modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Planungskonkurrenz | 07/2018

Neuordnung und Neugestaltung des Neumarkts in Mannheim

1. Preis

Preisgeld: 12.500 EUR

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

trint + kreuder d.n.a. architekten PartGmbB

Architektur

TOPO*GRAFIK paysagistes

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Neumarkt anpacken! ein Gemeinschaftsprojekt

Der Neumarkt in der Neckarstadt West: eine große Wiese, Bäume, ein Spielplatz, das Ganze von gründerzeitlichen Fassaden umgeben: etwas abgenutzt, aber alles in allem ein super Freiraum. Könnte man meinen, aber irgendetwas funktioniere nicht so ganz. So könnte man die Bürgerstimmen, die im Rahmen der Bürgerbeteiligung und des Künstlerprojekts Framework 1 gesammelt wurden, zusammenfassen. Es existiert ein Gefühl des Unbehagens und der Unsicherheit, das dazu führt, dass der Platz wenig genutzt wird und die große Wiesefläche als Hundewiese in Verruf gekommen ist. Sicherlich weist die aktuelle Gestaltung einige Mängel auf, die zu diesem Gefühl beitragen: etwa durch die offensichtlich in die Jahre gekommenen Möbel und Spielgeräte oder durch die stellenweise dichte Vegetation, die dunkle und uneinsichtige Ecken entstehen lässt. Mängel die sich durch ein paar wenige Maßnahmen beheben lassen, die vermutlich aber nicht ausreichen werden um die bestehenden Probleme zu lösen. Derselbe Freiraum würde in einer anderen Stadt oder selbst in einem anderen Stadtteil Mannheims einen belebten und begehrten Ort darstellen. Die Schwierigkeit liegt also weniger in seiner Gestaltung als in der komplizierten Sozialstruktur der Neckarstadt West, weswegen auch eine komplette Neugestaltung des Neumarktes nicht unbedingt von Erfolg gekrönt wäre. Gestaltung allein stößt in diesen Fällen oft an ihre Grenzen, weswegen wir unter dem Slogan „Neumarkt anpacken!" einen sozialen Versuch wagen:

Eine „offene Baustelle" mit zahlreichen Möglichkeiten des Mitwirkens animiert den Neumarkt durch Workshops, Festlichkeiten und Diskussionsrunden und erweckt ihn während des gesamten Prozesses der Erneuerung mit neuem Leben. Es werden verschiedene Möglichkeiten den Ort zu bespielen ausprobiert und die Grundlagen für spätere Nutzungen gelegt.

Ein gemeinsamer Tag auf der Baustelle schweißt zusammen und das selbst Geschaffene erfüllt einen mit Stolz: Durch die aktive Einbeziehung der Bevölkerung wird eine gegenseitige Annäherung von Menschen verschiedener Milieus und Kulturen ermöglicht und eine starke Identifizierung mit dem entstehenden Freiraum erreicht. Damit einhergehend erwarten wir eine neue Lust den Platz zu nutzen, zu beleben und zu bespielen.

Die Projektphasen

Das Projekt beginnt schon weit vor den eigentlichen Bauphasen mit der Mobilisierung der Bevölkerung: Während einer Festwoche werden die Autos von dem Parkplatz vor der Neckarschule entfernt und der so entstehende Platz intensiv bespielt. Als Initialzündung wird ein Projektpavillon errichtet, der einen Anlaufpunkt über die gesamte Dauer des Projekts darstellt und das Signal sendet: hier passiert etwas. Basierend auf einem „Masterplan" wird die Gestaltung des Neumarkts in Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden zusammen mit den Bürgern entworfen und weiterentwickelt. Es werden Teilnehmer für die ersten Baustellen-Workshops in der Bevölkerung, lokalen Initiativen und Vereinen und in den Schulklassen der beiden angrenzenden Schulen rekrutiert. In einzelnen Schritten wird nun in einem Hybrid aus klassischer Baustelle und Bürgerworkshops Baustein für Baustein realisiert. Währenddessen finden weiterhin regelmäßig Veranstaltungen statt und es werden verschiedene Nutzungen ausprobiert. Ziel ist es, über einen bestimmten Zeitraum den Platz zu beleben und somit seinen Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung zu erhöhen.

Der Masterplan

Unser Gestaltungskonzept beschränkt sich weitgehend auf ein Gestalten mit dem Bestand. Unsere Hauptintention ist das Schaffen eines zusammenhängenden, großzügigen Freiraums und seine Gliederung in vier Teilräume mit unterschiedlichen Qualitäten: von der urbanen, multifunktionalen Bühne vor der Neckarschule über die weite Wiese mit den Gemeinschaftsgärten, einen großzügigen Kinderspielplatz und einen ruhigen Schattenhain entwickelt sich der Freiraum in Richtung Neckar von urban bis landschaftlich. Die Grundlagen für diese Gestaltung finden wir im Bestand, neben punktuellen Anpassungen und Reparaturen sind nur wenige Maßnahmen nötig um das gewünschte Ergebnis zu erzielen: Störende, den Raum zerteilende Strauchpflanzungen werden entfernt und so viele wie möglich von den Parkplätzen vor der Schule in den Straßenraum verlagert. In den Bereichen Spielplatz und Schattenhain muss der Pflasterbelag angepasst werden um die Spielfläche zu vergrößern und den Boden zu entsiegeln. Die die Wegeflächen verstellenden Leuchten werden entfernt und moderne Mastleuchten an den Rändern aufgestellt.

Die „Stadtbühne"

Als urbaner Auftakt entsteht ein großer, offener und multifunktionaler Platz der die wichtigsten Funktionen bündelt: als Ankommensort mit der Straßenbahnhaltestelle bietet er großzügige Terrassenflächen für das Restaurant „Portugal" und den Kulturkiosk, eine Anlaufstelle im Projektpavillon und Platz für verschiedenste Veranstaltungen. Im Rahmen eines regelmäßig stattfindenden Streetart-Contests werden Ideen für die Bemalung der Bühnenfläche gesammelt und die Preisträger mit der Realisierung beauftragt.

Der Projektpavillon

Der Pavillon bietet während der Projektphase Platz für Ausstellungen, Informationen, Projektdokumentationen und Veranstaltungen bezüglich des Projekts. In der Folge kann er von verschiedenen Gruppen genutzt und bespielt werden: beispielsweise durch die urban-Gardening-­lnititative, einen Nachbarschaftsverein, eine Arbeitstauschbörse oder als Ausstellungsort für die Schulen ... Er beinhaltet auch einen Liegestuhlverleih und ein öffentliches WC.

Die Wiese

Um die Wiese von den Rändern her zu beleben wird eine Möbelfamilie entwickelt: Eine Tribüne orientiert sich in Richtung Bühne, ein großes Holzdeck bildet die Schnittstelle mit dem Spielplatz, Holzterrassen die Eingangsplattformen zu den Gemeinschaftsgärten und entlang der Nordflanke der Wiese kann man in großzügigen Liegestühlen sonnenbaden den Blick über die Freifläche genießen.

Der Spielplatz

Ein neuer Anlaufpunkt für die Kinder aus dem Viertel entsteht hier, von ihnen selbst mitentwickelt im Rahmen eines Modellbauworkshops: Doppelt so groß wie vorher und mit vielen tollen Spielgeräten für verschiedene Altersgruppen.

Der Schattenhain

Im Rahmen eines Ideenworkshops werden Einfälle für ruhige Aktivitäten gesucht, die verschiedene Kulturen verbinden und Erinnerungen an die verschiedenen Herkunftsländer wecken: Schach- und Tavlaspieltische, eine Fläche zum Boulespielen, Aufenthaltsbereiche im Schatten ...

StelIplätze und Beleuchtung

Von den 52 Stellplätzen auf dem Platz vor der Neckarschule entfallen 22, 15 bleiben in einer einzigen baumbeschatteten Reihe vor der Schule bestehen und die restlichen 15 werden in den umliegenden Straßenraum verlagert. Die Beleuchtung wird erneuert und durch moderne Mastleuchten ersetzt, die durch ihre Platzierung die Großzügigkeit des Freiraums betonen und für ein Gefühl der Sicherheit sorgen. Die Leuchten um den Platzbereich mit Strahlern ausgestattet die im Falle von Veranstaltungen zugeschaltet werden können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Zentraler Entwurfsansatz ist, die Anforderung der Stadt „minimalinvasiv“ die Fläche zu entwickeln, ernst zu nehmen und konsequent auf Partizipation zu setzen. Im Großen und Ganzen bleiben alle Flächen unangetastet, es werden lediglich Büsche und Zäune entfernt, sodass dunkle Ecken und Angsträume verschwinden. Um eine Initialzündung, einen Startschuss, zu setzen, der möglicherweise nicht nur in der Neckarstadt West, sondern auch in der Gesamtstadt wahrgenommen wird, schlagen die Verfasser stringent vor, in der Südostecke des Platzes einen gestalterisch auffälligen Projektpavillon zu errichten. Dieser spannt zusammen mit dem Kulturkiosk im Norden eine neue Platzfläche auf, die durch die Herausnahme der Parkierung vielfältige Potenziale hat. Durch Bemalung des vorhandenen Pflasters wird der Ort beinahe kostenneutral neu akzentuiert. Hier sind vielfältige Aktivitäten, vom Markt bis zur Bespielung mit Stadtteilfesten denkbar.

Holzpodeste, ebenfalls in einer Workshop Aktion erstellt, überspielen den Übergang vom Platz- zur Rasenfläche und wirken fast als „Staffel-Übergabe“. Hier entstehen auf einfache Weise neue Aufenthaltsbereiche. Das Urban-Gardening an der Südseite der Rasenfläche zu platzieren, ist sinnvoll und nachvollziehbar.

Negativ wird beurteilt, dass das Bürgerhaus keine bessere Anbindung an die vorgelagerte Platzfläche erfährt und nach wie vor durch eine Fahrbeziehung abgetrennt ist. Auch der vorgelagerte Schattenheim wird nicht für eine deutliche Belebung an dieser Stelle sorgen.

Stellplätze vor der Schule zu belassen, verschenkt ebenfalls Möglichkeiten, die im Entwurfsansatz angelegt sind. Sie versperren die Verbindung Schule - Platz.

Insgesamt eine Konzeption, die konsequent die Auflagen des Auslobers beachtet und die gesetzten Spielräume auslotet.