modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 11/2018

MUT ZUR LÜCKE – MUT ZU NEUEM 5.0 – konkret in der Lutherstadt Eisleben

Ansicht Jüdenhof

Ansicht Jüdenhof

ein 3. Preis

däschler architekten & ingenieure gmbh

Architektur

Erläuterungstext

Stadt(platz), Traufe, Gasse

„(Ein)Ordnen“ ist das städtebauliche Leitthema für die Bauaufgabe im Zentrum der UNESCO-Weltkulturerbe- und Lutherstadt Eisleben. Dies bedeutet für uns das respektvolle Vervollständigen des bestehenden Ensembles entlang des geschichtsträchtigen Jüdenhofes sowie die Weiterführung der bisher vorhandenen städtischen Themen des mittelalterlichen Stadtquartiers in einen zeitgenössischen Entwurf.
Dabei verstehen wir unseren Beitrag als Fragment einer gewachsenen sowie stets weiterwachsenden Stadt, welche prozesshaft gedacht werden muss. Die zwei Neubauten besetzen die Schlüsselstellen entlang der Jüdenhofgasse und der Grabenstrasse. Sie schliessen den Jüdenhofplatz gegen Süden ab und schaffen eine neue städtische Verbindung zwischen dem Jüdenhof und dem Wasserplatz in Form einer schmalen Gasse mit urbanem Charakter. Dabei zielt die Setzung der Volumen auf zukünftige Projekte ab, welche den Veränderungsprozess und die identitätsstiftende Dichte der mittelalterlichen Stadt weiterführen und stärken.

Wie gewohnt?

Das Programm fordert ein hybrides Gebäude, welches die „öffentliche“ Nutzung der Chirurgie- und der Arztpraxis im Erdgeschoss mit der privaten Wohnnutzung im Obergeschoss in einem Gebäude vereint.
Um beiden Nutzungen eine größt mögliche Freiheit zu gewährleisten, funktionieren die Einheiten durch unterschiedliche Erschliessungen autark voneinander.
Die Chirurgie wird von der Grabenstrasse erschlossen und verfügt über einen freien Grundriss ohne tragende Wände, welcher sich in Zukunft an die Bedürfnisse des Nutzers durch eine neue individuelle Grundrissanordnung anpassen kann. Dieselbe Flexibilität im Grundriss gilt auch für die vom Jüdenhof erschlossene Allgemeinarztpraxis.
Im gesamten Gebäudekomplex entstehen drei unterschiedliche Wohnungstypen (drei Zweizimmerwohnung, zwei Dreizimmerwohnungen und eine Vierzimmerwohnung), die eine hohe Anzahl an unterschiedlichen Zielgruppen generieren. Familien unterschiedlicher Grösse, Paar, Singles, und Wohngemeinschaften unabhängig ihres Alters können die variabel nutzbaren und barrierefreien Wohnungen bespielen. Neutrale Räume und optionale Raumtrennungen helfen, dass sich die Wohnung dem Nutzer anpasst und nicht der Nutzer der Wohnung.
Das Schrägdach ist im Innenraum ein prägendes Element und generiert charaktervolle, hohe Räume, welche sich durch unterschiedliche Schnittflächen mit dem Dach räumlich differenziert ausprägen.
Oberlichter in den strassenabgewandten Dachflächen sorgen für eine ganztägig gute Belichtung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der städtebauliche Leitgedanke des Entwurfes ist die fragmentartige Schließung der
beiden Straßenzüge durch zwei zweigeschossige Bauten. Diese bieten jeweils
ergänzende Erweiterungsflächen zur Schließung der kompletten Straßenzüge. Die klare
Trennung der Gebäude schafft eine passagenartige Gasse zur Durchwegung des
Grundstückes. Als temporäre Zwischenlösung wird zum Jüdenhof eine ergänzende Mauer vorgeschlagen, welche einen getrennt nutzbaren öffentlich zugänglichen Raum schaffen
soll, dessen Aufenthaltsqualität kritisch gesehen wird. Die unaufgeregte
Fassadengestaltung ordnet sich unter.
Die beiden jeweils zweigeschossigen Gebäude werden in gemischter Nutzung
vorgeschlagen. Zum Jüdenhof hin ausgerichtet wurden sehr schlicht ausgewiesene
Zugänge, jeweils für die Praxis und das Obergeschoss mit Wohnungen vorgesehen. Das
Erdgeschoss des durchgesteckten Gebäudeteiles zur Grabenstraße beherbergt die
chirurgische Praxis, welche funktional durchdacht ist aber zur Liegendanfahrt der
Patienten keinen abgeschotteten Bereich enthält.
Die Wohnungen der Obergeschosse sind funktional und durch einen Laubengang
wirtschaftlich erschlossen. Die vorgeschlagene Variabilität der Wohnungsgrundrisse ist
hier zwar hervorzuheben, jedoch wirkt sich die geplante städtebauliche Ausrichtung der
schmalen Gasse mit einem sehr schmalen Abstand zur möglichen späteren
Nachbarbebauung sehr ungünstig auf die gesamte Westausrichtung der Wohnungen aus.
Die notwendige Anzahl der Stellplätze wird mit 3 Stück unterschritten, wobei die
verbleibenden Restfreiflächen des Grundstückes keine Aufenthaltsqualität mehr bieten
können.
Die angedachte Erweiterungsoption zur Grabenstraße braucht eine eigenständige
zusätzliche Treppenhaus- und Aufzugslösung, welche zu einer Änderung der angebotenen Grundrisslösungen führen wird. Dies wird kritisch diskutiert.
Die variabel gestaltbare Grundrisslösung der chirurgischen Praxis lässt hier jedoch Lösungsansätze erwarten.
Die funktionale und kompakte Bauweise, lässt eine wirtschaftliche Umsetzung zu.
Der Abschluss des Jüdenhofs nach Süden durch die ruhigen Lochfassaden mit stehenden
Fensterformaten und zwei abgewalmte Ziegeldächer fügt sich gut in Stadtstruktur und
Stadtbild ein. Der neue Durchgang vom Jüdenhof zur Grabenstraße wirkt
selbstverständlich. An der Grabenstraße entsteht durch das breitgelagerte neue Gebäude
eine erste Intervention zur Wiederherstellung der verlorenen Raumkante. Ein Weiterbauen
an der Gesamtanlage ist ohne weiteres möglich. Die Wahl einer Formensprache und
Materialität ohne direkte Datierbarkeit, die aber nicht historisiert, ist eine gute
Entscheidung, um die hier durch Abrisse besonders gestörte Stadtstruktur langfristig zu
reparieren.