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Planungskonkurrenz | 07/2018

Neuordnung und Neugestaltung des Neumarkts in Mannheim

Anerkennung – Isometrie mit Maßnahmen (Auswahl)

Anerkennung – Isometrie mit Maßnahmen (Auswahl)

Anerkennung

Preisgeld: 3.000 EUR

A-U-R-A - Architecture, Urbanism + Research Agency GbR

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

LAVALAND Laura Vahl

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

KONZEPT
Ziel der Gestaltung ist es, die Qualitäten der vorhandenen Strukturen und Bereiche wie den Platz vor der Schule im Osten, die Wiese in der Mitte und den Bereich vor dem Bürgerhaus im Westen mit wenigen Eingriffen klarer zu formulieren und in ihrer Charakteristik so zu stärken, dass zusammen mit dem Saum aus Bäumen sukzessive ein stabiles Raumgerüst entsteht. Dieses bildet den Rahmen für die sozialräumliche Entwicklung des Ortes im Quartier.
Der Entwurf und der dazugehörige 5-Phasen-Prozess führen Raum und Menschen zusammen. Der Raum wird gemeinsam »in Beschlag genommen« und durch bauliche Anpassungen mit den Bedürfnissen der Menschen vor Ort in Einklang gebracht.
Er wird ein Ort der Aktivität; ein Ort, der lokale Impulse aufnehmen und auch selbst geben kann. Es entsteht ein Raum für Entfaltung, Begegnung und Austausch – so bunt wie die Neckarstadt.

FORM UND FREIRAUM
Der Kern des Platzareals, die zentrale und baulich jetzt klarer gefasste Wiese, lädt Nachbarschaft und Gäste ohne ein festdefiniertes Programm dazu ein, sich den Ort spontan und in Abhängigkeit von Jahreszeit, Wetter und Laune anzueignen, hier zu spielen oder zu entspannen. Alle Bereiche um die Wiese herum bilden einen Ring städtischer Aktivität für nachbarschaftliches Agieren und Austausch. Die vorgeschlagenen sozialen und baulichen Impulse aktivieren den Neumarkt, öffnen ihn und schaffen so ein räumlich differenziertes Angebot mit unterschiedlichen Intensitäten für alle hierherkommenden Menschen.
Die Ebene des SOZIALEN (gemeinsame Belebung, nachbarschaftliche Raumaneignung, Partnerschaften) beginnt in der ersten Phase. Impulse wie Interventionen und die Etablierung regelmäßiger Veranstaltungen bzw. Saisonaktivitäten wirken darauf, dass die Intensität dieser Ebene über die fünf Phasen hinweg kontinuierlich ansteigt. Sich etablierende Partnerschaften erlauben es zugleich, zunehmend Verantwortung an lokale Akteursgruppen zu übergeben.
Die Ebene des BAULICHEN setzt mit der zweiten Phase ein (basierend auf den bis dahin stattgefundenen Sozialaktivitäten) und initiiert die Raumtransformation in einer sensiblen architektonischen Neuformung des Platzes. Im weiteren Verlauf werden die zuvor angeregten veränderten Nutzungsmuster zunehmend formalisiert, indem Spielplatz, Stellflächen und Straßenführung angepasst werden.

PROZESS
Der vorgeschlagene Gestaltungs- und Entwicklungsansatz bedingt das gleichzeitige Denken und Entwickeln beider Ebenen und ermöglicht so eine ganzheitliche und nachhaltige Raumtransformation des Neumarkts. Die vorgeschlagenen fünf Phasen können jeweils in einem Jahr – einer Freiluft-Saison – bearbeitet werden, sind jedoch nicht starr festgelegt. Dauert eine Phase circa zwischen 6 und 18 Monate, so begleitet der Entwicklungsprozess den Ort – seine Form und Nutzerschaft – für eine Zeitspanne von etwa 4 bis 7 Jahren.

Phase I: (Er-) öffnung und gemeinsamer Auftakt
Diese ist geprägt vom Ankommen, dem ersten Strukturieren und Aktivieren. Temporäre Ereignisse informieren darüber, dass eine Raumtransformation bevorsteht und nachbarschaftliche Mitwirkung erwünscht ist. Erste Raumaneignungen durch lokale Akteursgruppen werden gefördert und organisierte Angebote wie z.B. Flohmärkte bringen die Anwohnerschaft niederschwellig zusammen. Die Entwicklung eines kollektiven Raumverständnisses weckt das Bewusstsein für notwendige Veränderungen und bereitet den Boden für lokale Partnerschaften. Um Weite, Übersichtlichkeit und zugleich Platz für Zukünftiges zu schaffen werden erste raumtrennende Elemente entfernt, – das Grün wird gelichtet.

Phase II: Fassung der Grünen Mitte
Die nachbarschaftliche Einbeziehung wird fortgeschrieben und es startet die bauliche Transformation, ausgehend von der Grünen Mitte: Die Wiese wird baulich klarer gefasst und markiert das Zentrum des Neumarkts. Weitere räumliche Interventionen sind zunächst temporärer Natur, weisen aber bereits auf die spätere räumliche Gliederung hin; die Nutzungen werden in einem »aktiven Ring« um die Platzmitte herum angeordnet.
Potenzielle Nutzungskonflikte werden adressiert, die Erwünschtheit bisheriger Aktivitäten diskutiert und reflektiert. Partnerschaften werden etabliert, innerhalb derer Teilverantwortlichkeiten an Akteursgruppen übergeben werden.

Phase III: Markttreiben und Andocken der Nachbarschaft
Jetzt steht der Saum des Platzareals und somit die Verbindung zu den Lebenswelten der Anwohnerschaft im Fokus. Es geht darum, entstandene Partnerschaften mit lokalen Gruppen zu stärken und weitere Menschen aus der Nachbarschaft vom neu entstehenden Ort zu begeistern. Verschiedene Märkte finden mittlerweile regelmäßig statt.
Die bauliche Transformation setzt sich darin fort, dass erste Kfz-Stellflächen der neuen »Nordpromenade« weichen. Partizipative Interventionen regen die Anlieger an, ihre Erdgeschossbereiche und Fassaden der Platzfassung aufzuwerten. Neue Nutzungen und Gestaltungsmaßnahmen dort fördern die Kommunikation in Richtung Platzmitte.

Phase IV: In voller Blüte – der Bildungs- und Begegnungsraum mit Neckarblick
Die bauliche Transformation wird fortgeführt und »demokratisiert« diesen Veränderungsprozess zugleich in kleinerem Maßstab, etwa durch die Wiederaufnahme der gemeinschaftlichen Urban-Gardening-Aktivitäten.
Eine neue Identität des Platzes bildet sich zunehmend heraus. Folgende Maßnahmen tragen dazu bei: die Beruhigung des Verkehrs, die weitere Reduzierung von Stellplätzen, die Einrichtung der »Interkulturellen Orangerie« mit einem »grünen Klassenzimmer« im Ostteil und das Versetzen des Spielplatzes im Westen.
Die Perspektive des Ortes weitet sich auf: Die Achse zum Neckar hin, zum ehemaligen Fähranleger, wird gestalterisch betont; ebenso schlagen weitere Impulse (Events, Förderung von Initiativen) rund um das Thema lokale Zukunftsmobilität »Brücken« ins Quartier und in die großräumliche Umgebung. Die Transformations-energie erreicht in dieser Phase ihren Höhepunkt

Phase V: Eingespieltes Platzgefüge, weiter in die Zukunft
Die letzte Phase schließt die Umgestaltung des Neumarkts ab. Jetzt liegt der Fokus auf dem Westteil des Platzes, auf der Aneignung des »Haines« und seinem Bezug zum Bürgerhaus. Der Straßenabschnitt der Lutherstraße zwischen Pestalozzi- und Langstraße wird dem Hain zugeschlagen. Die Aktivitäten des Bürgerhauses – Feste, Feiern und Cafeteria – breiten sich unter den Bäumen in den Platz hinein aus. Der Hain im Westen mit dem Spielplatz wird zum intimeren Ort, die Interkulturelle Orangerie im Osten ein Ort des lebendigen Austauschs.
Die neue Raumgestaltung ebenso wie die jetzt stattfindenden Aktivitäten »vernähen« den Ort als produktiven und aktiven Raum mit dem Stadtteil. Zusammen mit Bildungs- und Kulturinstitutionen werden weitere Zukunftsprojekte angeregt, entstandenes Ortswissen wird kollektiv aufbereitet – nach Möglichkeit in einer Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem nahen Marchivum.
Es kann eine »städtische Ruhe« einkehren, da zu diesem Zeitpunkt Aushandlungsprozesse und Nutzungen erprobt und in ein relatives nachbarschaftliches Gleichgewicht überführt wurden. Alle Verantwortlichkeiten für den Sozialraum Neumarkt sollen jetzt an kreative Vor-Ort-Partnerschaften und verlässliche Akteursgruppen übergeben sein.

Beurteilung durch das Preisgericht

Zunächst erscheint der Grundgedanke nachvollziehbar, in dem von gründerzeitlicher Bebauung eingefassten Platzraum eine offene, ruhige Mitte mit einem belebten, aktiven „Ring“ zu etablieren. Leider wird dadurch aber der nutzbare Platzraum und somit die Belebung der Mitte des Neumarkts deutlich eingeschränkt, ein Zugewinn an Qualität gegenüber der heutigen Situation erscheint gering. Die Sitzflächen entlang der grünen Mitte orientieren sich zu Parkplätzen und Straßenraum, die einzige Platzfläche im Vorfeld der Schule wird mit verschiedenartigen Möblierungselementen regelrecht zugestellt. Die etwas klein bemessene Spielfläche im Westen mit anschließendem „ruhigen Hain“ wird durch die grüne Mitte vom östlichen Geschehen abgetrennt.

Sehr positiv wird durch Schließung des Straßenabschnitts für den Kfz-Verkehr die Anbindung des Bürgerhauses an den Neumarktgesehen, doch leider schöpfen die Verfasser die sich daraus ergebenden Potenziale nicht aus und es werden keine Vorschläge für die Beziehung des Bürgerhauses und dessen Nutzungen/Veranstaltungen auf den Neumarkt aufgezeigt.

Der grundsätzliche Ansatz, vom Neumarkt eine Verbindung zur Uferzone des Neckars über die Gestaltung der Belagsflächen, ergänzende Baumstellungen und durch zusätzliche bauliche „Trittsteine“ zu schaffen wird positiv bewertet, aber auch hier wird der Gedanke nicht konsequent umgesetzt, denn die direkte Verbindungsmöglichkeit wird von dem der Schule vorgelagerten Parkplatz geschwächt. Schade ist zudem, dass der Entwurf wenig das ortprägende Gebäude der Grundschule in die Freiraumgestaltung einbezieht.

Die vorgeschlagene Vorgehensweise im Umsetzungsprozess bis zur Erlangung des endgültigen Ergebnisses ist wenig interessant dargestellt.

Insgesamt zeigt die Arbeit gut gelungene Einzelansätze, deren Potenziale leider nicht ausgeschöpft wurden.
Anerkennung – Plan 1

Anerkennung – Plan 1

Anerkennung – Plan 2

Anerkennung – Plan 2