf, wie Kita, Bäcker, Quartierstreff, Yoga, Repair-Cafe, etc..

STREIFRAUM.
Die ost-west-orientierten Freiflächen zwischen den Quartieren formulieren halböffentliche Streifräume, die gemeinsam nutzbare Aneignungsflächen anbieten. Ein locker mit Obstbäumen überstandener Baumhain durchzieht diese Flächen als stabilisierender Layer, dazwischen liegt der grüne, vegetationsgeprägte Aneignungs- und Streifraum für die Anwohner.
Strukturell und im Charakter sind die Streifräume der Nachbarschaft zugeordnete (halböffentliche), informelle, veränderbare Freiräume.
Unter dem Aspekt aktueller gesellschaftlicher Phänomene
(Sharing, Singles, demografischer Wandel, etc.) fungieren die Streifräume zudem als die Orte sozio-kultureller, nachbarschaftlicher Begegnung und des Austauschs. Sie können dabei sowohl als kollektives Gartenland begriffen werden, als auch als Aneignungsraum für Kinder.

PRIVATER FREIRAUM.
Der wohnungsnahe Freiraum wird von einem Korrelat formuliert: Gasse, Hof und Dachterrasse.
Während sich auf den privaten Dachterrassen der Häuser die Bewohner zum Treffen und Ausblick verabreden, steht der Hof für die kleinste halböffentliche Einheit innerhalb der städtebaulichen Struktur, der geschützte Raum für die Gemeinschaft, die Kleinkinder, das grüne Zimmer vor der Terrassentür.
Die Gasse, atmosphärischer Begegnungsraum der Nachbarschaft, ist der Ort sich zu treffen und auszutauschen, nicht nur im Vorbeigehen. Partiell mit Sekundärgebäuden ausgestattet, die Wetterschutz und Stellraum für häusliche Alltagsarbeiten draußen vor dem Haus geben, bilden die Gassen das urbane Pendant zu den grünen Streifräumen.

TYPOLOGIE.
Wie in einer Partitur reagieren die Baufelder auf spezielle Lagen und Raumbezüge: Diese Raumnotationen erzeugen variantenreiche Typologien, die ein breites Spektrum an unterschiedlichen Wohnformen, Akteuren und Mischung ermöglichen.
Entlang der Aubinger Allee und des Autobahnzubringers ist in geschlossener Bauweise ein vornehmlich sechsgeschossiger Rand vorgesehen, der den Lärmschutz sicherstellt. Zugleich sind zur Belebung der Erdgeschosszonen aktive Nutzungen als Potenzialflächen eingeschrieben.
Der vorwiegende Typus der individuell geformten Mini-Blocks basiert auf räumlich gegliederten Baukörperkonfigurationen, einer perforierten, weitgehend fünfgeschossigen Blockrand-
bebauung in Geschosswohnungsbau.
Entlang der Erschließungsstrassen dominieren klare Straßenrandbebauungen; den Quartiersplatz markieren jeweils besondere Gebäudeformen; zu Streifraum und Grünfinger ist der Block durch Bauwiche perforiert und schafft Öffnung, Durchblick und Zugang.
Entlang der Parkside des Landschaftsparks richten sich Hochhäuser aus den Blockstrukturen auf 15 Geschosse auf, schaffen Orientierung im Stadtteil und formulieren einen klaren Rand. Während die Regelgeschosse die Wohnbereiche nach Westen in die Grünräume des Landschaftsparks orientieren, feiern die oberen Etagen den Blick über Freiham hinweg, in die Weite von Park und Landschaft, auf die Silhouette der Innenstadt und den Bergblick nach Süden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Ein Gewebe sich verschränkender und ergänzender Grünräume bildet die tragende Ordnung des neuen Stadtteils. Typologisch schreibt die Arbeit die Haltung des ersten Realisierungsabschnittes fort, erweitert die bekannte Struktur der offenen Blöcke allerdings um die Elemente der Binnenräume mit Anger-Charakter. Die beiden Grünfinger bilden eine landschaftsräumliche, durchgehende Zäsur, die den ersten Realisierungsteil Freihams mit dem Landschaftspark verbindet. Das Strukturprinzip der Grünen Finger weitet die Arbeit damit auf, in dem diese Ost-West gerichtete Freiräume als Streifräume den privaten Grundstücken zugeordnet werden. Diese landschaftlichen Elemente vervielfältigen die Situation des Wohnens im Grünen und korrespondieren im Gegenzug mit der Bildung von Kleinstquartieren aus Miniblocks. Diese überschaubaren, aus drei bis vier kleinen, offenen Blöcken gefügten Quartiere, die sich um einen kleinen zentralen Quartiersplatz gruppieren, bestimmen die Struktur.

Als weiterer öffentlicher Freiraum im Quartier bieten die Verfasser das sogenannte Aktivband an, welches sowohl die Versorgung der durchmessenen Quartiere als auch eine wichtige Verbindungsfunktion an die südlichen und nördlichen Stadteile leisten kann. Als gestreckter Platz interpretiert ist es Raum für die weiche Mobilität und Spielraum zugleich. Es bindet schlüssig den Campus im Süden an, schafft aber auch ein Überangebot an Spiel- und Aufenthaltsflächen.

Die Lage, Form und Dimension der Angerräume lässt zwar die beschrieben Wirkung als grüne Mitte der Einzelquartiere erwarten, stellt aber zusammen mit den Grünfingern, dem Aktivband und dem benachbarten Landschaftspark ein sehr umfängliches und in seiner Gesamtheit kontrovers diskutiertes Angebot dar. Die gezeigten Höfe können zunächst mit ihrer offenen Struktur und der übersichtlichen Zuschnitten überzeugen. Bei genauerer Betrachtung der Zuschnitte werden allerdings Fragen aufgeworfen die eine angemessene Nutzung der Innenräume für privates Grün, KITA Freiflächen und die z.T. notwendigen Feuerwehrflächen in Frage stellen. Die westliche, zum Landschaftspark gerichtete Setzung einer Kette von Hochpunkten, wurde in Form und Reihung kontrovers diskutiert. Ob die beschriebene Gliederung in Kleinquartiere mit den differenzierten Freiräumen die Möglichkeiten für die Bildung von urbanen Nachbarschaften schafft, oder ob ein Zuviel an diesen Freiräumen ein Kippen in die Suburbia bedingt, wurde diskutiert.

Die Positionierung der Schulen im Südwesten und am östlichen Ende eines der Grünfingers erscheint gelungen. Die Anzahl der Wohnungen liegt im mittleren Bereich der gezeigten Arbeiten. Die gezeigten Zuschnitte der Höfe lassen ein späteres Erweitern dieser Zahl über erhöhte Gebäude nicht ohne weiteres zu. Die Höhe der Baukörper mit 5-8 Geschossen und der Hochpunkte zum Park mit 15 Geschossen ist wirtschaftlich umsetzbar. Die gezeigten Blöcke lassen eine zusammenhängende Umsetzung erwarten. Verschiedenen Wohn- und Eigentums- und Betreibertypologien sind umsetzbar. Das Erschließungssystem wirkt klar strukturiert und flächeneffizient. Die Sticherschließung im Süden des Stadtteils, hin zum Schulzentrum wirkt aber tendenziell unstädtisch. Die Arbeit nimmt differenziert auf die Belange des Brandschutzes Rücksicht, kann jedoch eine teilweise Befahrung der ohnehin sehr knapp bemessenen Innenräume nicht verhindern. Aufgrund des Autobahnlärms sind Hochpunkte am östlichen Rand schalltechnisch ungünstig. Relativ geschlossene Strukturen entstehen an der Aubinger Allee und zum Autobahnzubringer als lärmberuhigte Innenhöfe. Die Lage der optionalen (nicht dargestellten) Schule kann Lärmprobleme für die außerschulische Nutzung hervorrufen.

Insgesamt stellt die Arbeit einen eigenständigen Beitrag dar, der auf eine Weiterführung der bestehenden Struktur des 1. RA setzt, diesen aber mit zusätzlichen Landschaftsräumen in den neuen Park überführt.
Lageplan

Lageplan

Lageplan

Lageplan

Konzept

Konzept

Lageplan Vertiefungsausschnitt

Lageplan Vertiefungsausschnitt

Perspektive Streifraum

Perspektive Streifraum

Perspektive Streifraum

Perspektive Streifraum

Perspektive Quartiersplatz

Perspektive Quartiersplatz

Modell

Modell

Quartiere - Plätze - Ausblicke - aktive Ränder - Freiraumverwebung

Quartiere - Plätze - Ausblicke - aktive Ränder - Freiraumverwebung

Schwarzplan / Grünplan

Schwarzplan / Grünplan