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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2018

Campus Klinik Arlesheim: Ersatzneubau Haus Wegman

1. Rang / 1. Preis

Preisgeld: 60.000 CHF

Metron AG

Architektur

kopvol - architecture & psychology

Architektur

David & von Arx Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Meierhans + Partner AG

TGA-Fachplanung

WMM Ingenieure AG

Bauingenieurwesen

HEFTI. HESS. MARTIGNONI. Holding AG

Architektur, Bauingenieurwesen

Gemperle Kussmann

TGA-Fachplanung

Ruth Maria Obrist

Kunst

Beurteilung durch das Preisgericht

Durch das Preisgericht für die Projektierung und Ausführung empfohlen.

Städtebau
Mit der Gliederung des Baukörpers und der Einbettung in die Topographie reagiert der Entwurf auf die umliegenden Bauten und die Parklandschaft. Die Setzung erlaubt eine klare Adressbildung am Stollenrain – es gelingt den Verfassern den Eingangsbereich
mit einfachen räumlichen Mitteln des Versatzes, der Oberflächenmaterialisierung und der Geländemodellierung sowie der architektonischen Ausbildung der Fassade, die über dem Eingang als einzige Ausnahme voll verglast ist, eine Wegführung in die Tiefe
des Parkes zum Haupteingang zu schaffen. Damit wird ein angemessener Vorraum auf der Ebene des Stollenrains geschaffen, der einerseits dem Ankommen dient, und andererseits eine sinnvolle Vorfahrt für Taxi- und Patiententransporte schafft.
Die Weiterführung dieses Konzeptes in der nachfolgenden zweiten Phase ist logisch, angemessen und vervollständigt erst mit dieser Etappe die typologische Absicht der Gesamtanlage.

Architektur und Identität
Der Baukörper erhält eine durchgehende Traufhöhe, die bei zwei sich abzeichnenden Volumen durch das auskragende und heruntergezogene Titanzinkdach gebildet wird und beim Mittelrisaliten durch eine kleine Höhendifferenzierung unterbrochen ist.
Die Fassaden sind sorgfältig rhythmisiert. Durch die, mit Ausnahme des Mittelrisalits, zurückhaltende Materialisierung in Holzelementen und Glas wirken sie additiv und erfahren trotz den Balkonen wenig Plastizität. Entlang der Wegführung zum Eingang hin ist ein Sockel angedeutet, dessen Materialisierung durch zweifarbig gestrichene dreieckige Holzelemente mit dahinterliegenden Fenstern auf das Eintreten vorbereitet.
Materialisierung und Stimmung kann dabei noch nicht überzeugen. Sowohl in der städtebaulichen Setzung, wie im architektonischen Ausdruck bleibt damit eine gewisse Unentschiedenheit, ob ein grosser gegliederter Baukörper oder drei sich überlagernde
Baukörper mit Höfen entwickelt wird. Eine Präzisierung und typologische Klärung würde das Potential stärken, die plastische Gestaltungsidee konsequenter Richtung anthroposophischer Identitätsbindung der Klinik umzusetzen. Das Restaurant, das Konferenzzentrum und die Schulungsräume, die Gärtnerei mit Nutzgarten, das Heilmittellabor im Pfeffingerhof, die Villa Hirslandweg, für welche die Verfasser eine Nutzung für internationale Wissenschaftler als Gästehaus oder als klinisch-therapeutisches Forschungsinstitut vorschlagen hat, bilden auf Parkniveau
einen forschenden sowie versorgenden Campus. Die Materialisierung, die orange Farbe, die Möblierung und die Behandlung des Tageslichtes verweisen auf Interaktionen,

Lebendigkeit und eine öffentliche Nutzung.
Im Eingangsgeschoss sind Klärung, Konfrontation und Steuerung funktional im Vordergrund. Unterstützt durch eine einfache Durchwegung und Farben
wie grün und lachsrosa lassen neben kurzen Wegen eine ansprechende Orientierung in der Permanence und der Radiologie erwarten. Die Tageslichtnutzung
in diesem Bereich ist ungenügend.

Funktionalität
Die klare und frühzeitige Entflechtung des Langsamverkehrs, des MIV’s und des Anlieferungsverkehrs ist ein guter Ansatz für die weitere Entwicklung. Durch die Erschliessung der Tiefgarage mit einer Spiralrampe entsteht vor dem Pfeffingerhof ein Raumteiler, der folgerichtig eine Zonierung vor dem Eingang zur Apotheke schafft und ordnungsbildend ist. Die präzise Verortung ist hinsichtlich Vorfahrt und Kurzzeitparkplätzen beim Pfeffingerhof zu überprüfen.
Die Ver- und Entsorgung geschieht über einen Wirtschaftshof, der für die Logistik gut platziert ist. Die Schaffung dieses „Umschlagplatzes“ ist allerdings
aufwändig. Die Eingangshalle ist sorgfältig proportioniert und erlaubt mit dem zweigeschossigen Luftraum über der Cafeteria Sichtbeziehungen zum Park und eine
gute übersichtliche Orientierung. Das Herz bildet eine zentrale skulpturale Treppe, welche die funktionalen Welten der Klinik qualitätsvoll verbindet. Sie erlaubt dem Patienten eine gute Wegführung: Patienten haben bei jeder Wegkreuzung nur zwei
Wahlmöglichkeiten, offene Sichtverbindungen erschliessen die Zielrichtung und alle Gänge und Plätze haben direkten Kontakt zur Aussenwelt. Entsprechend
der Aufenthaltsdauer der Patienten werden die Geschosse atmosphärisch sorgfältig nach
oben entwickelt.

Therapiebereich
Im 1. Obergeschoss liegt zentral die Therapie, die Tagesklinik und die ambulante Onkologie; atmosphärisch in roter Farbe wird das Bedürfnis nach Aktivierung, Aktion und Rehabilitation auch räumlich umgesetzt. Die Raumfolge im Therapiebereich, die sich auch über das zweite Geschoss ausdehnt, vom offenen Empfang zum sozial gestalteten Warteraum zu den Gruppenräumen, den einzelnen Therapieräumen und schliesslich den Ruheräumen, ist in Bezug auf Geräusch- und Geruchskulisse gut konzipiert. Das
ausgesprochen überzeugende Gesamtkonzept, welches den Patienten in seinem Heilungswunsch und seinem Genesungsverlauf gut abbildet, ist für
Therapien geeignet, aufgeräumt und praktisch, womöglich schön. Die nicht ganz abgeschlossene Physiotherapiesituation stellt eine Umstellung für das
Team dar. Das oberste Geschoss ist nach den Bedürfnissen der Ruhe und der Kontemplation ausgerichtet. Es beinhaltet die stationären Bettenstationen, deren
gleichwertige Zimmer sich gut zu identifizierbaren Stationen lokalisieren lassen, aber gleichzeitig hohe Floating-Qualitäten ausweisen.

Pflegebereich
Die Patientenzimmer sind sorgfältig entwickelt und lassen auch bei einer Doppelbelegung eine patientengerechte Privatheit zu. Die Dreiteilung, welche das Ankommen, die Lebenswelt des Patienten und die Privatzone in drei sorgfältig proportionierte Raumzonen gliedert, sowie auch die Nischen und die durch die Ausbildung des Balkons erzeugte
Raumschicht, unterstützen das Hüllende, Schützende und Sicherheitsgebende. Die ausschliesslich im Dachgeschoss liegenden Zimmer, werden durch ein
Oblicht unterstützt, welches die Himmelsfarben einfängt. Sie ermöglichen das Loslassen und fördern das Wiedererlangen eines Rhythmus. Die Oblichter
müssen aber in Bezug auf Blendwirkung, Konstruktion und Kosten hinterfragt werden.
Nicht befriedigen kann die Ausbildung des Daches bzw. des Dachrandes, das insbesondere für die Phase der Gesundung, bei der eher die „Aufrichtekräfte“,
die Ich-Qualitäten gefragt sind, störend ist. Das Dach wird mit weiter Auskragung über die
Balkonzone formal wie im Innenraum nach Aussen abgesenkt und verweist damit fast ausschliesslich nach Innen. In der Sichtbeziehung wird primär die Dachuntersicht und die scharfe Kante wahrgenommen, statt mit einer nach oben offenen Form eine Öffnung nach Aussen und die Weitsicht erfahren zu können.

Anthroposophische Betrachtung
Die vorbildliche Gestaltung der Patientenzimmer berücksichtigt die Patientenbedürfnisse, die Lichtführung und das Naturbedürfnis. In den Bewegungszonen gehen die architektonischen Reize und die Orientierung auf die Bedürfnisse Kranker und Genesender ein. Die Materialisierung zeigt, dass die Qualitäten des Hüllenden berücksichtigt werden. Die Formgebung des Gesamtgebäudes wirkt seelisch
spannend und angenehm, was in der Bewegungsführung im Gebäude beispielsweise durch die Eingangshalle und die Treppengestaltung aufgenommen wird.
Die Fassade zeigt Elemente von Rhythmisierung und Gestaltung, welche über das (monotone) Taktmässige hinausgeht. Eine identitäts-, ausstrahlungs- und
orientierungsgebende Gestaltung ist jedoch nicht vorhanden. Aufrichtendes ist ansatzweise im leicht differenzierten mittleren Baukörper angedeutet, welcher
etwas vorgeschoben und höher ist. Das Projekt zeigt eine tiefe und feine Durchdringung
der Einzelelemente, die sensibel der Aufgabe, dem Gelände, den Patienten usw. „abgelauscht“ sind. Die Verfasser schaffen Zwischenräume, Übergänge
und damit wohltuende Situationen. Der Übergang der Zimmer zur Aussenwelt, die Situation zwischen Eingang, Restaurant, Treppenhaus und dem „Dazwischenliegen“
des Treppenhauses in den horizontalen Ebenen stehen beispielhaft für diese positiv
wahrgenommene Durchdringung. Dieser durchziehende und formale Grundgedanke dürfte sich noch viel wacher, bewusster und prägnanter in der Grossform
und in der Fassadengliederung zeigen. Man wünscht sich förmlich, dass diese an vielen Stellen schon fein erlebbare innere Abstimmung den gesamten
Entwurf durchzieht. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit Der Nutzflächenbedarf ist gegenüber dem Programmum 1‘490 m2 grösser. Dies, weil die Verfasser bewusst die Patientenzimmer durch Nische und höherer Tiefe vergrössert und Reserven bei Untersuchungs-, Behandlungs- und Therapieräumen eingeplant haben. Auch der Entscheid, möglichst wenig Aussenparkplätze zu Gunsten der Grünfläche
zu machen, verlangt neben den enormen Technikflächen nach zusätzlicher Nutzfläche im Untergeschoss. Der Pflegeschutzraum im 3. Untergeschoss ist zu aufwändig. Die Zielkosten, in Bezug auf die Investition, können damit nicht erreicht werden. Andererseits
lässt die konsequente Umsetzung der Nachhaltigkeit, einfache Materialien, Systemtrennung und Energieerzeugung tiefe Unterhalts-, Erhalts- und Betriebskosten erwarten. Die Minergie-P-Anforderung sind erfüllt, dank der Hybridbauweise und
der hohen Effizienz (Nutzfläche zu Geschossfläche) weist das Projekt zudem eine tiefe graue Energie auf. Optimierungsbedarf liegt vor allem bei der Einflussnahmemöglichkeit des Nutzers (bedarfsgerechte Lüftung) und der Aussenraumqualität (keine
Terrassen für Patienten, „nur“ Balkone).

Aussenraum
Der Ost-West orientierte Bau spielt einen grosszügigen Park Richtung Süden frei. Die Adressbildung am Stollenrain wird klar formuliert, die verschiedenen Erschliessungsarten sind gut gegliedert. Das Erscheinungsbild der Klinik im Quartier wird vom
ortsspezifischen Grün geprägt; vom Stollenrain her als grosszügiger Blick in den Park und vom Hirslandweg her, als gegliederte Gärten. Ein sicherer Fussweg vom Haupteingang zum Hirslandweg fehlt. Das Projekt bearbeitet die Topographie, um möglichst
starke Synergien zwischen dem Innen- und dem Aussenraum zu ermöglichen. Die hohen Mauern und die topographischen Kanten brechen mit dem heutigen gestalterischen Umgang der Topographie. Sinnvoll eingesetzt fügen sie der gebauten
Landschaft an diesem sensiblen Ort eine neue Leseart hinzu. Die vielfältig begrünten Freiräume sind abwechslungsreich erlebbar; sie bieten Bewegung,
Aufenthalt, Therapiegärten sowie Rückzugsorte. Die heutigen Wege werden sinnvoll und selbstverständlich fortgesetzt und an die neuen Orte angepasst.
Der grosse Parkraum erlaubt den Bäumen, als wesentlicher Bestandteil der Kraft des Ortes, ihr volles und mächtiges Erscheinungsbild zu erreichen. Die
Setzung der Pflanzen folgt klaren räumlichen Absichten wie beispielsweise das Verdichten der Ränder mit bewusst gelegten Blickachsen. Die Pflanzenvielfalt verheisst ein abwechslungsreiches Erleben der Natur und ihrer heilenden Wirkung.

Gesamtwürdigung
Den Verfassern gelingt ein in vielen Aspekten überzeugender Entwurf; er ist geprägt durch präzise Beziehungen von Innen nach Aussen und einem inneren vertikalen Aufbau, der einem nachvollziehbaren architekturpsychologischen Konzept folgt und bei
dem die Patienten als körperlich leibliche, seelische und geistige Wesen umfassend angesprochen werden. Durch das einfache und klare Erschliessungskonzept
führt die Architektur selbst Patienten, Mitarbeiterinnen und Lieferanten sowohl Aussen wie im Inneren an ihre Orte. Park- und Gartenlandschaft sind gut zoniert und strukturiert und versprechen trotz der noch zu schematischen Bearbeitung einen hohen therapeutischen, erholungsorientierten und heilmittelpflanzlichen Nutzwert. Vermisst wird der Mut zum Anderssein und die eineindeutige Gestaltungskraft von Plastizität und architektonischem
Ausdruck für die Identität der Klinik Arlesheim. Die hohen Qualitäten des Entwurfs
vermögen in der Gesamtbeurteilung das Mass der Überschreitung der Zielkosten nicht wett zu machen.