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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2018

Umbau und Erweiterung Rathaus Unterensingen

1. Anerkennung

Preisgeld: 7.000 EUR

Harris + Kurrle Architekten BDA Partnerschaft mbB

Architektur

Jetter Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Engelsmann Peters Beratende Ingenieure

Tragwerksplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Der städtebauliche Ansatz, durch Aufnahme von bestehenden und historischen Bezügen den öffentlichen Raum zu formen, ist nachvollziehbar und gelungen. Durch die Fortsetzung der rückwärtigen Rathausfassade analog dem ehemaligen Farrenstall entsteht ein maßstäblicher Vorplatz, der altes und neues Rathaus miteinander verbindet und in Beziehung setzt. Nach Norden folgt der Neubau der Führung der Kirchstraße und formt so richtigerweise einen kurzen Straßenraum. Nach Osten formuliert der Neubau im Zusammenspiel mit dem gegenüberliegenden Gebäude Kirchstraße 19 und dem Eingangspavillon des Friedhofs einen dreiseitig gefassten Hof, der den Eingang zum Friedhof räumlich gut definiert. Trotz der hier vorhandenen Stellplätze und der neu geplanten Tiefgaragenzufahrt wäre hier allerdings eine freiräumliche Gestaltung im Hinblick auf mehr Aufenthaltsqualität wünschenswert gewesen. Im Süden wird schließlich die Flucht des Eingangspavillons fortgeführt, was zu einer klaren räumlichen Begrenzung des Friedhofs führt – allerdings mit dem Nachteil, dass die vorgeschlagene wichtige Treppenverbindung zur oberen Rathausterrasse durch den Friedhof führt. Insgesamt formt das so entstehende 4-eckige Gebäude gut proportionierte, differenzierte, öffentliche Räume mit überwiegend guter Aufenthaltsqualität.
Auch die Höhenentwicklung des neuen Baukörpers reagiert durch eine differenzierte Geschossigkeit in Verbindung mit einer von oben nach unten abfallenden Traufkante auf die Topographie des Grundstücks, so dass sich der Neubau insgesamt gut in den stadträumlichen Kontext einfügt. Allerdings entsteht durch das Aufsetzen von zwei parallelogrammartigen Obergeschossen auf einen 4-eckigen dreigeschossigen Sockel eine auf den ersten Blick fremd wirkende, überdimensionierte 3-eckige Terrasse, die hinsichtlich Form und Nutzung sowie Angemessenheit fragwürdig erscheint.
Die vorgeschlagenen Grundrisse des Neubaus weisen deutliche Mängel in ihrer Organisation und Verteilung der Nutzungen auf und spiegeln nicht die äußeren Qualitäten des Gebäudevolumens wider. Der Bürgerservice als offene Großraumlösung im Erdgeschoss versucht die große Gebäudetiefe geschickt zu nutzen, die sehr geringe Raumhöhe von unter 2,50 Meter i. L. führt jedoch zu einer schlechten Belichtung und unangenehmen Raumproportionen. Darüber hinaus wird dieser offene Grundrisstyp nicht dem Wunsch der Verwaltung nach Diskretion gerecht. Der Vorschlag, das Büro des Bürgermeisters mit Amtsleitung und Besprechungsraum im 1.Obergeschoss an der großzügigen Dachterrasse zu positionieren wird kontrovers diskutiert und als nicht angemessen gewertet.
Hier wäre eine öffentlichere Nutzung oder sogar ein Zugang für die Bürger wünschenswert. Die Positionierung der Archivflächen auf dem Galeriegeschoss in bester Lage wird nicht verstanden und zeigt deutlich, dass die äußere starke Form des Baukörpers nicht mit entsprechenden Funktionen im Inneren belegt ist. Im Hanggeschoss wird der Grundriss durch die sehr großen Dunkelflächen der Registratur bestimmt, ohne räumliche Qualitäten in den Erschließungsfluren der Büros. Auch die Organisation der Tiefgarage hinsichtlich Funktionalität und geforderter Stellplatzanzahl kann nicht überzeugen.
Die Materialwahl des Neubaus als strukturierte Putzoberfläche in Verbindung mit Holzfenstern erscheint dem Ort und der Aufgabe angemessen und lässt dem historischen Rathaus seine ortsbildprägende Bedeutung, ohne sich diesem zu sehr unterzuordnen. Es entsteht ein spannungsvolles Ensemble aus Alt und Neu, das durchaus als neues Rathaus für Unterensingen vorstellbar wäre.

Die barrierefreie Erschließung des Ratssaals im Altbau ist stark überdimensioniert und trifft an der historisch falschen Stelle ins Gebäude. Es ist fraglich, ob der Neubau mit seiner Formgebung in eine angemessene Zwiesprache mit dem alten Rathaus treten kann.