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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2018

Neuentwicklung Wohn- und Gewerbequartier „Friedensplatz bis Löwenplatz“

2. Preis

Preisgeld: 6.800 EUR

Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Neue Stadträume für Rüsselsheim

Situation
Die heutige städtebauliche Situation zeigt deutlich die Schwächen des Stadtumbaus der 60er Jahre, die sich durch eine unstrukturierte Bebauung und die zunehmende Verkehrsbelastung schleichend entwickelt hat. Diesen Defiziten gilt es entgegenzuwirken um zukünftig wieder Stadträume zu schaffen die der Stadt Rüsselsheim gerecht wird.
Die historischen Baustrukturen mit seinen geschlossen Blöcken werden wieder hergestellt und bilden zukünftig eindeutige Grenzen zwischen den öffentlichen Stadträumen und den privaten Innenbereichen aus. Mit einfachen städtebaulichen Elementen wie Straßen, Gassen und Plätzen wird ein neues und gleichzeitig vertrautes Stadtbild geschaffen. Überdachte Passage und introvertierte Durchgänge werden dabei vermieden.
Ziel ist es keine städtebaulichen Fremdkörper zu schaffen, sondern ein harmonisch städtebauliches Ganzes, welches durch die Vernetzung der Wegebeziehung spannungsvolle Stadträume schafft und das Areal fast unmerklich erschließt.

Der städtische Block
Die Bebauung des Karstadtareals markiert die nördliche Ecke der Rüsselsheimer Innenstadt die sich zwischen dem Bahnhofsplatz, dem Marktplatz und dem Friedensplatz dreiecksförmig aufspannte. Diese stadträumlich wichtige Situation gilt es zu betonen und gleichzeitig über eine einladende Geste einen attraktiven Stadtauftakt zu schaffen. Der Eckbereich wird baulich durch einen Hochpunkt betont, der zusammen mit dem Gebäude südlich des Friedensplatzes eine Torsituation zur Innenstadt ausbildet.
Die Umstrukturierung des gesamten Blocks kann sich schrittweise entwickeln, wobei das Karstadtgelände den Auftakt bildet. Die Parzellen und Gebäudebestände werden bei der langfristigen Überplanung berücksichtigt und bilden die Grundlage für eine abschnittsweise Realisierung.
Jedes Baufeld gliedert sich in Einzelgebäuden die sich in Proportion und Höhe in den innerstädtischen Gesamtzusammenhang einfügen und mit unterschiedlichen Architektursprachen bebaut ein abwechslungsreiches Stadtbild erschaffen.

Vernetzte öffentliche Räume
Die Bahnhofsstraße wird durch seinen geschlossenen Straßenzug weiterhin als Teil des Innenstadtdreiecks und als Einkaufsstraße gestärkt. Dem Gegenüber entwickelt sich der im Innenbereich gelegene Löwenplatz zu einem ruhigen introvertierten Stadtplatz, eine grüne Stadtoase mit Gastronomie als innerstädtischer Verweilort. Er wird über Durchgänge und Gassen an die angrenzenden Einkaufsstraßen angebunden und ermöglicht ein durchlässiges verwebtes Wegenetz.
Die drei Baufelder werden durch klare Raumkanten geprägt, die einen neuen dazwischenliegenden städtischen Raum definieren. Rücksprünge und Aufweitungen bilden unterschiedliche räumliche Situationen aus und schaffen ein spannungsvolles Stadtgefüge.
Um die tiefen Grundstücke durchlässiger zu machen entstehen kleine baumbestandene Stadtplätze die von der Bahnhofstraße aus sichtbar sind und neugierig machen. Sie führen die Blicke hinein und stärken so die Vernetzung der Stadträume. Als kleinen Nachbarschaftsplätzen stärken sie die Wohnqualität und bilden intime Platzsituationen aus. Die Baufelder orientieren sich zum Innenbereich hin an und erhalten hierüber ihre Adresse, was die Qualität der Wohnnutzung stärkt und den Bewohnern eine Identität gibt.

Das neue Stadtquartier
Der klare und robuste Rahmen schafft die Voraussetzung für eine kleinteilige bauliche Entwicklung mit einem Höchstmaß an individueller Freiheit, was eine funktionale und strukturelle Vielfalt erzeugt. Durch wenige typologische Vorgaben wird sie die Grundstruktur für ein neues Stadtquartier geschaffen werden - stadträumlich integriert und flexibel für neue Konzepte.
Eine Durchmischung der Baufelder kann flexibel mit Mehrfamilienhäusern und Stadthäuser auf unterschiedlichen Parzellengrößen und mit unterschiedlichen Eigentumsformen erfolgen. Dies gewährleistet eine bunte Bewohnerstruktur in überschaubaren Nachbarschaften. An den Randbereichen zur Bahnhofsstraße befinden sich generationsübergreifendes und seniorengerechtes Wohnungen und Büroflächen in den Obergeschossen.
Zu den Nachbarschaftsplätzen und zur Gasse hin befinden sich Stadthäuser mit gewerblichen Erdgeschoßzonen die hier den Stadtraum beleben. Individuelle Nutzungen mit Ateliers, Läden und kleineren Handwerksmanufakturen bilden hier ein kleinteiliges Kreativmilieau aus.

Wohnungstypen
In den Erdgeschoßzonen sind grundsätzlich gewerbliche Flächen für neue Einzelhandelsflächen untergebracht, die eine lebendige Innenstadt fördern. Läden, kleinen Büros, soziale und individuellen Nutzungen beleben den Stadtraum und besitzen leicht auffindbare Adressen.
Darüber befinden sich die Wohnungen mit großen Loggien oder Dachgärten. Zur Bahnhofstraße hin können sich in den Obergeschossen Büros befinden. Das Grundrisskonzept zeigt sich flexibel und kann auf verschiedene Lebensmuster reagieren. Es unterstützt den Gedanken des „gemeinschaftlichen Wohnens“ und ermöglicht auch Kombinationen von Wohnen und Arbeiten.
Neutrale Räume, direkt am Treppenbereich gelegen, können in unterschiedlicher Weise von den Bewohnern angenommen werden, z.B. als Gemeinschaftsfläche der Hausgemeinschaft, als kleines Appartement für Gäste oder Aupair, als Heimbüro oder einfach den Wohnungen als flexible Schalträume zugeschlagen werden. Im Gartengeschoß ist dieser Raum als offener Gemeinschaftsraum mit direkter Verbindung zum Innenhof vorgesehen.

Grüner Löwenplatz
Der Löwenplatz wird zukünftig als möglichst grüner Stadtraum erlebbar. Baumreihen vor der östlichen Bestandsbebauung rahmen den Platz und geben ihm einen „Grünen Rücken“. Auf dem Platz spenden locker gestellte Bäume Schatten und bilden zusammen mit der begrünten Pergola einen öffentlichen Platzraum mit hoher Aufenthaltsqualität.
Große Bänke und eine Wasserfläche als Fontainenfeld beleben den Stadtraum und schaffen angenehme Kommunikationsorte. Die angrenzende Cafe´s und Läden an den Platzrändern sorgen für einen pulsierenden Stadtraum.

Autofreier Stadtraum
Unter jedem Wohnbaufeld befindet sich eine Gemeinschaftsgarage die abschnittsweise die Basis für die Baufelder bildet. Die Tiefgaragenausgänge führen direkt in den öffentlichen Stadtraum und sorgen für Belebung und Begegnung der Bewohner untereinander.
Für die Tiefgaragen sind grundsätzlich zwei Varianten denkbar. Entweder erhält jede Garage eine eigene Zufahrt über die Löwenstraße, oder es entsteht eine zentrale Zufahrt an der Frankfurter Straße und die Garagen sind untereinander verbunden. Dadurch könnte auf die Erschließungsfunktion der Löwenstraße verzichtet werden und sich der störende Verkehr im Platzbereich auf das Mindestmaß reduzieren. In der nächsten Stufe könnte geprüft werden, ob die öffentliche Tiefgarage ebenfalls an diese zentrale Zufahrt angeschlossen werden könnte. Dadurch würde das Rampenbauwerk entfallen und ein komplett autofreier Löwenplatz entstehen. Ein neuer Pavillon mit Gastronomie könnte das Zugangsbauwerk zur Tiefgarage bilden und den Platz von der Mitte her beleben.
Diese neues Raumerlebnis für den jetzt verkehrsfreien Löwenplatz wäre die langfristige wünschenswerte Perspektive.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser gliedern das Areal in drei Blöcke und lassen somit eine Durchwegung in Ost-West- Richtung zu. Mit einem »Blick über den Tellerrand« schlagen Sie zudem eine blockartige Ergänzung für den anschließenden südlichen Grundstücksteil vor. Dieser Ansatz wird grundsätzlich gewürdigt.
An der Frankfurter Straße entwickeln Sie eine viergeschossige Bebauung, wobei die Ecke zum Friedensplatz sechsgeschossig ausgebildet ist und diese Höhe vom Preisgericht diskutiert wurde.
Der nördliche Block steht auf einer eingeschossigen, unterirdischen Tiefgarage und zusätzliche Stellplätze werden erdgeschossig im Blockinneren nachgewiesen. Dieser Innenraum wird überdeckelt, begrünt und den Wohngeschossen zur Verfügung gestellt, wobei die Bepflanzung mit Bäumen nicht glaubhaft ist.
Die Ost-West-Seiten jedes Blockes werden als dreigeschossige Stadthäuser ausgebildet und zu den Innenhöfen hin orientiert und ermöglichen somit gutes Wohnen.
Die vielen kleinen Plätze entlang der Nord-Süd-Achse sind in der Anzahl nicht notwendig und erfordern auch einen Pflegeaufwand seitens der Stadt Rüsselsheim, der nicht zu leisten ist.
Einige handwerkliche Fehler (Überschreitung der Grenzen des Karstadt Areals, Abstandsflächen, und so weiter) müssen jedoch kritisiert werden.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Verfasser im Endstadium davon ausgehen, dass das gesamte Areal neu bebaut ist, was in der Umsetzung schwierig sein wird, das Konzept jedoch klar erkennbar und planerisch konsequent umgesetzt ist.