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Offener Wettbewerb | 08/2018

Errichtung eines Besucher-, Medien- und Dokumentationszentrums im Grenzdurchgangslager Friedland

ein 3. Preis

Preisgeld: 22.500 EUR

Richter Musikowski Architekten

Architektur

studio polymorph

Landschaftsarchitektur

Schiel Projektgesellschaft mbH

Szenographie

pde Integrale Planung GmbH

Bauingenieurwesen, sonstige Fachplanung

ErlÀuterungstext

DACH - HAUS - HEIM
WĂ€hrend uns die zeichenhafte Kubatur des Neubaus zunĂ€chst an vertraute kleinstĂ€dtische Bildwelten erinnert, weckt seine spartanisch-rationale Fassadensprache eher Assoziationen an Lagerbauten oder provisorische SchutzhĂŒtten. Heimat und Fremde – zentrales Thema vieler Migrationsprozesse, wird zum architektonischen Ausdruck des neuen Besucher-, Medien- und Dokumentationszentrums in Friedland. Die Ambivalenz seiner Erscheinung irritiert, berĂŒhrt und lĂ€dt ein, sich mit diesem Thema differenziert auseinanderzusetzen.

Beurteilung durch das Preisgericht

FĂŒnf verschieden große giebelstĂ€ndige Baukörper fĂŒgen sich zu einem GebĂ€ude zusammen. Durch deren Staffelung entsteht eine wohltuende MaßstĂ€blichkeit, die zwischen den verschiedenen GrĂ¶ĂŸen der vorhandenen Bauten (historisches BahnhofsgebĂ€ude, Lagerbauten) schön vermitteln. Die integrative Idee, die durch die GebĂ€udeform noch UnterstĂŒtzung findet, wird zum inhaltlichen ĂŒbergeordneten Programm. Trotz dieser ĂŒberzeugenden kontextuellen Haltung zeigt sich das neue Museum als eigenstĂ€ndiger ja sogar eigenwilliger Bau, der durch die kubische Erscheinung und durch das teilweise offene Erdgeschoss seine öffentliche Bedeutung unterstreichen will. Die genaue Lage des Museums wird so ausjustiert, dass im Norden ein großzĂŒgiger Begegnungs-Freiraum (Obstgarten, Garten) entsteht, der es neben der rĂ€umlichen Verbindung auch schafft, mittels einer im GelĂ€nde angelegten barrierefreien Rampe die beiden Höhenniveaus ideal zu verknĂŒpfen. Im sĂŒdlichen Teil der Parzelle, direkt angrenzend an die vorhandene Stellplatzanlage, sind 15 Besucher- und 28 BVAParkplĂ€tze angeordnet. Der kurze und direkte Weg zum BVA-GebĂ€ude ermöglicht eine gut auffindbare Adressierung. Die Gestaltung der Landschaft erfolgt in einer selbstverstĂ€ndlichen und unaufgeregten Art und Weise. Eine mit FundstĂŒcken angereicherte Brache wird entlang der Bahngeleise ins flache Terrain gelegt. Die neuen FreirĂ€ume finden durch ihre parkartige Gestalt eine angemessene Verschmelzung mit dem Bahn- und dem Grenzdurchgangslagerareal. Dem als Rundweg konzipierten Besucherpfad gelingt es die einzelnen Teile (Bahnhof, Bahnbrache, Obstgarten, Garten, Park, Oberleitungsmast, Grenzdurchgangslager) zu einem Ganzen zusammenzufĂŒgen.
Der Eingang zum Besucherzentrum erfolgt weder in der Mitte noch an einer Stirnseite, sondern vielmehr im, von SĂŒden her gesehen, zweiten GebĂ€udetrakt. Diese auf den ersten Blick nicht plausibel erscheinende Lage begrĂŒndet sich bei genauer Betrachtung durch den hangseitig noch in der Ebene gelegenen Platz. Dieser soll als VerlĂ€ngerung von Eingangsfoyer und Cafeteria verstanden werden und an sonniger Stelle eine BegegnungsflĂ€che fĂŒr das Außen-Kaffee anbieten.
Durch die nördlich vom Haupteingang sich befindenden Nutzungen (Infrastruktur, Administration) kann die Idee des transparenten Erdgeschosses, welches die verschiedenen Welten durch den Museumsbau visuell und programmatisch zusammenbringen soll, nur sehr beschrĂ€nkt einlösen, denn einzig dem Foyer und der Bibliothek gelingt es durch ihre offene Raumtypologie vermittelnd zu agieren. Die AusstellungsflĂ€chen, die zusammen mit den DepotrĂ€umen im ersten und zweiten Obergeschoss angeordnet sind, ermöglichen durch die Lage der vertikalen Erschließungen, den beiden zweigeschossigen LuftrĂ€umen, den punktuellen Öffnungen in den Fassaden und vor allem auch durch ihre rĂ€umliche und geometrische Struktur eine sehr attraktive, flexible und vielfĂ€ltige aber durch die Mehrgeschossigkeit auch anspruchsvolle Grundlage fĂŒr die Szenografen wie auch fĂŒr den Besucher. Die Bereiche 1-4 sind unabhĂ€ngig voneinander und gleichermaßen in beliebiger Reihenfolge zugĂ€nglich. Eine separate Zugangs-kontrolle zur Wechselausstellung ist möglich. Die Belichtung der RĂ€ume erfolgt ĂŒber wenig Naturlicht (Fenster) und viel Kunstlicht (Beleuchtungskörper). Der in den Bildern dargestellte atmosphĂ€rische Ausdruck der AusstellungsrĂ€ume erhĂ€lt durch die gewĂ€hlten Farben, Materialien, GlasbrĂŒstungen und GlaswĂ€nden eine sehr aseptisch wirkende Stimmung. Im Kontrast zum vollstĂ€ndig verglasten Erdgeschoss, sind die beiden Obergeschosse und die geneigten DachflĂ€chen in einem Aluminium-Trapezblech-Kleid verhĂŒllt. Dem Material gelingt trotz einem industriellen und ortsfremden Charakter ĂŒber die reflektierende OberflĂ€che eine ortsspezifische Versöhnung. Durch den Glanz der OberflĂ€che verĂ€ndert sich das GebĂ€ude stĂ€ndig. Je nach Tageszeit und Witterung reflektiert die Fassade die rauhe Landschaft in immer einer anderen LichtintensitĂ€t und Farbe. Die Umgebung wird Teil des GebĂ€udes und umgekehrt das GebĂ€ude Teil der Umgebung. Das scheinbar nicht EinfĂŒgbare fĂŒgt sich wahrnehmbar ein.
Die Gliederung in 5 HĂ€user strukturiert den Innenraum und schafft profilierte AusstellungsflĂ€chen mit unterschiedlichen Kubaturen. Damit kann auf zusĂ€tzliche strukturierende ZwischenwĂ€nde weitgehend verzichtet werden. Dies verleiht den RĂ€umen eine Ungezwungenheit und einen klaren Fluss. Die minimalistische Ausstellungsarchitektur nimmt sich insgesamt zurĂŒck und stellt die Exponate und Informationen in den Vordergrund.
Die vorgeschlagenen Ausstellungselemente reagieren auf die Kubatur und ermöglichen somit vielschichtige Blickbeziehungen und Perspektiven, in die auch gerichtetes Tageslicht einbezogen wird. Eine gute WegfĂŒhrung verbindet die Themen 1 und 3-4 zum Rundgang, ein vierter Bereich hingegen befindet sich in einem gefangenen Raum. Dies ermöglicht es, Themen stĂ€rker zu choreografieren.
FĂŒr die Szenografie gĂ€lte es, interaktive Elemente zugunsten von partizipativen zu reduzieren.
Nahezu alle Rahmenbedingungen sind eingehalten worden. Die wenigen Abweichungen bzw. VerstĂ¶ĂŸe werden von der VorprĂŒfung bzw. vom Preisgericht als unkritisch angesehen. Die kompakte Form und die einfache GebĂ€udestruktur lĂ€sst eine gute Wirtschaftlichkeit vermuten.

Zusammenfassend darf festgehalten werden, dass der Projektvorschlag einen interessanten Beitrag zur gestellten Aufgabe leistet. Die ortsbaulichen, architektonischen und funktionalen QualitĂ€ten bleiben unbestrittenen, der Ausdruck des Museums vor allem im Innern wie zum Teil auch im Äußeren ist jedoch umstritten.