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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2018

Umbau Grundschule und Neubau Bürgerzentrum Hegermühle in Strausberg

Perspektive Bürgerzentrum

Perspektive Bürgerzentrum

Engere Wahl

Winkelmüller Architekten GmbH

Architektur

iwb Ingenieure

Architektur

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Der Stadtteil Hegermühle als späte Stadterweiterung hat eine eigenständige Haltung zur Landschaft, vor allem zum Wald. Mit der Platzierung der geöffneten Wohnringe und dem Erhalt von Waldstrukturen in den riesigen Höfen scheint die Bebauung die vorhandene Landschaft zu überlagern ohne sie zu zerstören. Der Wald bleibt Teil des Gefüges, der Atmosphäre, der Identität. Das neue Bürgerzentrum liegt ganz in dieser Denkart eingebettet in einem Waldgarten mit Kiefern und Kirschen. Es bildet den Mittelpunkt eines Campus im Wald. Einer freien Komposition von Stadtbausteinen, die einen räumlichen Ausdruck findet für die funktionalen Beziehungen dieser Bausteine zueinander.

Die städtebauliche Struktur
Das Bürgerzentrum mit dem Campus bildet den funktionalen wie auch den ideellen Schwerpunkt des Stadtteils, ohne auf klassische, zentrumstypische Raumgefüge zurückzugreifen. Stadt wird hier als offenes kompositorisches Ensemble verstanden, das von Freiraum und Landschaft durchwoben ist. Das merkantile Zentrum mit den Verbrauchermärkten wird mit den Funktionen Bildung, Sport und Gemeinschaft in einer Art Campus verbunden. Mit dem Rückbau der Sporthalle kann der Campus auf eindeutige Weise an den S-Bahnhof angebunden werden und gleichzeitig wirkt nun die Kulisse des Waldes in die Sichtachse der Straße hinein.
Die Stadtbausteine Schule, Sporthalle und Sportfelder sowie das Bürgerzentrum werden in freier orthogonaler Weise angeordnet, die den funktionalen Zusammenhängen Ausdruck verleiht:
- Die Schulerweiterung und Hort als Ergänzung des Bestandes zu einem nach Süden geöffneten Ensemble mit ausgeprägter Adressbildung zur namensgebenden Straße Am Annatal; der Sportcampus der Schule ist dem Ensemble eindeutig im Osten zugeordnet. Die Definition eines geschlossenen Schulcampus ist damit in einer einfachen und klaren Figur möglich.
- Das Bürgerzentrum als Atriumhaus im Kieferngarten an der Straße Am Herrensee und damit an der stark frequentierten Achse zum S-Bahnhof; Das Atrium bietet Raum für soziale Dichte, für städtisches Leben und die Begegnung im Quartier. Es öffnet sich im Erdgeschoss großzügig zum Straßenraum aber auch zu den inneren Campusstrukturen wie dem Zugang zu Sporthalle, zur Schule und zur fußläufigen „Marktachse“ nach Westen.
- Die Sporthalle bildet den Abschluss dieser Achse und liegt ihrer Nutzung entsprechend an der Schnittstelle zwischen Schulcampus und den öffentlichen Bereichen mit dem Bürgerzentrum und den neuen Stellplatzanlagen.
- Der Zugang zum S-Bahnhof im Norden wird freigeräumt: Der Straßenraum Am Herrensee wird in einer Freiraumachse überführt, die den Waldblick ermöglicht und inszeniert. Die nördlich anschließenden Freiräume werden auf angemessene Weise geöffnet. Der Hauptstellplatz dient dem S-Bahnhof (P+R), dem Bürgerzentrum, der Sporthalle sowie der Schule.
- Als übergeordnete Freiraumverbindung wird ein kombinierter Fuß- und Fahrradweg am Böschungsfuß der S-Bahn vorgeschlagen.

Die Architektur
Das Bürgerzentrum als flaches Atriumhaus gliedert sich in die drei Bausteine Bibliothek, Beratungs- und Verwaltungsbereich und Jugendclub die - im äußeren Ring positioniert - das gedankliche Fundament bilden und vom gemeinsamen Atrium aus betreten werden. Die kommunikative Mitte dient der ebenerdigen Erschließung und belebt durch großzügige visuelle Verknüpfungen. Der flexible Umgang mit Raumtiefen und Raumgefügen inszeniert jeden Baustein als eigenständiges Segment, das gemessen an den vielfältigen funktionalen Anforderungen, den typologischen Grundstein bildet.
Die Außenwirkung ist geprägt durch eine differenzierte Abfolge von offenen und geschlossenen Fassadenbereichen. Das Dach als Kontinuum bindet die Bausteine über die Zugänge zum Patio hinweg zusammen. Im Inneren öffnet sich das Atrium zu allen Seiten hin; großflächige transparente Fassaden erlauben Einblicke und fördern den Kontakt.

Die Schulerweiterung und der Hort beziehen sich direkt auf das bestehende Schulgebäude und adaptieren dessen Strukturen. Durch sensible Fügung von Baukörpern wird der ehemalige Typenbau weitergedacht und, gemessen an den heutigen Anforderungen an den Schulbetrieb, schließlich vollendet. Respektvoller Umgang mit dem Bestand aber auch das ‚Aufbrechen’ von Achsen und dem ‚Auffüllen’ der Kubatur lässt schließlich ein Ensemble entstehen, das sich behutsam in das Stadtbild integriert und funktional vielfältige Möglichkeiten bietet. Der ehemalige Haupteingang bleibt erhalten und wird durch einen offenen, lichtdurchfluteten Eingangsbereich aufgewertet. Eine repräsentative Treppe ermöglicht die vertikale Erschließung. Die ursprünglichen Funktionen innerhalb der Mittelachse werden zurück gebaut und innerhalb des Gesamtkonzeptes neu organsiert, dadurch entsteht eine ganzheitliche Erschließungszone, die Bestand und Anbau verbindet und ausreichend Raum für die steigenden Schülerzahlen bietet. Das ehemalige Schulgebäude wird programmatisch dem Schulbetrieb mit Klassen-/Unterrichtsräumen vorbehalten. Daran anknüpfend befinden sich im angrenzenden zweigeschossigen Eckgebäude die Räumlichkeiten, die sowohl von Schule als auch Hort genutzt werden. Der südlich gelegene Baukörper, mit direkter Anbindung im Obergeschoss, beherbergt den Hort mit flexibel einsetzbaren Gruppenräumen sowie dem päd. Bereich. An prominenter Stelle im Erdgeschoss gelegen befindet sich schließlich der Hauptraum mit zuschaltbarem Nebenraum. Die Lage und die offene Gestaltung begünstigt den Austausch mit der Stadt und ermöglicht Einblicke in den täglichen Schulbetrieb z.B. während des Mensabetriebs aber auch abendlichen Schulveranstaltungen. Die Neubauten sind barrierefrei gestaltet, gleichwohl werden für den Bestand die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um auch hier die Barrierefreiheit herzustellen.

Schulgebäude und Bürgerzentrum als Teil des Campus im Wald verbindet eine einheitliche Fassadenmaterialität. Helle pastellfarbene Klinker- und Natursteinflächen fügen sich wie selbstverständlich in die natürliche Umgebung ein. Die Neubauten werden in Passivhausstandard errichtet, ebenso wird die Außenhülle des Bestands umfangreich Sanierungsmaßnahmen unterzogen um den energetischen Standard zu gewährleisten. Durch die kompakte Kubatur (A/V-Verhältnis) wird die Energieeffizienz der Gebäude weiter gesteigert. Ein außenliegender Sonnenschutz vermeidet übermäßigen Hitzeeintrag und gewährleistet zugleich eine Tageslichtlenkung zur optimalen Ausleuchtung der Räume. Analog zu den Gebäuden Schule trägt das Dach des Bürgerzentrums als 5. Fassade eine Verantwortung gegenüber dem Stadtbild. Durch den Einsatz einer ausgewogenen Dachbegrünung, die ebenfalls als Regenretentionsfläche dient, kommt sie dieser Verantwortung in vollem Umfang nach und bringt gleichwohl energetische Vorteile.
Die Errichtung des Ensembles erfolgt in Bauphasen und muss zum Teil im laufendem Schulbetrieb erfolgen. In einem ersten Schritt sollte zunächst der geplante Anbau errichtet werden, so dass nach Fertigstellung der Schulbetrieb in den Anbau verlegt werden kann. In Abhängigkeit des Raumprogramms kann mit den (Brandschutz-)Sanierungsmaßnahmen im westlichen Gebäudeteil begonnen werden, so dass der östliche Flügel weiterhin für die Schule nutzbar ist. Nach Abschluss der Arbeiten kann im sanierten Bereich wieder der Schulbetrieb aufgenommen und der östliche Teil saniert werden. Durch die Lage der geplanten Gebäudezugänge bleibt die Schulorganisation weiterhin gewährleistet, da separate Erschließungen mögliche sind. Schließlich kann nach Beendigung der (Brandschutz-)Sanierungsmaßnahmen der Schul- und Hortbetrieb wieder wie vorgesehen aufgenommen werden. Bürgerzentrum und Sporthalle fungieren hierbei als losgelöste Bestandteile und können unabhängig hiervon umgesetzt werden. Die Lage der künftigen Sporthalle ermöglicht es, dass nicht auf gedeckte Sportflächen verzichtet werden muss, da in einem ersten Schritt die neue Halle errichtet werden kann, bevor in einem zweiten Schritt die alte Halle zurück gebaut wird.
Bedingt durch die zeitliche Abfolge der Bauphasen, aber auch den respektvollen Umgang mit dem Bestand, ist grundsätzlich die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens gesichert. Bis auf die notwendigen Sanierungsmaßnahmen der Außenhülle bleiben innere Strukturen, im Besonderen tragende Elemente, weitestgehend erhalten.

Der Freiraum
Die Gelegenheit soll genutzt werden, für den Campus eine übergreifende gestalterische Haltung zu entwickeln - ein konsistentes Bild mit einer starken eigenen Identität. Formal wird die städtebauliche Idee der orthogonalen Komposition in eine teppichartige Struktur aus Wegen, Plätzen und Inseln überführt. Freiraum und Gebäude werden damit zu einer ganzheitlichen Komposition zusammengeführt. In einem übergeordneten Materialkonzept werden einfache mit hochwertigen Materialien kombiniert (Asphalt und dunkler Granit für die Plätze), Sondersituationen werden mit Sondermaterialien zwischen Kunststoff und Mulch akzentuiert. Räumlich überlagert wird diese Struktur von frei, landschaftlich angeordneten Solitären und Gruppen von hochstämmigen Kiefern, Eichen und japanischen Kirschen. Folgende Teilbereiche werden innerhalb des Gesamtensembles ablesbar:
- Das Bürgerforum: Der zentrale öffentliche Raum ist das Atrium des Bürgerzentrums als hochwertige Platzfläche mit hochstämmigen Solitärkiefern.
- Der Waldgarten als verbindender zentraler Freiraum um das Bürgerzentrum mit Sitzplätzen, kleinteiligen Spiel- oder Fitnessangeboten entlang der Wege und zurückhaltender Bepflanzung mit Gräsern und Schattenstauden,
- Der Platz am Ambulatorium mit einer Erhöhung des grünen Anteils an der fensterlosen Westseite könnte als ein „Platz der Jugend“ mit Lümmel-, Spiel- und Skateangeboten entstehen;
- Der Schulcampus mit robusten, strapazierfähigen Hofflächen mit großzügigen Spielinseln aufseiten des Sportcampus. Er ist so in das Erschließungsgerüst eingebunden, dass der Schulbereich sowohl abgeschlossen als auch als offener Campus funktioniert.
- Der Sportcampus mit Kombinationsspielfeld und zwei Kleinspielfeldern aus farbigen Kunststoffbelägen. Ein Bolzplatz auf der Sporthalle könnte das Angebot abrunden. Die Sportflächen sind gegenüber Schulcampus und Bahnböschung eingesenkt und sind so in eine natürliche Tribünensituation eingebettet;
- Der Gemeinschaftsgarten verbleibt in seiner Lage Am Annatal, wiederum als Senkgarten. Er wird in der Wahrnehmbarkeit verbessert, erhält ein einfaches Erschließungsgerüst und neue Rampen und Treppenzugänge.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit intendiert, in der Setzung mit 3 Solitären, Bürgerzentrum, Sporthalle und Schule, einen „Campus" mit angemessenem Raum- und Funktionsgewebe zu generieren.

Die Freiraumgestaltung soll ein Netz aus verschiedenen Freizeitfunktionen für jedes Alter bieten und Bewegung choreographieren. Insgesamt wirkt es jedoch überambitioniert. Die labyrinthische Wegeführung wirkt kleinteilig und der Anteil von Bäumen zu nutzbarer Fläche erscheint überdimensioniert.

Positiv bewertet werden die beiden Nord-Süd Verbindungen für Fußgänger als auch gesondert konzipiert für Fahrradfahrer. Die Ost-West-Mittelachse hat nicht das Potential, einen unmittelbaren weiteren S-Bahn- Zugang zu ermöglichen, sondern kollidiert mit einer Ecke des Sporthallenvorplatzes. Die Konzentration der Parkplätze am nördlichen S-Bahn-Zugang wird kontrovers diskutiert, befreit jedoch andere Freiflächen von dieser Nutzung.

Durch die gestaffelte Anordnung von Sporthalle und Bürgerzentrum an der Straße Am Herrensee sind beide Veranstaltungsorte bereits vom nördlichen S- Bahn Aufgang aus präsent. Das Bürgerzentrum besetzt richtigerweise den präganten Standort an der Straße Am Herrensee und bildet ein typologisch interessantes Entree auf den sogenannten Campus. Das Gebäude ist mit seinem großen öffentlichen Atrium transitorisch angelegt und adressiert sich in seiner Transparenz mit seinen drei großen Öffnungen zur Schule, zur Sporthalle und zum Wohngebiet. Die Ambivalenz des öffentlichen Raumes im Gebäude versus dem umgebenden Außenraum wird seitens der Jury unterschiedlich bewertet. Aus der Perspektive wirkt die architektonische Anmutung steril und atmosphärisch noch nicht gelungen.

An der Schule wird das Verhältnis von Gebäudefassung zu Pausenraum kritisch gesehen. Der innere Pausenraum erscheint zu eng und zu klein, die Zweiteilung von Pausenraum und Hortspielflächen jedoch generell sinnvoll. Die Zuordnung von Hort- zu Schulflächen ist angemessen, die inneren Erschließungsflächen sind großzügig dimensioniert. Die Arbeit hat die in der Auslobung angegebenen Flächen für einzelne Nutzungen teilweise deutlich überschritten.

Die Sporthalle fügt sich in die topografische Senke. Die Anbindungen für die unterschiedlichen Nutzer der Sporthalle, vor allem für die Schüler erscheint wohlüberlegt. Die räumliche Nähe von Schule zu Sporthalle und die Anordnung von Umkleiden zu Sportaußenflächen ist ergonomisch und kann territorial eindeutig zugeordnet werden. Die Sporthalle soll als zusätzlichen Attraktor und öffentliches Angebot einen Bolzplatz auf dem Dach erhalten.

Insgesamt bietet die Arbeit ein durchdachtes und transitorisches Angebot von Innen- und Außenräumen mit Offenheit und Potential zur Bespielung aller Nutzergruppen am Quartier Hegermühle, jedoch löst die angebotene Anmutung der architektonischen Erscheinung die Erwartungen an den neuen Ort nicht umfassend ein.
Lageplan

Lageplan

Grundriss EG

Grundriss EG

Schnitte

Schnitte

Ansichten Bürgerzentrum

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Ansichten Schule

Ansichten Schule