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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2019

Neubau Oberschule am Richard-Hartmann-Platz in Chemnitz

Perspektive

Perspektive

3. Preis

Preisgeld: 9.500 EUR

NEUMANN ARCHITEKTEN

Architektur

Reiter Architekten BDA

Architektur

ARC Architektur Concept Pfaffhausen und Staudte GbR

Architektur

Erläuterungstext

LEITIDEE UND STÄDTEBAU
Die sich grundlegend geänderten Anforderungen an den Schulbau von heute bedingen ein konsequentes Umdenken in der Entwurfsphase. Der klassisch introvertierte Schultypus der Nachkriegszeit weicht offenen, variablen und nachhaltigen Strukturen.
Die Schule öffnet sich zur Stadt- die Stadt öffnet sich zur Schule. Sie wird zum Ort der Begegnung und Kommunikation, zur Adresse eines generationsübergreifenden Lernprozesses einer demokratischen Gesellschaft.
Ganzheitliche Lern- und Betreuungskonzepte bedingen eine anregende und weiträumige Umgebungsbetrachtung. Die ursprüngliche Überlegung, mit dem neuen Gebäudevolumen ein städtebauliches Pendant zum Polizeigebäude und somit eine räumliche Fassung der Hartmannstrasse zu erzielen, wurde zugunsten der Setzung eines quadratischen Würfels zwischen Hartmannhalle und Steilhang zum Kaßberg, verworfen. Durch die vorgelagerte, großzügige Freifläche wird die Schule als Solitär erlebbar und die fußläufige Achse Innenstadt-Kaßberg gestärkt. Die Außenanlagen mit Schulhof und Sportanlagen werden durch die geschwungene Geländekante gefasst. Die Nähe des bewaldeten Prallhangs der Chemnitz bildet mit seiner Topografie eine „grüne Kulisse“ für Gebäude, Schulhof und Sportanlagen.
Der räumliche Zusammenhang zur Hartmannhalle und die zentrale Setzung zwischen weiteren Bildungseinrichtungen im direkten städtebaulichen Kontext schafft Synergien und vernetzt die einzelnen Standorte zu einem City-Campus. Der Schulneubau fügt sich angemessen in den Genius loci des Ortes ein und bildet, für sich genommen, eine eigenständige Adresse aus.
Der Hartmannplatz bleibt vorerst als öffentlich nutzbare Platzfläche erhalten und kann künftig als Potentialfläche in die weiteren städtebaulichen Überlegungen einbezogen werden. Idealerweise könnte sich die Idee eines Bildungs-Campuses weiter komplettieren.

ARCHITEKTONISCHES KONZEPT
Kompakt, Flexibel, Umnutzbar. Der vorliegende Entwurf setzt die Aufgabenstellung einer vierzügigen Oberschule mittels eines quadratischer Grundriss auf vier Ebenen um. Die großzügige Erdgeschosszone fungiert als zentraler „Marktplatz“. Foyer, Mensa, Cafeteria, offene Treppenräume, ein Innenhof usw. bieten Ein- und Ausblicke, erlauben flexibel abtrenn- oder zusammenschaltbare Funktionsbereiche und sind Ort für Kommunikation und Aktion. Fachkabinette für Technik, Werken, textiles Gestalten, Kunst und Musik spielen im Erdgeschoss ihr Potential für eine Doppelnutzung, sowohl für den Unterricht, als auch für die Freizeitgestaltung, in besonderem Maße aus.
Im zweiten, dritten und vierten Obergeschoss wurden in den Außenspangen je vier Lerncluster, bestehend aus zwei Klassenzimmern und einem zwischengeschalteten Gruppen-/Differenzierungsraum. Die Spangenanordnung lässt auch eine Clusterbildung von vier Klassenräumen mit zwei Differenzierungsräumen zu. Innerhalb des Clusters und außerhalb der Klassenräume bieten variabel nutzbare Flächen Raum für individuelles Lernen, Spielen oder nur Lümmeln. Die Raumtrennwände können flexibel ausgeführt werden, da sie im wesentlichen unabhängig von der Tragkonstruktion angeordnet werden. Somit ist auch ein nachträglicher Umbau- bzw. Ergänzungsbedarf jederzeit möglich. Jeder Spange ist zusätzlich eine Lernterrasse zugeordnet.
Im ersten Obergeschoss werden die Clusterspangen durch Verwaltung- und Lehrerzimmerbereiche, im zweiten und dritten Obergeschoss durch Fachkabinette und eine Bibliothek ergänzt.
Ein offener Innenhof und ein sich nach oben verjüngendes Atrium belichten großzügig die innenliegenden Funktionsbereiche.
Im dritten Obergeschoss ergänzt eine „Terrasse der Wissenschaften“ das Angebot speziell für die naturwissenschaftlichen Fächer, für Versuche und Experimente.
Alle Zu- und Ausgänge, sowie alle Ebenen im Gebäude sind barrierefrei erschlossen.

FREIANLAGENKONZEPT
Die städtebauliche Setzung der Schule in den hinteren Grundstücksbereich erfordert eine Neuinterpretation des Hartmannplatzes. Es gibt künftig einen öffentlich bespielbaren Platzbereich und einen der Schule vorgelagerten, gestalteten Freiraum.
Die dort entstehende Rasenfläche wird durch flache Betonkanten gegliedert und durch Baumreihen, die das Schulgebäude einbinden, strukturiert. Der Vorplatz und die großzügigen Grünflächen laden Schüler, Azubis und Anwohner zum Verweilen ein. Die direkt der Schule zugeordneten Nutzungen werden südlich und westlich an das Gebäude angelagert. Die Sportanlagen füllen die südliche Grundstücksspitze und werden durch eine, die Flucht des Schulgebäudes verlängernde Mauer, vom restlichen Schulhof räumlich getrennt. Der befestigte Schulhof bietet ein reichhaltiges Angebot für Pausengestaltung, Sport und Spiel.
An der westlichen Grundstücksgrenze spenden Laubgehölze Schatten für Sitz- und Aufenthaltsbereiche auf einem 30 cm erhöhten Rasensockel. Die Stützmauer zwischen befestigtem Schulhof und Rasenfläche ist gleichzeitig Sitzmauer und bindet eine zusätzliche Freiklasse in die Außenanlage ein.
Das bestehende fußläufige Wegesystem wird durch eine zusätzliche Verbindung, zwischen Vorplatz der Schule und der künftigen Haltestelle der Straßenbahn, ergänzt.
Die unter dem Gebäude befindliche Tiefgarage deckt den Stellplatzbedarf ab und wird über die vorhandene Zufahrt, die auch der Feuerwehr (Hartmannhalle) dient, erreicht.

KONSTRUKTION UND GEBÄUDEHÜLLE
Die Primärkonstruktion des Neubaus basiert auf einem durchgängigen Grundraster von 1,25 m und wird als monolithische Stahlbetonkonstruktion für alle tragenden Elemente wie Stützen, Wände und Decken vorgeschlagen. Die damit verbundene hohe Speichermasse erfüllt am besten die Vorgaben der Auslobung. Im Sinne einer wirtschaftlichen und nachhaltigen Technologie für die Fassadenkonstruktion entschieden sich die Verfasser für eine vorgefertigte, segmentierte Holzrahmenbauweise im durchgängigen Raster von 1,25 m. Die wiederkehrenden Formate, der hohe Vorfertigungsgrad und der überschaubare Montageaufwand auf der Baustelle optimieren Abläufe und versprechen eine kostengünstige Ausführung.
Beim Innenausbau werden Sichtbetonflächen ergänzt durch hölzerne, nichtragende Wand- und Einbaumöbelwände, sowie transparente und transluzente Pfosten-Riegel-Innenwandsysteme. Die speziellen akustischen Anforderungen in den Klassen- und Aufenthaltsräumen werden durch Akustik-Unterhangdecken erfüllt.
Langlebige, natürliche und leicht zu reinigende Oberflächen sorgen für sicher kalkulierbare Folgekosten.

ENERGIE- UND GEBÄUDETECHNIK
Das Ineinandergreifen von Baukörper, Konstruktion und Gebäudetechnik bestimmt die energetische Qualität des Projektes. Der kompakte Entwurf gewährleistet durch seine minimierte Kubatur, unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, einen hohen Energie-Effizienzstandard. Das günstige A/V-Verhältnis ermöglicht eine sehr gut gedämmte und wärmebrückenminimierte Konstruktion wirtschaftlich zu errichten.
Der durch die Hüllkonstruktion reduzierte Heizwärmebedarf wird im Grundlastbereich durch eine Luftwärmepumpe abgedeckt. Spitzenlasten in Kälteperioden werden über einen Gasbrennwertkessel abgefangen. Die Wärmezufuhr in den Räumen erfolgt über Fußbodenheizung.
Warmwasserentnahmestellen in Klassenräumen und Toiletteneinheiten werden mit einer dezentralen, elektrischen Warmwasserbereitung ausgerüstet.
Im Zusammenhang mit einer Photovoltaikanlage kann der Warmwasserbedarf CO2-neutral gedeckt werden.
Die kontinuierliche Zufuhr von frischer Luft in den von Schülern und Lehrern genutzten Räumen, ist essentiell für konzentriertes Lernen. Dezentrale, fassadenintegrierte Lüftungstechnik wird sowohl über die Gebäudeautomation gesteuert, kann bei Bedarf aber auch durch die Lehrer Einzelraum-gesteuert betrieben werden. Erfahrungsgemäß stößt diese Variante auf eine hohe Nutzerakzeptanz.
Die Möglichkeit der Wärmerückgewinnung sorgt für eine Minimierung der Lüftungswärmeverluste, bei gleichbleibend guter Luftqualität. Im direkten Vergleich mit einem zentralen Lüftungskonzept entfallen Kosten für Kanalinstallationen, zentrale Betriebstechnik und vor allem für Brandschutzmaßnahmen, einschließlich der damit verbundenen Betriebs- und Wartungskosten.
Als außen liegender Sonnenschutz kommen witterungsbeständige Textilscreens zum Einsatz.
Eine natürliche Querlüftung zwischen den Hauptfassaden, dem offenen Innenhof und dem Lichthof sorgt im Sommerfall für eine nächtliche Auskühlung der Räume. Im Zusammenhang mit der vorgesehen Dachbegrünung wird eine weitere technische Kühlung des Gebäudes als nicht notwendig eingeschätzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf positioniert den Schulbaukörper südlich der Ost-West-Wegebeziehung Hartmannhalle–Kaßbergviertel. Es entsteht ein zusammenhängendes ungestörtes Areal aus Schulbaukörper, Pausenfläche und Sportfreiflächen – eine überraschende Konfiguration mit Potential für die Freiraumentwicklung und eine schlüssige Einbindung der gewünschten Fußwegverbindung mit integriertem Vorplatz als Entreé. Die Anordnung der Gebäude eröffnet der Kommune unerwartete Flächenpotentiale für die städtebauliche Weiterentwicklung des Campusgedanken in Richtung Hartmannstraße.

Der Ansatz, den Campusgedanken als Ensemble aus Hartmannhallen und Oberschule den Vorrang vor der Raum- kantenbildung an der Hartmannstraße zu geben, kann nachvollzogen werden und ist aus dem Entwurfsansatz mit einem kompakten quaderförmigen Gebäude schlüssig. Die genaue Platzierung der Oberschule in Bezug zur Hartmannhalle reizt die Spannung im Verhältnis der Baukörper zueinander noch nicht aus. Der viergeschossige Neubau in direkter Nachbarschaft zur Hartmannhalle erscheint zu hoch.

Bedauerlich ist, dass die Verfasser das Versprechen eines großzügigen Freiraums in der Ausarbeitung nicht ausschöpfen und in der Auseinandersetzung mit dem westlich verlaufenden Grünzug wenig zu bieten haben. So fallen Mängel in der Verortung der Freiräume wie in der Balance zwischen öffentlichem Grün und Schulfreiflächen besonders ins Gewicht. Die verbleibende Pausenfreifläche ist im Verhältnis zur Anzahl der Schüler sehr gering. Eine schulische Nutzung ist für die Freifläche nördlich der Querung Ost-West nicht angedacht. Der längere Weg zur geplanten Straßenbahnhaltestelle an der Hartmannstraße wird durch die Qualität eines offenen Freiraums relativiert.

Positiv wird die Bildung des Wege- und Raumkreuzes im Erdgeschoss der Oberschule gesehen, das vom Haupteingang in das Gebäude leitet. Nicht unproblematisch ist hingegen die Lage des Speiseraums zu bewerten, der bis in das Zentrum des Kreuzes hineinragt und die Wegebeziehungen wie auch die Belichtung des Speiseraums im Gebäudeinneren einschränkt.

Das Raumprogramm wird erfüllt, Sollflächen einzelner Räume teilweise über- bzw. unterschritten. Die vorha dene Anzahl an Toiletten wäre im Verhältnis zum Schüleraufkommen zu überprüfen. Mit Anordnung der Klassenräume als Lerncluster an den Außenkanten des Gebäudes sowie Atrien und eingestellten Boxen in der Gebäudemitte wird eine spannungsvolle Kombination von klarer Raum- und Funktionsstruktur und abwechslungsreichen vertikalen und horizontalen Raumbezügen erreicht. Problematisch wird jedoch die Einordnung von Fachräumen in diesen Boxen mit ausschließlicher Belichtung über den Innenhof an der Raumschmalseite gesehen.

Durch die Anordnung der Differenzierungsräume jeweils zwischen zwei Klassenräumen sind die Möglichkeiten einer besonderen Förderung von Schülern bis hin perspektivischen Realisierung von Inklusion gegeben. Die offen gehaltenen Differenzierungsräume, sowie die Terrassen in jedem Geschoss schaffen einen guten Außenbezug der innenliegenden Erschließungsräume. Darüber hinaus bieten Lernbereiche im Norden und Süden zusätzliche Lern- und Begegnungsorte.

Die Mensa, der Cafeteriabereich wie auch der Fachraum Musik sowie die ein separat ausgewiesener Mehrzweckraum können geöffnet und gemeinsam mit dem Foyer für schulische Veranstaltungen genutzt werden.

Die Anordnung der Stellplätze in einer Tiefgarage wird ob der Größe des Gesamtareals als nicht erforderlich angesehen, zumal ein Konfliktpunkt mit der Zufahrt zur Tiefgarage über den Vorplatz vor dem Haupteingang entsteht.

Das Konzept der Kombination der Materialien Holz Glas und Beton wirkt ausgewogen. An der Fassade überzeugt das feine Raster der Holzrahmen auf dem ruhigen Sichtbetonsockel, der durch Einschnitte und große Öffnungen gegliedert wird.

In den Obergeschossen ist in der Ebene hinter der Holzrahmenstruktur ein lebendiges Spiel von geschlossen und verglasten sowie offenen Räumen der Terrassen zu erwarten. Im Gebäude lässt die Innenraumperspektive ein ausgewogenes Zusammenwirkern von Sichtbetonflächen mit Ausbauflächen und Einbaumöbeln aus Holz erwarten.

Die kompakten Gebäudeausbildung und dem damit guten A/V Verhältnis gewährleistet einen hohen Energieeffizienzstandard. In Verbindung mit dem Grundraster von 1,25 m und dem Einsatz von normierten Elementen ist eine wirtschaftliche Bauweise gegeben. Es wird darüber ein energetisches Konzept vorgelegt (Erdwärmepumpe, Photovoltaikanlage, dezentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung), das plausibel erscheint.
Innenraum

Innenraum

Lageplan

Lageplan

Fassade

Fassade

Modell

Modell