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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2019

Erweiterung der Anna-Essinger-Schule in Ulm

Perspektive Schulhof

Perspektive Schulhof

Anerkennung

Preisgeld: 3.000 EUR

Muffler Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Erläuterungstext Erweiterung Anna-Essinger-Schulen Ulm

Situation
In unseren Augen sind Schulen Orte der Zusammenkunft mit einem offenen und lebendigen Charakter. Sie beherbergen Räume die zum Denken und zur Fantasie anregen, gleichzeitig aber auch Behaglichkeit und Geborgenheit ausstrahlen und Schülern den Platz zur persönlichen Entwicklung bieten. Schon Heidegger beschreibt das Behaust Sein als Urbedürfnis des Menschen, das schon in seiner eigentlichen Wortherkunft mit dem Sein eng verbunden ist. Die Schule als „Lernhaus“ steht in diesem Sinne und sollte im Idealfall als „Lebensraum Schule“ wahrgenommen werden. Diese Gedanken liegen uns am Herzen und haben den Entwurf und dessen Architektur maßgeblich beeinflusst.

Städtebau
Die Anna-Essinger-Schulen liegen als Teil des Schulzentrums Kuhberg, auf einem freien und naturnahen Grundstück am westlichen Rand des Bildungscampus. Das Bestandsgebäude bettet sich in die umgebende Topographie ein öffnet sich vor allem zum großzügigen Pausenhof im Süden. Dieser betont sowohl das Leitbild der Schulen als auch ihr Sportprofil und bietet umfassende Möglichkeiten auch für freizeitorientierte Aktivitäten. Er stellt somit eine wichtige Säule des Ganztagsangebots der Schulen dar und bietet vor allem freiraumplanerisches Potential für die Zukunft.

Der Entwurf positioniert sich als kompakter und übersichtlicher Solitär im Westen des Bestandsgebäudes und schließt den naturnahen Campus zum Grünraum und dem „Hermannsgarten“ hin ab. Der Standort erfordert die südwestliche Verlegung des Schulgartens, bietet unserer Meinung nach jedoch ein enormes Entwicklungspotential mit vielfältigen neuen Aufenthaltsqualitäten. Der 3-geschossige Baukörper nimmt bestehende städtebauliche Kanten auf und gibt zwischen Erweiterung und Bestand einen weiteren, neuen Pausenhof frei. Diesen begreifen wir als Ort der Kommunikation, des Rückzugs und der Entspannung. Der Versiegelungsgrad wird hier minimiert, indem ein wasserdurchlässiger, fließender Belag verwendet wird.

Das Gebäude ist über einen Verbindungssteg im Obergeschoss an das bestehende Schulgebäude angebunden und ermöglicht so eine direkte Schnittstelle zwischen alten und neuen Unterrichtsräumen. Dies ermöglicht individuelle Lerncluster als Erweiterung zum Bestand. Die Erweiterung orientiert sich topographisch am Niveau des untersten Zwischengeschosses der bestehenden Schule und fängt den Hang mittels einer Stützmauer mit Sitznischen im Süden ab. Der Geländeversprung wird durch eine flache Rampe (Feuerwehrumfahrung) und eine Landschaftstreppe ausgeglichen.

Konzept
Der Entwurf folgt einem einfachen, aber klaren Konzept. Alles unter einem Dach: Klassenzimmer und Gruppenräume stehen in direktem Bezug und ermöglichen eine hohe Flexibilität untereinander zusammengeführt werden zu können. Lerninseln und Nischen sowohl in den Gruppenräumen, als auch auf den Fluren unterstützen unterschiedliche Lehr- und Lernformen. Eine klare und zentrale Erschließungsachse führt durch das Gebäude und wird durch die Elemente Luftraum, Oberlicht und eingestellter Funktionskörper (Aufzug, Sanitär- und Lagerflächen) nicht nur funktional, sondern auch atmosphärisch zoniert. Sie verknüpft primäre und sekundäre Nutzungen und schafft so einen weiteren Aufenthaltsort an deren Schnittstelle.

Die vertikale Erschließung platziert sich als wichtiges Element in Form einer Treppenfigur in den Luftraum hinein und bespielt diesen. Eine breite Treppe - in die sich Sitzstufen integrieren - führt in das 1. Obergeschoss, verjüngt sich und erschließt als einläufige Treppe das 2. Obergeschoss. Die Treppenfigur soll sich in Material und Gestaltung von den restlichen Räumen absetzen und so ein mehrgeschossiges „Foyer“ markieren. Sie findet ihren Abschluss in einem, sich ebenfalls verjüngenden Oberlicht, das die Innenbereiche des Gebäudes mit Tageslicht versorgt und eine einladende Stimmung erzeugen soll.

Der Haupteingang im Erdgeschoss erschließt das Gebäude aus Richtung des neu geschaffenen zweiten Pausenhofs und nimmt in direktem Kontakt zum Foyer neben den Elternsprechzimmern auch die Räume zu Inklusion auf. Hier bietet sich die Möglichkeit Unterrichtsraum und Gruppenraum zu einem abendlichen Veranstaltungsbereich zu verbinden.

Klassenzimmer, welche gleichzeitig auch für den Musikunterricht vorgesehen sind, gliedern sich ebenfalls im Erdgeschoss an das Foyer an und werden akustisch optimiert. Somit bleiben sie von den übrigen Unterrichtsräumen entkoppelt.

Diese einfache Zonierung des Gebäudes lässt sich auch von außen ablesen. Großzügige und gleichmäßig gesetzte Öffnungen lassen die Unterrichtsräume erkennen. Auf der Nordseite dringt über eine gezielt gesetzte, bodentiefe Verglasung Tageslicht in die innere Erschließung des Entwurfs und gibt einen schönen Ausblick über den Bildungscampus hinunter auf die Stadt Ulm frei. Das Gebäude interagiert so zu allen Seiten mit der facettenreichen Natur und stellt direkte Bezüge zur umliegenden Situation her.

Grünraum
Aufgrund der Begrenztheit des Grundstücks im Westen des Bildungscampus soll die Landschaft das Gebäude so stark wie möglich umfließen und die Natur aus dem angrenzenden öffentlichen Grünraum des „Hermannsgartens“ so nah wie möglich an das Haus heran führen.

Ein wasserdurchlässiger, heller Asphalt umgibt das Gebäude und bindet es sowohl an die öffentliche Durchwegung des Areals als auch unmittelbar an die in nord-östlicher Richtung gelegene Überdachung der Fahrradstellplätze und des Außenlagers an. Zwischen Neubau und Bestand bildet eine großzügig gefasste Grünfläche eine Erweiterung zum bisherigen Pausenhof und offeriert vielfältige Aufenthaltsqualitäten für Schülerinnen und Schüler.

Auch die restlichen Flächen um das Gebäude herum unterstützen das landschaftliche Prinzip durch die freie Anordnung von Baumgruppen und Solitärbäumen. Hierbei soll so viel Baumbestand wie möglich erhalten bleiben.

Materialität und Tektonik
Die Architektur soll in ihrer Wirkung gleichzeitig Ruhe und Präsenz ausstrahlen. Die Struktur des Baukörpers bleibt in ihrer Einfachheit ablesbar. Die Fassade besteht konzeptionell daher aus zwei wesentlichen Elementen: Horizontal durchlaufende Bodenplatten, die sich durch Sichtbeton- Fertigteile artikulieren, leicht hervorstehen und so die klare Struktur des gesamten Hauses nach Außen tragen; und aus einer stehenden Holz-Bretterschalung, welche die Gebäudehülle bildet und der Fassade so ein homogenes und angenehmes Erscheinungsbild gibt. Sie bekleidet die Pfeiler und Platten des Rohbaus, welcher als Stahlbeton-Konstruktion vorgeschlagen wird.

Die Fassade erhält durch diesen Umgang eine horizontale Ausrichtung, welche durch die Holzpaneele „ausgefacht“ wird. Diese Wirkung orientiert sich an den ebenfalls horizontalen Fensterbändern des Bestandes, wenngleich dessen Fassade in einer anderen, heute weniger zeitgemäßen Materialität ausformuliert wurde.

Die innenliegenden Räume sollen durch die Symbiose von Beton und Holz und einen einfachen Linoleum-Bodenbelag einen warmen und einladenden Charakter bekommen und viel Tageslicht in die inneren Bereiche des Gebäudes tragen. Das dadurch entstehenden Spiel zwischen Licht und Schatten - zwischen hellen und dunklen Bereichen - und dem besonderen Element der erschließenden Treppenfigur sehen wir als Wesen des Entwurfs. Es schärft Wahrnehmung von Geometrie, Räumen und Material.

Nachhaltigkeit
Nachhaltiges Denken entspricht unserer Auffassung von guter, und zukunftsweisender Planung. Damit beziehen wir uns sowohl auf ökologische als auch ökonomische Aspekte. Der Entwurf folgt mit seiner klaren Haltung vereinfachenden Prinzipien des Bauens, indem er bis auf den Rohbau aus gleichen, vorfabrizierbaren Elementen besteht, die einen reibungslosen Ablauf gewährleisten sollen.

Grundsätzlich sollen alle Baukonstruktionen aus dauerhaften, biologisch unbedenklichen und ökologisch sinnvollen Materialien konstruiert und gestaltet werden. Dies erfolgt vor allem in Hinblick auf eine nachhaltige Gebäudebewirtschaftung und deren Unterhaltung. Handwerkliche Qualität, vertraute Materialien mit schönen Fügungen in funktionalen Grundrissen sollen dies unterstützen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau und Architektur
Für die Erweiterung der Anna-Essinger-Schulen schlagen die Verfasser einen dreigeschossigen solitären Baukörper im Nordwesten des Schulcampus vor. Seine solitäre Stellung bildet räumlich gut gefasste Freibereiche die für die Nutzungen im Ganztagsbetrieb hohe Qualitäten und Identitäten schaffen. Der von den Verfassern als“ Lernhaus“ konzipierte Baustein schafft innerhalb des Schulstandorts eine eigene Identität, was positiv bewertet wird. Die vom Haupteingang weit entfernte Lage wird kontrovers diskutiert. Letztlich ist er durch seine solitäre Stellung als eigener Baustein mit eigenem Zugang als Teil des Schulcampus dennoch denkbar. Der durch die Anordnung des Baukörpers mögliche Erhalt der südlich gelegenen Freiflächen wird begrüßt.
Das Lernhaus erfüllt die Anforderungen aus dem pädagogischen Konzept in fast idealer Weise. Die hohe Flexibilität durch die Raumzuordnung und die hohe räumliche Qualität der Kernzone, die neben Erschließungsflächen auch Flächen für Lerninseln anbietet, ermöglicht im Ganztagsbetrieb vielfältige räumliche Angebote. Der zentrale Luftraum, der alle Geschosse räumlich verbindet, bietet mit der „Treppenfigur“ darüber hinaus ein vielfältig bespielbares Element.
Die Gestaltung der Fassaden wird kontrovers diskutiert. Einerseits wird das Bild der solitären Stellung gerecht, gleichzeitig wird der Dialog und die Bezugnahme zum Bestand vermisst. Die Verwendung von Holz in der Fassade wird aus Gründen des Unterhalts kritisch gesehen.
Das vorgeschlagene Materialkonzept und die Verwendung einfacher robuster Materialien hingegen überzeugt und schafft eine gute räumliche Atmosphäre.
Die geforderten WC Anlagen erfüllen im Hinblick auf die Verortung die gestellten Anforderungen nicht und wäre zu überarbeiten. Ebenfalls zu überprüfen sind die Rettungsweglängen und Anordnung der Fluchttreppen.

Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit
Insgesamt liegt die Arbeit im wirtschaftlichen Bereich, lässt sich ohne größerer Beeinträchtigungen im Bestand verwirklichen, und stellt damit auch einen guten Beitrag dar. Lediglich der Schulgarten ist zu verlegen.

Energetische Konzeption
Die Verfasser schlagen ein nachvollziehbares Energiekonzept vor, das den gestellten Anforderungen an einen „nicht zertifizierten“ Passivhausstandard gerecht wird. Die Aktivierung der Deckenflächen als Speichermasse ist nachvollziehbar, jedoch im Hinblick auf die Anordnung notwendiger akustischer Flächen noch zu bewerten.

Fazit:
Insgesamt stellt die Arbeit einen guten und wichtigen Beitrag hinsichtlich der gestellten Aufgabe dar. Sie schafft mit dem klaren Solitär, dessen zurückhaltender Positionierung im Nordwesten und seiner Ausgestaltung als Lernhaus ein zeitgemäßes Schulgebäude das dem Ganztagsbetrieb neue Möglichkeiten anbietet.
Perspektive Innenraum

Perspektive Innenraum

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Fassadenansicht

Fassadenansicht

Fassadenschnitt

Fassadenschnitt

Lageplan

Lageplan

Modellfoto

Modellfoto