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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2018

Neue Ortsmitte mit Veranstaltungssaal in Wertach

3. Preis

löhle neubauer architekten BDA pmbb

Architektur

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

STÄDTEBAU _ ENTWURF
Die neue Ortsmitte definiert sich mit dem Neubau von Veranstaltungssaal und Gastronomie, der sich an der traditionellen Typologie des Ortes orientiert und diese neu interpretiert.
Ein ruhiger, langgestreckter Baukörper - abgeleitet von der regionalen Scheune - wird zum neuen Identitätsträger bzw. zum kulturellen Herz, dem der Marktplatz westseitig vorgelagert wird.
Höhenentwicklung und Dachform leiten sich aus dem städtebaulichen Kontext ab; die Erschließung von Marktplatz, Saal und der Wirtschaft mit Gaststuben reagiert auf die vorhandenen Fußgänger- und Verkehrsachsen (u.a. St. Ulrich).

Besucher erreichen den Saal über den Marktplatz bzw. einen großzügig überdachten Eingangsbereich. Direkt anschließend liegen Foyer und Saal unter einem offenen Dachtragwerk und können multifunktional als eine gemeinsame Fläche - oder auch getrennt - mit jeweils im Osten und Westen angegliederten Terrassen genutzt werden.
Funktional klar gegliedert werden im Norden, an die öffentliche Nutzung angrenzend, die Bereiche von Catering und Bühne mit entsprechenden Nebenräumen situiert. Eine zweiläufige Treppe bzw. ein Aufzug gewährleisten die Erschließung des Probenbereichs (mit “Schaufenster” zum Platz) sowie der Künstlergarderoben im Obergeschoss.
Die Anlieferung erfolgt jeweils an der platzabgewandten Seite von Norden bzw. Nordosten.
Der Gastronomiebereich mit Gästezimmern im Obergeschoss wird von Südwesten des Platzes erschlossen; dabei wird die Gaststube mit überdachter Terrasse in unmittelbarer Nähe zu den stämmigen Kastanienbäumen verortet.
Das Foyer und der Saal können optional auch von der Küche der Gaststube bewirtschaftet werden. Gaststube und Veranstaltungsbereich teilen sich die Toiletten, die jeweils jedoch auch eine autarke Nutzung ermöglichen.
Über eine kombinierte Bar / Rezeption werden die Gästezimmer im Obergeschoss bedient. Erschlossen wird der Gästezimmerbereich, wo großzügig geschnittene Öffnungen differenzierte Blickbezüge in den Probenraum, ins Foyer und in den Saal ermöglichen, über eine zentrale Treppe mit Aufzug.

MATERIALITÄT
Der unaufgeregte langgezogene Baukörper ordnet sich dem Ortsbild unter ohne volkstümelnd wirken zu wollen. Er nimmt sich in seinem äußeren Erscheinungsbild stark zurück und erfährt seine Kraft durch seine reduzierte Materialität. Eine vertikale Holzverschalung aus Weißtanne bildet die Hülle für Wand und Dach, in die präzise großformatige Öffnungen in Form von Holz-Alu-Pfosten-Riegel-Fassaden eingeschnitten werden .
Im Inneren prägen ein in weiten Teilen durchgängiger heller Boden aus Terrazzo, Dach, Wand- und Deckenbekleidungen und Einbauten aus Weißtanne sowie großzügige Verglasungen das helle und zeitlos freundliche Erscheinungsbild.

LANDSCHAFT
Die neue Mitte der Gemeinde findet auch durch einen lesbaren Platz seinen Ausdruck. Die Marktstraße verliert ihr technisches Straßenprofil. Der neue Stadtboden erstreckt sich von Fassade zu Fassade und bringt alle Gebäude verbindend zusammen an einen Platz.
Das Natursteinpflaster wird als Wildpflaster in lebendiger Melange verlegt. Der Verkehr wird subtil jedoch klar erkennbar durch Einbauten, die gefassten alten Kastanien, die neuen Bäume, Maibaum oder Brunnenblock über den als verkehrsberuhigten Geschäftsbereich ausgewiesenen Platz geführt.
Die erforderlichen Stellplätze werden durch Intarsiensteine markiert. Die freien, südlichen Platzbereiche sind flexibel bespielbar und können so je nach Bedarf für Veranstaltungen, Buden, Gastronomie oder sogar erweiterte Parkbereiche genutzt werden.
Der Saal ist voll umfahrbar und weist auf der Westseite auf den steinernen Platz sowie auf die Ostseite zu den Obst- und Bauerngärten großzügig Vorflächen mit jeweils individuellen Bildern auf.

TRAGWERK
Das Gebäude ist im Wesentlichen aus Holz konzipiert. Das Dach hat eine Satteldachform und spannt über dem Saal stützenfrei. Dies wird durch Fachwerkträger aus Brettschichtholz-querschnitten ermöglicht. Das Raster beträgt 2,50 m. Um die Saal- und Foyerfassade stützenfrei halten zu können, wird ebenfalls ein Fachwerkträger eingesetzt, der die Lasten aus dem Dach aufnimmt. Es steht genügend Höhe zur Verfügung, so dass die Lastabtragung über eine Spannweite von ca. 20 Metern wirtschaftlich realisiert werden kann.
In den rechts und links vom Saal anschließenden Bereichen sind Wände vorhanden, so dass dort zwar die Dachform und die Dachsparren erhalten bleiben, darunter aber übliche Pfetten und Stützen gestellt werden können. Die Sekundärkonstruktion des Daches bilden Brettsperrholzplatten.
Die Nutzungsbereiche neben dem Saal lassen Wände zu, was zu wirtschaftlichen Spannweiten bei gleichzeitig gebotenem Anspruch an das Schwingungsverhalten der Geschossdecken führt. Diese Decken werden als Holz-Beton-Verbunddecken ausgeführt mit Kerven als Schubverbinder. Mit dieser mittlerweile wirtschaftlichen und nachhaltigen Bauweise kann das Deckengewicht im Vergleich zu einer konventionellen Stahlbetondecke um circa 50% reduziert werden, was sich auf Stützen- und Fundamentdimensionen, sowie vor allem auf die Aussteifungselemente äußerst positiv auswirkt. Die HBV-Decke wird auf Wände oder Stahlträger aufgelegt, die sich in Deckenebene befinden und sich somit keine Unterzüge abzeichnen. Kollisionen mit Installationen werden somit vermieden und es ergibt sich eine ruhige Deckenuntersicht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf integriert in überzeugender Weise das geforderte Raumprogramm in einem klaren Einfirstgebäude, das sich adäquat in Größe und architektonischer Gestaltung im Ortsgefüge von Wertach integriert und gleichzeitig prägnant genug - entsprechend der vorgesehenen Nutzungen - hervorhebt. Das Gesamtkonzept überzeugt durch eine sehr einladende Eingangssituation sowohl im Bereich des Foyers wie auch bei der Gastronomie. Durch das zurückversetzte Erdgeschoss entsteht ein überdachter, gut nutzbarer Vorbereich. Auch im Inneren hat der Entwurf hohe Qualitäten durch eine klare Gliederung der einzelnen Funktionsbereiche, sowie eine klare Wegeführung, wodurch eine schnelle Orientierung für alle Besucherinnen und Besucher gegeben ist.

Positiv gesehen wird, wie durch die Anordnung des Foyers mit unmittelbar daran anschließendem Saal ein durchgestecktes Raumkontinuum entsteht, welches in überzeugender Weise die Freibereiche mit einbezieht. Auch die vorgeschlagene Unterteilung des Saals ist sehr überzeugend. Jeder Saal kann unmittelbar vom Foyer aus erschlossen werden. Durch die Anordnung des Foyers entsteht eine angenehme Fassadengliederung. Gleiches gilt für das großzügige Fenster zur Probebühne im 1.OG.
Kritisch gesehen werden die Anordnung und Größe der Cateringausgabe. Bei der Nutzung/Bewirtung des Saals kommt es bei der vorgeschlagenen Wegeführung zu einer ungewünschten Überlagerung und Kreuzung unterschiedlicher Bewegungs- und Besucherströme. Die Fluchtwegsituation im 1.OG muss noch geprüft werden.

Hinsichtlich der Freiräume überzeugt das Gesamtkonzept durch ein gelungenes Zusammenwirken von Architektur und Außenraum. Die geschichtliche, städtebauliche Entwicklung von Wertach wird in gelungener Weise aufgenommen. Allseitig werden Freiräume mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen. Die Verbindung des Saals zum gestalteten Freibereich im Osten ermöglicht vielfältige Nutzungen – auch bei Teilung des Saals. Kontrovers diskutiert wurde, ob die Zufahrt zu Grundstück 15/2 in der dargestellten Form ausreichend gegeben ist. Eine Erschließung kann aufgrund bestehender Vereinbarungen nur auf dem Wettbewerbsgrundstück erfolgen und muss in jedem Fall gegeben sein.

Der Vorschlag zusätzlich zum geforderten Raumprogramm temporär zu vermietenden Wohnraum vorzusehen wird als interessanter Vorschlag gesehen, wenn auch kontrovers diskutiert wurde, inwieweit dieses Angebot umgesetzt werden kann.
Mit Blick auf die gewählte Gebäudekubatur und Materialwahl stellt der Entwurf eine wirtschaftliche Lösung des geforderten Raumprogramms dar und integriert hierbei sogar noch zusätzliches Nutzungsangebot. Mit Blick auf die Unterhaltskosten wurden die erforderlichen Lifte ins OG und UG diskutiert.

Die Arbeit stellt hinsichtlich des städtebaulichen Gesamtkonzepts, der Umsetzung im Inneren sowie die Gestaltung der Freiräume eine gute Lösung für die geforderte Bauaufgabe dar. In gelungener Weise wird hier eine neue Ortsmitte definiert.