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einphasiger städtebaulicher Ideenwettbewerb mit einem qualifizierten, vorgeschalteten Bewerbungs- und Auswahlverfahren | 07/2018

„Schieferbuckel“ in Reutlingen

1. Preis

Preisgeld: 39.500 EUR

LEHENdrei | Architektur Stadtplanung

Architektur

Stefan Fromm Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser bieten für die äußerst vielfältigen Randbedingungen des Grundstücks eine
überzeugend klare und gleichzeitig differenzierte Bebauungs- und Erschließungsstruktur an. Das Rückgrat des Konzeptes bildet ein gut dimensionierter Boulevard, der das gesamte Gebiet von Osten nach Westen zusammenbindet und das mittlere Baufeld sinnvoll integriert. Durch gekonnt gestaltete Versätze des linearen Erschließungsraums und die in regelmäßigen Abständen vorgesehenen Quartiersplätze können sowohl in den einzelnen Quartieren als auch im gesamten Areal eine hohe funktionale und räumliche Qualität erwartet werden. Gut gesetzte Aussichtspunkte bieten attraktive Ausblicke auf die Stadt. Die Radwegebeziehungen sowohl in Ost-West-Richtung als auch in Nord-Süd-Richtung sind berücksichtigt.

Die baulichen Strukturen der einzelnen Baufelder reagieren jeweils sensibel auf die Nachbarschaft.
Dabei werden überzeugende Antworten auf die unterschiedlichen topografischen und
landschaftlichen Situationen, die Durchlüftung des Areals durch die vorhandenen Kaltluftströme und nicht zuletzt auf die Lärmemissionen der B 28 angeboten.

Im Westen, in den Gebieten Schieferterrassen und Justinus-Kerner-Straße wird die kleinteilige Struktur der nördlichen Nachbarbebauung gekonnt durch Punktgebäude aufgenommen. Die südlich anschließenden Wohngebäude lassen ebenfalls eine gute räumliche Qualität erwarten und fördern die gewünschte Durchmischung des Wohnungsangebotes. Die Situation im Bereich des alten Steinbruchs ist durch das Abrücken der Gebäude sehr gut gelöst und nutzt das Potenzial des Ortes für die dort angebotenen Wohnungen. Das Wohnungsangebot liegt im oberen Bereich und wird vor
dem Hintergrund des drängenden Wohnungsbedarfs begrüßt. Die bauliche Qualität der Architektur und der Wohnungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange der
Grundstückseigentümerin müsste nachfolgend durch einen Hochbauwettbewerb gesichert werden.

Auch im Osten, im Bereich Sickenhäuser Straße, wird eine klare und robuste bauliche Struktur angeboten, die mit geöffneten Blöcken nach Süden qualitätvolle Hofräume anbietet und nach Norden mit Punkthäusern gut an die bestehende Nachbarschaft anschließt. Die Sondernutzungen und das geforderte Parkhaus werden im Osten schlüssig in die Erschließungsstruktur eingebunden und strukturiert.

Die Erschließung des Gebietes durch den Kfz-Verkehr ist schlüssig. Die im Entwurf „Blue
Village“ geplante Achse wird aufgenommen und bildet eine Ost-West-Verbindung durch das gesamte Gebiet. Eine Durchfahrung des Gebiets durch den Kfz-Verkehr auf dieser Achse muss in dieser Lösung durch regulatorische Maßnahmen durchgesetzt werden. Die Achse bietet jedoch auch viel Potenzial für die Ansiedlung von kleinen Versorgungsangeboten, die ihrerseits eine umfeldverträgliche Nahmobilität zu Fuß und mit dem Fahrrad fördern – auch in den angrenzenden Bestandsgebieten.

Aussagen zu Mobilitätsangeboten wie Sharing-Diensten fehlen noch und sollten in der weiteren Planung berücksichtigt werden.

Über das Plangebiet hinausgehend wäre die Integration in das Radverkehrskonzept der Stadt zu optimieren. Betrifft z.B. die Erreichbarkeit des Edeka-Marktes über die bestehende Rad- und Fußgängerbrücke, aber auch eine Weiterentwicklung der Planung des Anschlussknotens der Justinus-Kerner-Straße an die B 28. Dort könnte eine Führung des Radverkehrs ohne die Querung von Dreiecksinseln zu einer Beschleunigung und höheren Akzeptanz des Radverkehrs führen.

Besonders gelungen ist der Schallschutz gegenüber dem Verkehrslärm in Form von durchgängigen Lärmschutzbebauungen entlang der Verkehrsstraße. Sie schützen nicht nur die geplante nachgelagerte Wohnbebauung und schaffen gute Aufenthaltsqualitäten auf den Freiflächen im Inneren des Wohngebiets. Überdies kommen sie auch der Bestandsbebauung „Am Schieferbuckel“ zu Gute.

Den Anlagenlärm von der bestehenden Eishalle und der Skateanlage schirmen Gewerbegebäude von der Wohnbebauung ab. Auch das in unmittelbarer Nähe zur Eishalle vorgesehene Pflegeheim wird durch die Gewerbebauten gegen den Lärm der Eishalle und der Skateanlage abgeschirmt.
Mit dem durchgängigen Boulevard parallel zur Schieferstraße hält der Entwurf in vorbildlicher Weise eine klimatologisch und lufthygienisch bedeutsame Belüftungsbahn frei, die Kalt- und Frischluft von den Randhöhen in die tiefer gelegenen Wohngebiete führt. Nur an wenigen Stellen müsste die Durchlüftungsbahn optimiert werden – etwa durch veränderte Stellung der Baukörper, um insbesondere die Freiflächen im Gebiet Ost besser an die geplante Bebauung „Blue Village“ anzubinden.
Der Entwurfsbeitrag weist mit der vorgeschlagenen Typologie und Dichte im Wettbewerbsmittel die günstigste Kompaktheit auf und lässt einen geringen Energiebedarf erwarten. Orientierung, Besonnung und Verschattung sind gleichermaßen gut gelöst und insgesamt die Ziele und Prinzipien der energieeffizienten Stadtplanung berücksichtigt.

Insgesamt gelingt den Verfassern im Spannungsfeld der komplexen Rahmenbedingungen, der wirtschaftlichen Anforderungen und nicht zuletzt der erwarteten städtebaulichen Qualität ein überzeugender Entwurf zur gestellten Aufgabe. Mit Augenmaß in der städtebaulichen Körnung und einer spannenden Raumfolge entsteht ein nennenswerter Beitrag zur Schaffung neuen Wohnraums in Reutlingen.