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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2018

Geschichtsgalerie auf dem Dach des Flughafengebäudes Tempelhof

Anerkennung

Preisgeld: 18.000 EUR

Nieto Sobejano Arquitectos

Architektur

Buro Happold

Tragwerksplanung

TAMSCHICK MEDIA+SPACE GmbH

Szenographie

Erläuterungstext

Der Tempelhofer Flughafen konfrontiert uns mit zwei wesentlichen Themen der Architektur: Maßstab und Zeit. Noch heute eines der größten Gebäude der Welt, offen zu der großen Weite, die einst die Landebahnen führte, der menschliche Maßstab von innen und der städtische Maßstab aus der Luft, der in einen Dialog mit seiner Geschichte tritt. Die neue Ausstellungsfläche auf den Flughafendecks wird zu einem doppelten Ort der Vermittlung: zwischen Himmel und Stadt -- zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Unser Wettbewerbsvorschlag wird aus der Luft wahrgenommen, im Flugzeug, vielleicht wie bei der „Himmel über Berlin“.

Der Entwurf wird als horizontales „Pendel“ verstanden: die Ausstellungsplattform kann in einem festen Radius zu einem imaginären Zentrum auf dem Flugplatz hin und her schwingen, ähnlich wie eine Kompassnadel. Das Gebäude selbst, ein 110 Grad Kreisbogen, ähnelt dem Blickwinkel des menschlichen Auges. Wenn wir diesen Bogen virtuell schließen, sehen wir einen Kreis wie einen Kompass, welcher verschiedene Blickwinkel bietet, sowohl in die Mitte des Feldes als auch weit darüber hinaus. Der bogenförmige Tempelhofer Bau wird so zum „Blickfang“, durch welchen die Besucher die Geschichte und den Kontext eines außergewöhnlichen Ortes kennenlernen.

Architektonisches Konzept

Die Haupterschließung erfolgt durch zwei öffentlich zugängliche Gebäudeteile: dem Treppenturm 4 und dem Bauteil B. Im Erdgeschoss des jeweiligen Einganges befinden sich Ticketverkauf und Drehkreuze, welche barrierefrei zugänglich sind. Sobald die Sicherheitsschleuse passiert wird, kann die Ausstellungsplattform mittels des bestehenden Treppenhauses oder eines Aufzuges erschlossen werden.
Der kleine Anbau an Treppenturm 4 weicht in unserem Entwurf einem neuen dezenten Eingangsbereich. Dieser Treppenturm stellt als Thema der „Tiefenbohrung in die Geschichte“ einen möglichen Anfang zur Ausstellung dar. Der Besucher wird durch unterschiedliche Perspektiven und Projektionen durch die Ausstellung geführt. Der ergänzte Aufzug in diesem Treppenturm 4 erlaubt völliges Erfahren der Ausstellung und erschließt jedes Hauptgeschoss, von welchen die Ausstellungsflächen der Halbgeschosse uneingeschränkt einsichtig sind. Die gesamte Ausstellung ist barrierefrei gestaltet. Es werden über die gesamte Länge der Geschichtsgalerie Rampen und Höhenausgleiche geschaffen.

Als Anknüpfung an die alten noch immer vorhandenen Schienen im Erdgeschoss, auf welchen der Flughafen mit Zügen versorgt werden konnte, werden in unserem Entwurf auf das Dach projiziert. Die Ausstellungsplattform kann mittels eines mechanischen Räderwerks darauf bewegt werden. Auf diese Weise ist diese flexibel zu halbieren oder als Ganzes zu verschieben und kann je nach Bedarf der Ausstellung an unterschiedlichen Plätzen auf dem Dach zur Verfügung stehen. Durch die Auskragungen der Geschichtsgalerie an den Treppentürmen entstehen rhythmische Berührungspunkte, über welche die Ausstellungsplattform zugänglich gemacht wird.
Die Geschichtsgalerie wird teils auch mit Ausstellungsbereichen in den Dachgeschossen der Treppentürme erweitert.

Im gesamten Entwurf werden nur 2 wesentliche Materialien verwendet: Glas und Stahl. Beide Elemente zeigen den industriellen Charakter, der zum Feld gewandten Seite. Mit Respekt und Präzision wird in den bestehenden Laubengang ein Laufsteg aus Stahl gelegt, welcher durch kleine Stelzen getragen wird.

Ausstellungskonzept

Das Sichtfeld der Galerie dient mithilfe des gedachten Kreismittelpunktes wie ein Kompass zur Orientierung, zum Anpeilen der thematischen Komplexe und Zusammenhänge. Auf diese Weise verbindet sich die Position des Besuchers der Galerie mit einem konkreten, räumlichen Bezugspunkt: am Gebäude selbst, auf dem Flugfeld oder in Gegenrichtung (durch die Rückwand) in die umgebende Stadt. Durch einfaches Weiterlaufen bewegt sich der Besucher über das gesamte Areal hinweg. Der Besucher muss also aktiv seinen Standpunkt verändern, um sich die unterschiedlichen Perspektiven zu erarbeiten. Die Erschließung der Inhalte geschieht damit nicht rein chronologisch, sondern über eine räumliche, architektonische und geographische Anordnung der Themen. Immer so, dass der Blick auf den Themenfokus ausgerichtet ist. Dieser Perspektivwechsel soll auch inhaltlich verstanden werden: So können diverse Themen (z.B. die kulturelle Umnutzung des Flughafens) auch von unterschiedlichen Positionen betrachtet werden, wie beispielsweise politisch – persönlich – historisch.
Die bewegliche Plattform selbst ermöglicht durch ihre außergewöhnliche Dynamik, immer wieder aufs Neue, einzelne Themenschwerpunkte in den Fokus zu rücken und sich so kontinuierlich neu auszurichten. Ergänzend zur Galerie können dort temporäre Formate gespielt werden, die konkret „Stellung“ zu aktuellen Ereignissen oder Veranstaltungen nehmen können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln die architektonische Konzeption konsequent aus ihrer Ausstellungsidee. Die Besucher sollen von unterschiedlichen Orten der Geschichtsgalerie über den hypothetischen Mittelpunkt des runden Flughafengebäudes peilen und Orte auf dem Flugfeld oder in der Stadtsilhouette in den Fokus nehmen. Dort wo die Besucher stehen vermittelt die Ausstellung dann Informationen zum angepeilten Objekt. Die Ausstellung soll also keiner kontinuierlichen Informationsvermittlung folgen, sondern die Einbeziehung des Besuchers fordern und ihn so in Bewegung halten. Als baulich-metaphorische Umsetzung dieser Bewegung sind zwei fahrbare Besucherplattformen geplant, die zwischen Kopfbau West und zentralem Bauteil B entlang der Geschichtsgalerie die Position ändern können.
Diese beweglichen Rollwagen sind die Kernidee des Entwurfs. Sie sind mittels manueller Bedienung durch die Besucher „interaktiv gedacht und wollen durch ihre Beweglichkeit das „Verändern des Blickwinkels evozieren. Dem entsprechen die mäandernden Rundum-Projektionen im TT 4. In der Galerie selbst, die baulich sehr zurückhaltend überarbeitet werden soll, stellen Projektionsflächen, Vitrinen und vergleichbare Ausstellungsobjekte das Mittel zur Erschließung dar.
Der Eingangsbereich ist entschieden zu klein gedacht: weder Information, Ticketcounter, Wartezone oder Garderobe finden hier Platz. Die Sanitäranlage im 2. OG ist betrieblich falsch platziert.
Die verschiebbaren Ausstellungsplattformen sind als leichte Stahlkonstruktionen mit Glasbrüstungen vorgesehen: da sie die Dachfläche auf der halben Länge befahren sollen, entsteht die Notwendigkeit, die Dachkonstruktion auf ca. 650 m Länge zu verstärken. Die Geschichtsgalerie soll als leichte Stahlkonstruktion auf die bestehende Abdichtung aufgeständert werden und wird im Laubengang angeordnet, der bereits für 5,0kN/m2 Nutzlast konstruiert ist.
Das Preisgericht würdigt den schlüssigen und mutigen Ansatz. Sie schätzt die fahrbaren Plattformen aber weniger, weil sie der Argumentation der Verfasser folgt, sondern weil die beweglichen Flächen die Möglichkeit schaffen, in einer stufenweisen Umsetzung der Maßnahme veränderliche Besucherschwerpunkte zu bilden. Aufgrund des großen konstruktiven Aufwands stehen die Plattformen aber in einem Missverhältnis zu der dadurch zu erwartenden räumlich-architektonischen Qualität.
Vom Preisgericht positiv herausgehoben wird die industrielle Ästhetik der Geschichtsgalerie, die sich gelungen vor den Baubestand legt, ohne diesen zu überformen. Der Entwurf wurde aus einem inspirierenden Ansatz heraus gestalterisch gekonnt entwickelt, geht jedoch deutlich über die Zielsetzungen des Auslobers hinaus.
TT4 EG

TT4 EG

TT4 6.OG

TT4 6.OG