modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Programmwettbewerb | 05/2018

Wiedererrichtung der Bauakademie Berlin als Nationale Bauakademie

Preisgruppe

Preisgeld: 54.000 EUR

Dreher - Architekt

Architektur

Erläuterungstext

BAU•EN!

Das Konzept BAU•EN ist Performance und Ausstellung zugleich. Grün­dung, Errichtung und experimenteller Ausstel­lungs- und Forschungsbet­rieb der In­ternationalen Bauakade­mie Berlin werden in Form von 4 Bauakten öffentlichkeitsw­irksam im Stadtraum insze­niert. Das Konzept sieht diesen Betrieb so lange vor, bis die Institution auf lokaler, nationa­ler und internationaler Ebene fest etabliert ist und eine Verfestigung der Nutzungsstruktu­ren stattgefunden hat.
Bereits ab Baubeginn stellt sich die Akademie über den gesamten Prozess im Stadtraum öffentlichkeitswirksam aus und vor. Im Sinne des performativen Architekturbegriffs liegt der Fokus nicht auf dem fertigen Bauwerk, sondern auf dem aktiven Erleben und Erfahren in Handlung, Bewegung und Transformation. Durch eine provisorisch angelegte bauliche Form bei gleichzeitig vollem Betrieb werden Denkspielräume und Handlungsoptionen zeit­lich angemessen offen gehalten. Die programmatische und visuelle Identität der Akademie kann sich so in Nutzung, Dialog und öffentlicher Beteiligung bedarfsgemäß entwickeln.
Grundansatz ist eine dynamische und transparente Bau- und Nutzungsstruktur mit flexibel bespielbaren Räumen und Flächen. Den Rahmen bildet eine provisorisch „rohe“ Ge­brauchsarchitektur, die sich bewusst zugunsten der Nutzung zurücknimmt und jederzeit unterschiedlichste Raumkonstellationen und Ausstellungsszenarien ermöglicht. Auch die provisorische Fassade ist zum schnellen und flexiblen Austausch von werbenden Medien bestimmt.
Das Gebäude wird nach dem Prinzip einer Boarding Academy betrieben, bei der unter­schiedliche Nutzer Räume und Fassadenflächen für ihre Veranstaltungsformate buchen können. Flexible Raumzusammenschaltungen lassen dabei sowohl Gemeinschafts- als auch Einzelausstellungen zu. Das Verhältnis zwischen Ausstellungs-, Verwaltungs- und Seminarflächen bleibt entsprechend der Anforderungen variabel. Die sich ständig wan­delnde Belegung des Hauses inkl. seiner Hülle wird über ein gemeinsames Betriebsma­nagement gesteuert, das neben den Ausstellungsplanungen als Thinktank zugleich Pro­grammatik und Themen der Akademie platziert und mitgestaltet..
Nutzer und Intendanz entscheiden zum Abschluss darüber, ob sich der Findungsprozess auch in einer endgültigen, repräsentativ-baulichen Hülle abbilden soll. Die Frage nach der originalgetreuen Rekonstruktion der Schinkelfassade oder einem interpretierenden neuen Fassadenentwurf wird im Rahmen einer akademisch öffentlichen Debatte und als gleich­berechtigter Wettstreit der Ideen beantwortet.
BAU•EN! hat als zeitgebundene Performance zu diesem Zeitpunkt seinen Zweck erfüllt und einen Beitrag zur architekturtheoretischen Debatte um die Wiedererrich­tung der Inter­nationalen Bauakademie geleistet.
Da Bau- und Ausstellungsprozess zeitlich miteinander gekoppelt sind, werden beide in den 4 performativen Akten BAU•GRÜND•EN, BAU•STELL•EN, ROH•BAU•EN und UM•BAU•EN zusammenhängend behandelt.

BAU•GRÜND•EN:
Mit dem Akt des Grabens und Gründens beginnt die offizielle Bauphase. Parallel zur ar­chäologischen Untersuchung der Reste der Bauakdemie und des Ministeri­ums für Aus­wärtige Angelegenheiten erfolgt je nach Tragfähigkeit eine Anpassung der Funda­mentplanung und die Prüfung, welche Teile in den Neubau integriert wer­den können. Im Vordergrund steht die Erhaltung und denkmalschutzgerechte Sicherung der baulichen Strukturen, sowie Grabungen in noch tiefer liegende Schichten.
Die Baugrundöffnung stellt zugleich den Beginn des Ausstellungsbetriebes der Aka­demie dar. Über die noch vorhandenen Treppen der Außenanlagen des MAA gelan­gen die Besu­cher auf die Ebene des Untergeschosses. Als Thema dieser ersten Ausstellung bieten sich beispielsweise Vor-Ort-Vorträge über die bautechnischen Probleme an, mit denen Schinkel bei der Errichtung der Bauakademie konfrontiert waren, und die einen Großteil der Gebäude in der Umge­bung betreffen (Stichwort Grundbruch) an. In Zusammenarbeit mit dem Verein Ber­liner Unterwelten können die vergessenen Kellerräume und die Tiefga­rage des MAA unter fachkundiger Führung erkundet werden. Wie verhält es sich mit dem Versorgungsschacht, der angeblich MAA und Palast der Republik durch die Spree hin­durch miteinander verband?

BAU•STELL•EN:
In dieser Phase wird das Stahlbetonskelett aus Stützen und Rasterdecke sowie die 4 aus­steifenden Erschließungs- und Versorgungskerne errichtet. Das Schinkelsche Feldraster dient hierbei als geo­metrisches Ordnungsprinzip, das sich in der Dimensionierung der Raster­decken wiederspiegelt und das als Referenz an Schinkels Interpretation der indus­triellen Bauweis­e zu verstehen ist. Die Grundrisse werden hingegen weitestgehend stüt­zenfrei ausge­führt, um ein Höchstmaß an Flächenflexibilität zu garantieren und unnötige Kon­struktionsfläche einzusparen. Die Geschossdecken werden von den historischen Hö­hen abweichend geplant, um die barrierefreie Erschließung des Erd­geschosses und glei­che lichte Höhen für die beiden mittleren Oberges­chossen zu gewährleis­ten. Dennoch las­sen sich die De­cken auch mit einer rekonstruierten historischen Fassade harmonisch ver­binden. Ab dem 1. OG sorgt ein Innenhof für Belichtung und Belüftung. Den Abschluss der Phase bildet die Errichtung der doppelschaligen transparenten Fassade mit einer ther­misch getrennten inneren und einer provisorischen und demontablen äußeren Leichtbau­fassade.
Der Begriff des Bauens im Namen der Akademie liegt eine Inszenierung ihrer eigenen Er­richtung nah. Die Faszination von Fachleuten und Laien am bautechnischen Prozess, ge­rade bei öffentlichen Bauwerken, spiegelt sich zudem in den gut frequentierten sogenann­ten offenen Baustellen wider. Da der zentrale Veranstaltungsaal in dieser Phase bereits voll funktionsfähig ist, können sich die Besucher regelmäßig im Rahmen von Vorträgen und Ausstellungen über den Fortgang der Arbeiten und die Besonderheiten der Konstrukti­on informieren. Das Baucontainerdorf flankiert den Saal an den Längsseiten.

ROH•BAU•EN:
Das Haus wird für den experimentellen Betrieb als veredelter Rohbau errichtet. Sichtbeto­noberflächen prägen die Erscheinung der Innenräume. Für die Unterbringung der Veran­staltungsflächen ist das hohe Erdgeschoss prädestiniert, für die eher privaten und kleine­ren Büros und Stipendiatenräume bietet sich tendenziell das oberste und weniger hohe Geschoss an. Dennoch ermöglichen die flexibel bespielbaren und umbaubaren Flächen eine Verteilung der Nutzungstypen in jedem Geschoss.
Über das Nord- und Südfoyer betritt der Besucher barrierefrei die Akademie. Von beiden Seiten ist der Veranstaltungsaal zugänglich, der sich zudem bei Bedarf in 2 kleinere Säle unterteilen lässt. Saal und Foyers lassen sich zu einer einzigen städtischen Passage zu­sammenschalten, wodurch der Werdersche Markt und der Schinkelplatz funktional und vi­suell durch das Gebäude hindurch miteinander verbunden werden. Das hohe EG bietet ein zusätzliches Galeriegeschoss, das für die Shops und coworking spaces eine zweite Ebene als Lager- oder erweiterte Nutzfläche bietet. Die Obergeschosse 1 bis 3 zeichnen sich durch die Möglichkeit aus, mittels Leichtbauschiebewänden unterschiedlichste Raum­konstellationen zu realisieren. Da die Räume über die Außenfassade und den Lichthof beidseitig belichtet werden, können die Räume im offenen Grundriss vollkommen flexibel positioniert werden.
Die doppelschalige Fassade dient in dieser Phase als provisorische Medienfassade, die über ihre äußeren demontablen Acrylglas-Elemente ein schnelles Austauschen von Medi­en wie Fensterfolien, Architekturzeichnungen, Screens, Plakaten etc. gewährleistet. Als abstrakte, minimalistische Hülle nimmt sie sich zugunsten der außen projizierten Inhalte komplett zurück.
Der akademische Betrieb wendet sich im veredelten Rohbau einladend dem Stadtraum zu. Die transparente Fassade bietet aus allen Geschossen ein 360°-Panorama mit visuel­len Bezügen zu wichtigen historischen, rekonstruierten und neugebauten Gebäuden der Berliner Mitte und somit auch zu den aktuellen architekturtheoretischen Themen. Die an­grenzenden Außenflächen des Schinkelplatzes und des Werderschen Marktes werden über die Fortführung des Rasters im Bodenbelag in den offenen Auftritt miteinbezogen und verankern das Gebäude zusätzlich im städtebaulichen Kontext.
Das Haus ist in allen Geschossen öffentlich zugänglich. Das Untergeschoss, in dem die baulichen Überbleibsel der Bauakademie und des MAA zu besichtigen sind und in dem die Bibliothek untergebracht ist, bietet beispielsweise Raum für Veranstaltungen zum Denk­malschutz. Das Erdgeschosses mit seiner räumlichen Wandlungsfähigkeit lässt sich auch als Austellungsfläche nutzen. Das 1. und 2. Obergeschoss sind als offene Raumflächen hauptsächlich für die Ausstellungsformate ausgelegt. Es lassen sich Einzelausstellungen („Mühle“, 4 Ausstellungen parallel) oder Gemeinschaftsausstellungen mehrerer Nutzer über ein ganzes Geschoss („Ring“) realisieren. Seminar und Büronutzungen sind durch eingestellte Boxen auch hier möglich. Die Nutzer können so direkt in ihren Ausstellungen präsent sein und Forschungs- und Bildungsarbeit im direkten Kontakt zu den Exponaten anbieten. Im 3. OG sitzt die Steuerungszentrale und der Think Tank für die Ausstellungspla­nung In gemeinsamen Besprechungszonen wird die Buchung der Flächen untereinander abgestimmt. Die Stipendiaten erhalten hier in unmittelbarer Nähe zu ihren Räumen einen Seminarraum, der auch für eigene Ausstellungen genutzt werden kann. Die Dachfläche ist als öffentliche Aus­sichtsterrasse geplant.
Die Fassadenflächen werden analog zur Flächenbelegung unter den ausstellenden Nutzern zugeteilt. Sie dienen als dreidimensionaler Wechselrahmen, mit dem die Vielfältigkeit und die Angebote der Akademie werbewirksam in den Außenraum wirken. Als 2D-Simulationen versinnbildlichen sie die Bedeutung der architektonischen Repräsentationsmedien im Entwurfsprozess. Zugleich bilden sie den Hintergrund für die Veranstaltungen im Inneren und dienen der Steuerung der Transparenzgrade im Bezug auf den Außenraum.

UM•BAU•EN?:
Mit dem Abschluss des Findungsprozesses der Akademie und einer entsprechenden Verfestigung der Nutzerstrukturen kann in dieser Phase bei Bedarf ein weiter Ausbau und die Ausbildung einer endgültigen baulichen Hülle erfolgen. Die Archi­tektur hat hierfür die baulichen Voraussetzun­gen geschaffen. So sind die Geschosshöhen so gewählt, dass ein kraftschlüssiger Anschluss an die rekonstruierte Schineklfassade möglich ist
Im Rahmen der Fassadenerrichtung bleibt die innere thermisch getrennte Schicht in Form einer „verlorenen Schalung“ erhalten. So kann unter Betrieb gebaut werden, da nur die äußere demontable Fassade entfernt werden muss. Auch diese Phase wird von einer Ausstellung begleitet, bei der der bauliche Entstehungsprozess sowohl von außen wie auch von innen verfolgt werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das >Konzept BAU-EN verbindet Performance und Ausstellung. Es ist eine Architektur im Werden, die damit in den Stadtraum interveniert.

Da die Architektur in mehreren Schritten fertiggestellt wird, eröffnet sie einen parallel sozialen Prozess, in dem über Architektur und Stadtentwicklung diskutiert werden kann. Gleichzeitig lädt der Entwurf die Stadt ein, über das inhaltliche und architektonische Konzept dieses so bedeutenden Gebäudes selbst nachzudenken, bevor es fertiggestellt wird. Dabei kommt der Fassade die Rolle eines Rahmens zu, der es erlaubt, das „Labor“ Bauakademie im urbanen Umfeld ins Bild zu setzen.

Das Konzept reflektiert sowohl die dynamischen Transformationsprozesse weltweit, wie auch die besondere Situation einer sich grundlegend verändernden Stadt Berlin. Beide Entwicklungen erfordern eine Architektur, die im Fluss ist und eine Offenheit für neue Entwicklungen anbietet.

Das Schinkelsche Feldraster als geometrisches Ordnungsprinzip stellt dabei eine Grundlage dar, auf der sich die Prozesse entfalten können.

An die Stelle einer inhaltlich definierten Architektur tritt damit ein Verfahren der sozialen Gestaltung von Architektur. Es erlaubt sich über das Selbstverständnis der Gesellschaft im Hinblick auf die Vergangenheit und Zukunft zu verständigen, um dieses dann in einen architektonisch definierten Raum zu übersetzen.

Der Entwurf verbindet damit auf vorzĂĽgliche Weise Veranstaltungskonzept mit Architekturentwicklung entsprechend der Anforderung der Ausschreibung und erscheint dazu auch realistisch als ein Projekt, das in mehreren Schritten realisiert wird.