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Mehrfachbeauftragung | 09/2017

Hohenstange - Calwer Straße

Gewinner

WICK + PARTNER ARCHITEKTEN STADTPLANER PARTNERSCHAFT mbB

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Leitidee
Ziel der Neuentwicklung an der Stuttgarter und Calwer Straße in Tamm ist es, Flächen für eine attraktive Wohnnutzung am Ortsrand zu gewinnen. Die bestehende Trasse der Bodenseewasserleitung wird in das Konzept miteingebunden und kann in ihrem Verlauf erhalten werden. Die Kosten für die Verlegung sind damit hinfällig. Das Gebiet gliedert sich in zwei Teilbereiche, die jeweils eine eigene Erschließung aufweisen. Verknüpft sind die Teilbereiche über den historischen Holzweg. Dieser wird erhalten und in das Grün- und Freiraumkonzept miteingebunden.

Baustruktur
Die städtebauliche Struktur ist geprägt von differenzierten Bauweisen, darunter Geschosswohnungsbauten, Punkthäuser, freistehende Einfamilienhäuser, Doppelhäuser und Reihenhäuser
Im östlichen Teilbereich werden Geschosswohnungsbauten entlang der unbebaubaren Zone der Bodenseewasserleitung aufgereiht. Die nicht bebaubare Zone wird für die Parkierung und die privaten Gärten der Bewohner genutzt. Durch die ebenerdige Parkierung, den Verzicht auf Keller und die im Zugang über eine äußere Erschließung vom Baukörper abgelöste und nicht temperierte Erschließung, können diese Gebäude kostengünstig realisiert werden.

Eine weite Typologie des Mehrfamilienhauses sind paarig angeordnete Punkthäuser, die ebenfalls eine nicht temperierte Erschließung mit einem Aufzug für beide Häuser aufweisen. Die Punkthäuser bieten optimale Belichtungsverhältnisse.

Im Bereich der Wohnhöfe sind Doppelhäuser, Reihenhäuser und Punkthäuser um einen kleinen gemeinsamen Wohnhof gruppiert, der Raum für nachbarschaftliche Kontakte bietet. Durch die Mischung verschiedener Hausformen können vielfältige und zeitgemäße Wohnformen realisiert werden. Die Doppel- und Reihenhäuser im westlichen Teilbereich binden an die bestehende Baustruktur der Calwer Straße an.

Am nördlichen Rand des Plangebiets befinden sich Einfamilienhäuser, die den neuen Ortsrand der Gemeinde markieren. Diese sollten gestalterisch einer einheitlichen Typologie entsprechen. Durch die freistehenden Gebäude öffnet sich die Bebauung zur Landschaft hin und es entstehen interessante Grün- und Sichtbezüge in den nördlichen Freiraum. Zwei Punkthäuser markieren den zentralen Zugang des Quartiers zum Holzweg.

Die Grundstücksstruktur des neuen Quartiers ermöglicht eine flexible Anpassung der Bauformen bei gleichzeitiger Beibehaltung der städtebaulichen Struktur. Die Gebäude sind drei- bis viergeschossig und weisen alle ein flaches, begrüntes Dach auf.

Grün – und Freiraumvernetzung
Die Erreichbarkeit und Erlebbarkeit des angrenzenden Freiraums wird durch zahlreiche Wegeverbindungen gewährleistet. Insgesamt sieben Wegeverbindungen durchqueren das Quartier von Süden nach Norden und leiten direkt auf den angrenzenden Holzweg. An dieser Schnittstelle befinden sich kleinere Aufenthaltsmöglichkeiten und Sitzelemente. Der Holzweg an sich wird in seinem Verlauf erhalten und für den landwirtschaftlichen Verkehr frei gehalten. Um die Bedeutung des Weges hervorzuheben ist am östlichen Ende des Weges ein Solitärbaum (Sommer-Linde – Tilia platyphyllos) mit Sitzmöglichkeiten und einem kleinen Platzbereich geplant, der den Beginn des Holzweges darstellt. Hier kann auch ein Info-Schild mit Erläuterungen zur Entstehung von Hohenstange und Informationen zum früheren Zweck des Holzweges angebracht werden. Entlang des Holzweges sind weitere Solitärbäume (Mehlbeere – Sorbus aria) als Baumreihe vorgesehen. Diese befinden sich auf den privaten Grundstücken. Die Baumreihe kann später auch im weiteren Verlauf des Weges nach Nordwesten weitergeführt werden.

Innerhalb des Quartiers wird eine Begrünung durch Straßenbäume (Trauben Kirsche – Prunus padus) erreicht. Die Wendeanlagen sind als Wohnhöfe ausgebildet. Dort spendet jeweils ein Solitärbaum (Tulpenbaum – Liriodentron tulipifera) Schatten und sorgt für eine angenehme Aufenthaltsqualität für die Bewohner.

Erschließung
Die Erschließung für den östlichen Teilbereich des Wohngebiets erfolg über zwei Stichstraßen von der Stuttgarter Straße aus. Die zwei Stichstraßen werde miteinander verbunden. Somit bildet sich eine Schleife aus, die von dem Müllfahrzeug aber auch von den Anliegern bequem befahren werden kann.

Der westliche Teilbereich ist an die Calwer Straße angebunden, verläuft auf dem dort bestehenden Feldweg nach Norden und knickt dann nach Westen ab. Von der Straße gehen jeweils zwei Stichstraßen, ausgebildet als Wohnhöfe, nach Norden und Süden ab. Der südliche Wohnhof am westlichen Ende der Straße ist als Wendeanlage, bemessen für ein 3-achsiges Müllfahrzeug, gestaltet.

Durch die Ausbildung von zwei Teilbereichen, die nur Fußläufig miteinander verbunden sind, wird ein Durchgangsverkehr innerhalb des neuen Quartiers verhindert.

Der ruhende Verkehr der Bewohner wird auf den Grundstücken untergebracht. Pro Wohneinheit werden zwei Stellplätze zur Verfügung gestellt. Bei Einfamilien- und Doppelhäusern erfolgt die Parkierung direkt auf dem Grundstück in Garagen, offenen Stellplätzen oder Carports. Bei Reihenhäusern ist teilweise eine Sammelparkierung auf privaten gemeinschaftlichen Flächen im Bereich der Wohnhöfe vorgesehen. Bei Punkt- und Mehrfamilienhäuser erfolgt die Parkierung in Tiefgaragen.
Eine Besonderheit stellt die Bebauung im östlichen Teilbereich entlang der Stuttgarter Straße dar. Hier können die Autos ebenerdig unter den Gebäuden geparkt werden.

Die Fahrradstellplätze sind bei Mehrfamilienhäusern in der Tiefgarage untergebracht.

Öffentliche Parkplätze befinden sich entlang der Straßen. Im östlichen Teil ist ein größerer öffentlicher Parkplatz mit 14 Parkplätzen vorgesehen.

Ein dichtes Netz an Fuß- und Radwegen bindet den Bestand an und verknüpft das Quartier mit der freien Landschaft im Norden.

Ökologie
Die Regenwasserabführung erfolgt über die Rückhaltung und anschließende Abgabe in den Vorfluter Saubach.
Das anfallende Regenwasser kann auf den Grundstücken in privaten Zisternen gesammelt werden und kann als Brauchwasser genutzt werden. Die Grundstücke sind an offene Mulden angeschlossen, die zwischen den Quartieren, von Süden nach Norden verlaufen. Im Norden enden die Mulden in einer jeweils kleineren Rückhaltefläche, die das Wasser entlang des Holzweges sammeln und schrittweise abgeben. Am Tiefsten Punkt des Plangebiets im Nordwesten ist eine größere Retentionsmulde geplant. Hier sammelt sich das Wasser und wird über einen neuen Kanal an den bestehenden Kanal, der zum Saubach führt, angeschlossen. Die offenen Mulden liegen in öffentlicher Hand. Alternativ kann innerhalb der Siedlungsflächen das Regenwasser aber auch in Regenwasserkanälen gesammelt werden und dem Wassergraben entlang des Holzweges zugeführt werden.

Alle Gebäude sind nach Süden bzw. nach Westen orientiert. Die Gebäude sind so angeordnet, dass sie sich nicht gegenseitig verschatten. Eine Nutzung solarer Energie ist uneingeschränkt möglich. Alle Dächer sind flach und begrünt, was weitere Vorteile für ein positives Regenwassermanagement mit sich bringt. Die Option ein Nahwärmenetz einzurichten besteht.

Realisierung
Das neue Wohnquartier kann problemlos in zwei oder drei Bauabschnitten realisiert werden. Im weiteren knüpft der zweite Bauabschnitt knüpft mit seinen zwei Wohnhöfen an die Erschließungsstraße des ersten Bauabschnitts an. Durch die Mischung der Bautypen innerhalb der Baufelder besteht zu jeder Zeit eine soziale Mischung im Gebiet. Im Osten könnte der dritte Bauabschnitt auch als erster realisiert werden.

Gemeinbedarf
Die neue zweigeschossige Kita ist im östlichen Bereich des Plangebiets, direkt am Freiraum vorgesehen. Dort erhält sie eine eigene Zufahrt von der Stuttgarter Straße aus, wodurch ein Hol- und Bringverkehr ohne Konflikte mit den Anwohnern des neuen Quartiers möglich ist. Die Kita befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Grundschule und der Schulsporthalle Hohenstange.

Östlich der Kita ist der Neubau des Vereinsheims der Musikgemeinschaft Harmonie geplant. Das Gebäude wird in etwa der gleichen Größe wie das Bestandsgebäude am nördlichen Rand der Bodenseewasserleitung errichtet. Die Musikgemeinschaft erhält einen großzügigen Freibereich, auf dem die jährlichen Feste des Vereins stattfinden können. Auf der Zone der Bodenseewasserleitung befinden sich die Stellplätze der Musikgemeinschaft und des Tennisvereins.

Der Spielplatz im Osten des Plangebiets wird im Zuge der Realisierung des Gebiets neu gestaltet. Die in die Jahre gekommenen Spielgeräte werden durch neue, zeitgemäße Spielgeräte ersetzt. Es wird das Konzept eines offenen und gut einsehbaren Spielplatzes verfolgt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Ein wichtiges Beurteilungsmerkmal ist der Umgang mit dem besonderen Standort:
Der Übergang von der bestehenden Baustruktur sowie der Übergang und die Verzahnung mit der freien Landschaft, denn das Planungsgebiet wird endgültig den nördlichen Ortsrand begründen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Abschnittsbildung, außerdem die Verteilung der unterschiedlichen Wohnformen und das Erschließungsprinzip. Danach werden die Entwürfe von den Fachpreisrichtern bewertet und einander gegenübergestellt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Entwurf von KMB mehr durch ein konventionelles Konzept mit einer straßenbegleitenden Bebauung entwickelt wurde, das die vorhandenen Strukturen fortsetzt. Dies führt zu größeren Abschnitten mit gleichen Wohnformen.

Im Gegensatz dazu ist das Konzept von Wick + Partner geprägt durch ein Wohnen in Nachbarschaften und eine Mischung verschiedener Wohnformen, welche um Höfe gruppiert sind. Das hat den Vorteil einer guten sozialen Durchmischung, einer angenehmen Raumbildung in den Höfen mit hoher Aufenthaltsqualität und ermöglicht eine Bauabschnittsbildung mit einem ausgewogenen Verhältnis von Geschosswohnungsbauten und den individuellen Wohnformen. Der Entwurf des Büros KMB sieht bewusst eine klare Raumkante entlang des Holzwegs durch weitgehend geschlossene Bauzeilen vor. Dies wird von der Beurteilungskommission kritisch gesehen. Dagegen schlägt Wick + Partner eine Baustruktur vor, die sich durch eine große Durchlässigkeit in Nord-Süd-Richtung auszeichnet und damit Baugebiet und freie Landschaft optimal miteinander verzahnt. Auch ist dieser Entwurf durch ein sparsames Erschließungskonzept gekennzeichnet, das zu einer geringen Belastung sowie einer guten Raumbildung und damit hohen Wohnqualität führt. Das Konzept reagiert schlüssig auf die vorhandene Bodenseewasserleitung, die beibehalten werden kann. Das Konzept KMB sieht eine Verlegung der Leitung mit dem Vorteil von mehr vermarktbarer Grundstückfläche vor, trifft jedoch keine Aussagen dazu, wie und wohin die Leitung verlegt werden soll. Beide Entwürfe sind durch ein überzeugendes städtebauliches Grünkonzept gekennzeichnet.
Nach ausführlicher Diskussion, bei der auch festgestellt wird, dass sich der Entwurf von Wick + Partner durch ein besonders stabiles Grundkonzept auszeichnet, das eine hohe Flexibilität innerhalb der Quartiere und Wohnformen ermöglicht, beschließt die Beurteilungskommission einstimmig, dem Gemeinderat zu empfehlen, auf der Grundlage dieses Entwurfs die Planung weiter zu beauftragen.