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Nichtoffener städtebaulicher Realisierungswettbewerb gemäß RPW 2013 mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren. | 04/2018

Rahmenplan Karlsruhe Neureut-Zentrum III

1. Preis

Preisgeld: 36.000 EUR

Pesch Partner Architektur Stadtplanung GmbH

Stadtplanung / Städtebau

helleckes landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Stadtlandschaftliche Leitidee:
Das neue Wohnquartier greift den durchgrünten Charakter der ehemaligen
Landgemeinde Neureut auf und interpretiert ihn als symbiotische Beziehung mit dem neuen Wohngebiet. Die zukünftigen Neureuter Bürger wohnen urban und landschaftsnah in überschaubaren Nachbarschaften mit individuellem Charme. Die bestehenden Quartiere Neureuts werden zu einem städtebaulichen Ganzen mit einer eigenen städtebaulichen Struktur und Charakteristik zusammengeführt. Ein attraktiver Freiraumverbund vernetzt die Quartiere untereinander und mit dem Bestand. Die Neureuter Terrasse steht für das Zusammenspiel von urbaner Dichte und landschaftlicher Weite und prägt die Identität des neuen Quartiers. Die vorgeschlagene Baustruktur erlaubt die Bildung von Parzellen für unterschiedliche Konstellationen Genossenschaften, Baugruppen. Es ist beabsichtigt auch Träger zu motivieren, ihre Baumaßnahmen Haus für Haus mit unterschiedlichen Architekturbüros zu entwickeln.

Eine lebendige Mitte:
Rund um die Neureuter Terrasse entsteht das urbane Herz des neuen Quartiers. Mit
einem Café und Nahversorgung in den Erdgeschossen und Wohnen in den Obergeschossen entsteht eine lebendige Mischung mit einem dem Ort angemessenen Besatz: Biomarkt, Bäckerei und Café reichen aus, um den Ort zum Klingen zu bringen. Die neue Grundschule ergänzt die urbane Nutzungsmischung rund um die Neureuter Terrasse. Die neue Haltestelle der verlängerten Stadtbahnlinie 3 bringt zusätzlich Frequenz in die Mitte.

Galeriequartier:
Im Westen des Betriebshofs der Badischen Neuesten Nachrichten orientiert sich das neue Wohnquartier mit schmalen Innenhöfen auf den Landschaftsraum. Die im Osten geschlossene Bebauung ermöglicht ruhiges Wohnen zum grünen Innenhof. Die nach Westen offene Kante wirkt als Membran, die den Bewohnern im Innern der Baufelder den Blick in die Landschaft freigibt. Den südlichen Abschluss des
Quartiers bildet die Erweiterung des Brunhilde-Baur-Hauses als Generationenhof. Im Erdgeschoss ist eine Kindertagesstätte mit einem attraktiven Außenbereich situiert.

Parkquartier:
Zentral gelegen entwickelt sich das Parkquartier von der Neureuter Querallee nach Osten.
Vier Wohnhöfe gruppieren sich um einen kleinen Quartiersplatz. Die Wohnhöfe reagieren auf starken Verkehrs- und Freizeitlärm mit einer geschlossenen Bauweise. Zum südlich gelegenen Landschaftsraum öffnen sich die Höfe mit Punkthäusern. Am Quartierseingang liegt die zentrale Mobilitätsstation des Gesamtquartiers. Neben Carsharing und Elektromobilitätsangeboten wird hier eine Packstation für Lieferdienste verortet. In der Packstation erfolgt die Umverteilung der Pakete vom Kleintransporter auf Lastenfahrräder.

Gartenquartier:
Das neue Wohnquartier auf den Flächen der ehemaligen Gärtnereibetriebe antwortet in
Wohntypologie und Dichte auf die nördlich anschließende Reihen- und Doppelhausbebauung. Mit dreigeschossigen Stadthäusern oder gestapelten Maisonetten wird eine verträgliche Erhöhung der Dichte erreicht. Den Stadthäusern und Erdgeschosswohnungen sind hier kleine Gärten angelagert.

Waldquartier:
Der Erhalt der wertvollen Bestandsbäume erzeugt ein Quartier ganz eigener Prägung.
Punktförmige Stadtvillen mit Geschosswohnungsbau in mittlerer Dichte nehmen Wohnraum für Baugruppen und engagierte Gemeinschaftsprojekte auf. Um den Baumbestand zu sichern wird in Teilbereichen auf Tiefgaragen verzichtet. Alternative Trägerschaften eignen sich besonders gut, um gemeinsam mit der Stadt entsprechende autofreie Konzepte zu entwickeln.

Wohnen in der Gemeinschaft:
Die aus der Umgebung abgeleitete städtebauliche Körnung ermöglicht die Mischung unterschiedlicher Gebäudetypologien und Wohnformen. Öffentlich geförderter Wohnungsbau ist in allen Nachbarschaften vorgesehen. Ziel des Entwurfs ist eine Mischung der Sozialen Milieus und Generationen in überschaubaren Nachbarschaften. In diesem Sinne wird das Pflegeheim im Süden des Quartiers in Verbindung mit Seniorenwohnungen und der Kindertagesstätte zum inklusiven Generationenhof.

Öffentliches Freiraumsystem:
Die Neureuter Feldflur wird als offene Landschaft zwischen Tiefgestade und Hardtwald und Teil der großen Nord-Süd-Achse in Verlängerung des alten Flugplatzes zu einer
hochwertigen inneren Landschaft weiter qualifiziert. Differenzierte Freiraumtypologien binden die Siedlungsteile Neureuts zu einem gesamtheitlichen Stadtteil mit einer Vielzahl von Identifikationsorten zusammen. Dabei dient die Weiterentwicklung der grünen Infrastruktur gleichermaßen der Verknüpfung mit Rad- und Fußwegen, der Adressbildung, der Versickerung von Regenwasser und der Sicherung von Kaltluftbahnen.
Von Süden öffnet ein durch urbane Landwirtschaft geprägter Raum die weiten Blickbeziehungen. Die Gliederung folgt der Ausrichtung der alten Flurgrenzen. Der westliche Siedlungsrand wird durch eine Komposition aus neuen Feldgehölzen, Kiefern-Eiche-Gruppen und extensiven Wiesen räumlich gegliedert und erlaubt eine Erlebbarkeit von den Rändern her. Der offene Landschaftsraum mündet in der Neureuter Terrasse als zentralem Platzraum. Dieses städtebauliche Gelenk am neuen Straßenbahnhaltepunkt leitet über in das Grüne Zimmer und die neue Nord-Süd-Promenade zum alten Dorfkern über. Während das Grüne Zimmer als kleiner Park nutzungsoffen mit Wiese und
Baumgruppen ausgeprägt ist, soll der neue Stadtboulevard als Lückenschluss der Grünverbindung nach Kirchfeld-Nord Aktivitätsfelder wie Spielplätze und kleine Sportflächen aufnehmen. An der Gürrichstraße bildet ein kleiner Quartiersplatz vom Ortskern kommend den Auftakt in das neue Grünsystem.

Stadtverträgliches Mobilitätskonzept:
Mehrfach ausgezeichnet als Fahrradhauptstadt, als Hauptstadt des Carsharings und mit dem sehr gut ausgebauten Schienennahverkehr stellt sich Karlsruhe schon seit
Jahren auf die Zukunft der Mobilität ein. Das neue Stadtquartier in Neureut verzichtet daher konsequent auf die Neuanlagen von Erschließungsstraßen. Stattdessen wird durch die Verlängerung der Straßenbahnliene 3 und deren städtebauliche Einbindung die Erreichbarkeit des neuen Quartiers mit dem ÖPNV gestärkt. Die einzelnen Wohnquartiere sind komplett autofrei konzipiert. Die Wohnwege sind eingeschränkt befahrbar, um die Erreichbarkeit der Wohnungen einschließlich Ver- und Entsorgung zu ermöglichen. Das neue Quartier nutzt die umgebenden Straßenzüge wie die Spöcker Straße im Westen,
die Unterfeldstraße im Osten und die Teutschneureuter Straße im Norden für die Erschließung der Baufelder sowie für die Anlage von straßenbegleitenden Besucherstellplätzen. Ein Großteil des Verkehrs in neuen Wohnquartieren wird heutzutage vom Lieferverkehr verursacht. Aus diesem Grund werden die neuen Wohnquartiere für den motorisierten Lieferverkehr gesperrt. Eine zentrale Packstation die Umverteilung der Pakete auf Lastenfahrräder, mit denen die quartiersinterne Verteilung der Pakete organisiert wird. In zwei dezentralen Mobilitätsstationen wird das Thema Car- und
Bike Sharing verortet. Neben E-Bikes können sich die Quartiersbewohner hier auch Anhänger und Lastenräder leihen. Ergänzt werden die Stationen durch Reparaturmöglichkeiten und anderen Sharing Angeboten wie z. B. einen Werkzeugverleih.
Ökologie und Klimatologie: Die Lebensqualität in den fünf dicht bebauten Teilquartieren wird durch öffentliche Freiräume mit viel Grün und Aufenthaltsqualität gesteigert. Der Zuschnitt der Wohnquartiere hält die Ventilationsbahnen der Karlsruher Innenstadt in Verlängerung des alten Flugplatzes offen. Innerhalb der einzelnen Wohnhöfe fördern große und begrünte Innenhöfe die Verdunstung und dienen, ebenso wie die begrünten Flachdächer, der Regenwasserrückhaltung. Großflächige Retentionsflächen in den öffentlichen Grünflächen erfüllen eine Doppelfunktion. In trockenen Zeiten dienen diese Flächen dem Sport und Spiel der Anwohner, in niederschlagsreichen Zeiten versickert hier das Wasser durch eine belebte Bodenschicht.
Die Energieversorgung im Quartier erfolgt über einen Anschluss an das Fernwärmenetzt der Stadt Karlsruhe. Ein Versorgungsstrang verläuft derzeit unterhalb der Neureuter Querallee. Die Dachflächen werden zusätzlich mit Fotovoltaikanlagen belegt mit dem Ziel, den erzeugten Strom direkt im Quartier zu verbrauchen bzw. in den Mobilitätsstationen zu speichern. Die gesamte Ver- und Entsorgung im Quartier wird über ein SMART-Grid erfasst. Ziel sollte es sein, die Bewohner über ein geeignetes Interface über den jeweiligen Ressourcenverbrauch zu informieren. Im Bereich der Abfallentsorgung könnten Sensoren die bedarfsgerechte Leerung veranlassen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der städtebauliche Entwurf ist geprägt von vier Siedlungsabschnitten, die in sich funktionierende Quartiere bilden und gleichzeitig sehr differenziert auf den vorhandenen heterogenen Baubestand reagieren. Besonders gelungen ist in dieser Arbeit die in der Landschaftsplanung und städtebaulichen Entwicklung homogen und insgesamt herausgearbeitete Leitidee einer differenzierten Öffnung und Verengung der Baustrukturen, öffentlichen Räume und Freiflächen. Diese nehmen sehr differenziert die Charakteristik und Qualität der Wegeführung aus dem Bestand auf. Auch aus ökologischer Sicht, hier insbesondere die Öffnung des Landschaftsraums nach Süden, wird besonders begrüßt, da hierdurch das geschützte Biotop erhalten wird.
Die Freiraumplanung bietet unterschiedliche Räume: die Freihaltetrasse wird durch einen
Gehölzbestand in seiner Linienführung gestaltet, die Wegeführung zur Kirche erfährt mit einer Öffnung einen besonderen Eintritt in das neue Gebiet. Nach Südosten öffnet sich die Fläche schrittweise zu einer naturnahen Fläche in den übergeordneten Landschaftsraum und wird aber als gliederndes Element als öffentlicher Raum in die östliche Siedlungsfläche geführt. An diesem offenen Platz liegen Einkaufsmöglichkeiten, Versorgungseinrichtungen und Schule, auch eine Nutzung als Festplatz ist denkbar. Kritisch wurde vermerkt, dass ein Freiraum der Schule jedoch nicht zugeordnet wurde.
Als Baukörper bilden Kita und Seniorengerechtes Wohnen den südlichen Abschluss zum
Landschaftsraum. Gegenüber liegt bereits ein Mehrgenerationenhaus. Das prägnante und sehr differenzierte Freiraumkonzept - geprägt durch die Verknüpfung von urbanen Freiräumen zu Landschaftsräumen- wurde von der Jury deshalb in besonderer Weise positiv hervorgehoben. Auch bei der schrittweisen Realisierung der Baufelder entstehen von Anbeginn an tragfähige Freiraumstrukturen.
Die Quartiersstruktur ist geprägt durch kleine, in ihrer Größe angemessenen Quartiersmittelpunkte und einer Körnung der Bebauung, die sehr unterschiedliche Dichten und Wohnungstypologien zulässt, auch innovative Wohnformen. Die hohe Dichte wurde kritisch bewertet und deshalb sollte der Entwurf im Hinblick auf eine höhere Qualität mit geringerer Dichte überarbeitet werden. Insbesondere betrifft dies die Eckausbildungen der Quartiere. Die Flexibilität des robusten Grundkonzeptes wird hingegen positiv beurteilt, da hier eine Modifizierung gut denkbar bei der weiteren Bearbeitung möglich wäre.
Das Mobilitätskonzept sieht Tiefgaragen durchgängig vor, um den Individualverkehr in den
Quartieren zu reduzieren bzw. weitgehend zu vermeiden, ergänzt durch eine Mobilitätsstation mit Car/bikesharing dezentral in verschiedenen Quartieren. Dennoch wurde ein höherer Erschließungsanteil festgestellt, der bei einer weiteren Bearbeitung im Sinn eines nachhaltigen Mobilitätskonzeptes überprüft und reduziert werden sollte.
Als besonders positiv hebt die Jury die Entscheidung hervor, die Linienführung der Tram in das Gebiet selbst zu führen. Die Querschnittsgestaltung und die Lage der Haltestellen müsste jedoch von der Fachplanung überprüft werden und die Konflikte mit den TG Zufahrten deutlich reduziert werden. Dies gilt in gleicher Weise für die Zuwegung aus Richtung Kirchfeldbrücke in den östlichen Siedlungsbereich. Um die Anbindung an den ÖPNV für alle neuen Quartiere sinnvoll nutzen zu können, muss die Zuwegung aus allen Flächen ergänzt werden.
Der Entwurf macht keine Aussage im Falle des Verbleibs des Bades an der heutigen Stelle. Die Jury geht jedoch davon aus, dass dies bei einer Überarbeitung denkbar wäre.
Der Lärmschutz zu den bestehenden Gewerbeflächen (BNN) ist berücksichtigt worden.