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Einladungswettbewerb | 05/2018

Ausbau der Trinitatiskirchruine Dresden zur Jugendkirche mit integriertem offenen Jugendtreff und integrierter Arbeitsstelle Kinder-Jugend-Bildung

Engere Wahl

Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA PartGmbB

Architektur

Erläuterungstext

Die neuen Räumlichkeiten für die Jugendkirche werden in den alten Mauern von St. Trinitatis als Raum-im-Raum-Konzept angelegt.
Damit bildet das Alte die Fassung für das Neue, wodurch im Äußeren im Wesentlichen das vertraute Erscheinungsbild der denkmalgeschützten Substanz erhalten bleibt und in Erscheinung tritt - zugleich bildet es die „harte“ bergende Schale für den neuen „weichen“ Kern: eine Art Raumgerüst wird in den historischen Kirchenbau eingestellt.
Korrespondierend zur Bausubstanz resultiert ein kreuzförmiger Kernraum - im Erdgeschoss asymmetrisch, in Obergeschoss und Dachaufsicht symmetrisch. Zentral wird im Erdgeschoss der Multifunktionale Veranstaltungsraum angeordnet, unmittelbar benachbart und zusammenzuschalten mit den Seminarräumen. Die weiteren Nutzungen wie bspw. zur offenen Jugendarbeit und Jugendcafé umspülen quasi die großen Raumvolumen.
Die räumliche Trennung wird durch einen Wandbildner erzeugt, der gleichermaßen räumliches Tragwerk, Regalsystem und Möbel ist. In dieser Art wird ein Angebot geschaffen, gewünschte und erforderliche räumlich-funktionale Abgrenzungen zu erzielen sowie vielfache Nutzungen einer sonstigen Wand hinzuzufügen. Die Tiefe der Tragstruktur offeriert dabei ein Möbel, das unterschiedliche Sitzangebote ermöglicht, umlaufend als Stauraum(Regalsystem), Stuhl-/Tischlager sowie zur Aufnahme von mobilen Trennwänden geeignet ist. Installationen und thematisch-funktionale Einbauten z.B. Infotheke oder Einbauküche lassen sich mit räumlich sinnfälligem Bezug ebenso gut einfügen. Im Idealfall könnte bei einer „aufgeräumten“ Kirche ein gefülltes Wand-Regal und völlig freie Kirchenräume entstehen, die nun wahlweise und je nach Entnahme der Möbel und Objekte zum eingerichteten Zentralraum mit umlaufendem Kreuzgang wird oder aber auch eine freie Kirchenhalle mit umlagernden, kreuzenden Kirchenschiffen sein kann.
Mit der Bespielung von Räumen und Regalwand durch die Nutzer wandelt sich auch das Maß der Lichtdurchlässigkeit der Raumtrennwand: eine dichtere Bestückung mindert das grundsätzlich transluzent verkleidete Tragsystem. Die Lage der Wandbekleidung wechselt im Nutzungsbezug (Infotheke, Einbauküche, Möbellager, Schrankwand, Sitzojekt etc.) entweder nach Innen oder Außen.
Im Obergeschoss bleibt der Bereich zwischen kreuzförmigem Zentralraum und alten Kirchenmauern Freiraum - als geschützte Außenkirche mit direktestem Bezug zum Himmel. Hier sind der Raum der Stille im Turm und die beiden Emporen gelegen. Der neue Kircheneinbau ragt klar auf und im Kreuz auch deutlich erkennbar als neues Zeichen nach Außen hervor. Die vertikale Tragstruktur ist vollständig in transluzentem Fiberglas verkleidet. Das Erscheinungsbild wandelt sich daher je nach Tageszeit und Nutzung, Beleuchtung und Belichtung. Die Tiefe der Struktur tritt in Sichtbarkeit, Durchscheinung und Schattenbildung vielfältig auf.
Ein zusätzliches Beleuchtungskonzept per LED-Technik unterstützt dieses Prinzip und kann zusätzlich eine feine Farbvarianz z.B. in Blockstreifen der Tragstruktur oder auch in Raumzonennutzungen abbilden. Das Prinzip farbigen Lichts ermöglicht ein wandelbares Erscheinungsbild und gleichermaßen eine neutrale Basis für vielfältige Bespielungen über Generationen.
Die Lichtbrechung der Außenhaut über das Fiberglas und transluzente Wärmedämmung verschafft dem Innenraum eine gedämpfte und gleichsam licht sakrale Atmosphäre. Die vertikalen Träger münden in einer Kassettendecke, die wechselnd transluzent und transparent - für direkte Himmelsausschnitte gedeckt ist. Öffnungen zur natürlichen Belüftung werden hier ebenso wie Technik zur multifunktionalen Raumnutzung (Licht, Beamer, Leinwand etc.) eingeordnet und installiert.
Eine Auswahl natürlicher und robuster Materialien wie Holz (Massivholz, Furnierschichtholz, Holzpflaster, Terrassendielen), geschliffener Gussasphalt und auch Naturgeweben bildet mit den transluzenten Verkleidungen einen ruhigen zeitlosen Materialkanon, der viel Spielraum für Wandelbarkeit lässt.
Die Emporen sorgen für differenzierte Raumerlebnisse und -höhen. Sie ermöglichen dadurch unterschiedlich abtrennbare Räume, Raummöblierungen und auch parallele Raumnutzungen. Sie sind mit einem mobilen Tribünensystem zur Stuhlreihenüberhöhung ausrüstbar für eine gute Sicht in den Zentralraum. Die innen liegenden Seminarräume werden durch zusätzliche Oberlichter natürlich belichtet und belüftet.
Weitere gewünschte Funktionen werden im vorhandenen Volumen optimal untergebracht: die Verwaltung gewinnt Räume im östlichen Kirchenbereich in den turmartigen Apsiden. Dabei wird die spannende und vielfältige vorhandene Erschließung so ausgenutzt, dass sowohl Teilung als auch Zusammenschluß der Räume denkbar werden. Sanitärausstattungen im Untergeschoss werden weiterhin genutzt und durch neue barrierefreie im Erdgeschoss ergänzt. Hier ist die Zusatzausstattung mit Duschen bzw. Waschgelegenheiten für die „Church Nights“ gut denkbar.
Zur Haupterschließung im Westen - durch eine Rampe rollstuhlgerecht - und den bestehenden im Osten sowie an den Treppentürmen wird die Öffnung von nördlichem und südlichem Kreuzschiff im Rahmen der Bestandsöffnungen vorgeschlagen. Auf diese Weise könnten gute Verknüpfungen innerer und äußerer Funktionen und Qualitäten die lebendige Nutzung als Jugendkirche befördern, denn das großzügige Grundstück mit attraktivem Baumbestand bietet ein großes Potential zur Freiraumbespielung. Hölzerne Terrassendecks vor den Kreuzschiffen können als einfache bauliche Intervention einen Brückenschlag zwischen Innen und Außen schaffen als unmittelbare Schnittpunkte zum Spielplatz und für das Jugendcafé.
Bauabschnitte sind verschiedentlich denkbar. Als radikales Minimum könnte zunächst das symmetrische Kreuz in voller Höhe ohne innere und äußere Emporen gebaut werden.
Diese könnten als nächster Schritt anschließen. Zuletzt könnten die Raumprogramme im Bestand im Osten wie im Westen realisiert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überzeugt durch eine klare räumliche Struktur und einen respektvollen Umgang mit der Ruine als umfassendes Bauwerk. In die Ruine ist ein kreuzförmiger Bau eingestellt, welcher sich staffelartig in die Höhe entwickelt. Klar definiertes Zentrum ist der großzügige multifunktionale Sakralraum, der sich über der Vierung auch höhenmäßig abzeichnet. Der eingefügte Baukörper bleibt unterhalb der Ruinenmauern und hält sich in seiner Gestaltung aus transluzentem Material zurück. Im Erdgeschoss entsteht durch eine möbelartige Abtrennung (Regalsystem) ein sogenannter Kreuzgang um die eigentlichen Räume herum. Allerdings ist dessen Nutzbarkeit und Sinnhaftigkeit nicht überzeugend. Es entstehen teilweise uneinsehbare Bereiche, die für die Nutzung, hier durch die Offene Jugendarbeit schwierig sind. Der sakral nutzbare Veranstaltungsraum im Erdgeschoss wird hauptsächlich von Westen aus erschlossen. Im Lageplan sind zusätzliche Zugänge von Süden (über das Jugendcafé) und Norden (direkt in den Hauptraum) dargestellt. An beiden neuen Zugangsseiten sind gut nutzbare Außenflächen vorgelagert. Der Hauptraum verspricht eine hohe Raumqualität und ist durch die mögliche Abtrennung der Querhausarme multifunktional gut bespielbar. Über das sich erhebende Kreuz über die sonstige Decke hinaus ist für eine gute Belichtung und eine besondere Atmosphäre gesorgt. Im Obergeschoss bieten zwei Emporen in den Querhausarmen zusätzlichen Raum/ Platz. Schwierig zu nutzen ist die Küche im Untergeschoss, die ggf. für die Saalnutzung benötigt wird. ggf. ist die Jugendcafé-Küche ausreichend. Der Platz für die Offene Jugendarbeit im "Kreuzgang-Bereich" ist ungünstig angeordnet und bietet nicht genügend Platz. Sämtliche Büroräume sind in den östlichen Turmräumen untergebracht und in zwei Geschossen angeordnet. Barrierefrei erschlossen ist jedoch nur das EG. Auch der Raum der Stille im oberen westl. Turmgeschoss ist nicht für Rollstuhlfahrer erreichbar. Positiv ist die großzügige Dachterrasse zu bewerten, die weitere Nutzungsmöglichkeiten aufzeigt. Fazit:
Ein gelungener Entwurf, der die vorhandene Ruine respektiert durch eine klare Raum- und Funktionsstruktur überzeugt. Insbesondere der Bereich der Offenen Jugendarbeit und die Büros sind nicht zufriedenstellend gelöst.