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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2019

Neubau eines Verwaltungsgebäudes für die AOK in Pforzheim

ein 3. Preis

Preisgeld: 25.000 EUR

GINA Barcelona Architects

Architektur

Erläuterungstext

PforzheimStädtebauliches Ensemble, Architektur und Freiraum

Das AOK-Verwaltungsgebäude bildet den Auftakt für das Gebäudeensemble an einem der städtebaulich bedeutendsten Punkte Pforzheims, an dem sich die wichtigen Verkehrs- und Personenströme zwischen dem Hauptbahnhof, dem ZOB, sowie der feinmaschigen verkehrsberuhigten Innenstadt treffen. Der Entwurf zielt darauf ab, Anforderungen auf zwei Ebenen zu erfüllen: zum einen die Formulierung einer eindeutigen Willkommensgeste am nördlichen Zugang zum Stadtzentrum, zum anderen in seinem direkten Umfeld öffentlichen Raum mit hoher Aufenthaltsqualität für die Bürger Pforzheims zu schaffen. Die AOK kann mit ihrem neuen Verwaltungsgebäude eine Verknüpfung zwischen den angrenzenden Verkehrsinfrastrukturen und dem feinen Gefüge der Pforzheimer Innenstadt herstellen.
Gegenwärtig ist die Gegend um den ZOB-Süd durch einen klaren Mangel städtebaulicher Struktur gekennzeichnet. Der Ausgangspunkt des Projektes ist daher, ein massives Volumen auf beiden Grundstücksteilen A und B zu schaffen, aus dem Streifen herausgeschnitten werden, die öffentlichen Raum schaffen. Auf diese Weise wird ein Übergang zwischen den diversen an diesem Ort aufeinandertreffenden Maßstäben hergestellt.
In Längsansicht passen sich die resultierenden Volume in ihre Höhe dem ansteigenden Gelände hin zum Gebäude der AOK im Westen an, welches das Ensemble krönt und somit einen maßgebenden Charakter einnimmt Zudem nimmt das Gebäude der AOK die Höhe des benachbarten Gebäudes der Wirtschafts- und Stadtmarketing Pforzheim auf und schafft zusammen mit diesem ein Tor zum Norden der Stadt. Das Gesamtbild des Ensembles stellt einen positiven Beitrag zum öffentlichen Raum dar, indem es dessen Charakter, Hierarchie und Maßstab respektiert.
Der Freiraum zwischen dieser Reihe von Massivvolumen generiert wertvolle öffentliche Räume, welche zudem eine visuelle Verbindung zwischen dem Norden und Süden Pforzheims herstellen. Insbesondere der Freiraum zwischen dem Gebäude der AOK und dem Grundstück „B“, bestehend aus einer großzügigen Treppenanlage mit bepflanzten Parterres, stellt nicht nur einen Durchgangsort dar, sondern lädt zum Verweilen ein. In der Fuge befindet sich auch die Zufahrt zur Parkgarage des AOK-Gebäudes von der Lindenstraße.
Die verschiedenen Erdgeschossnutzungen der AOK wurden so verteilt, dass sie über eine einfache Lösung des funktionell notwendigen Gebäudeprogramms der AOK hinausgehend eine übergangslose Verknüpfung der Ebenen zwischen der Erbprinzenstraße und Lindenstraße herstellen.

Prämisse

Die erste Grundsatzentscheidung des Entwurfes ist, auf die Weiternutzung des Parkhauses am Bahnhof zu verzichten und das Bestandsgebäude abzureißen. Die Komplexität einer Kernsanierung dieses Gebäudes aus den 1970er Jahren und der zweifelhafte Zustand seines Tragwerks, in Kombination mit den hohen Anforderungen der neuen Gebäude der AOK und eines zukünftigen Nutzers des Grundstücks „B“, verunmöglichen den Erhalt des Parkhauses. Die Umweltbelastung und Kosten des Abrisses des bestehenden Parkhauses werden durch einen Bauprozess in zwei Phasen, welcher sich das Geländegefälle für Gebäudenutzungen zu eigen macht.

AOK Gebäudefunktionalität

Aufgrund der privilegierten Platzierung des AOK-Gebäudes, lässt sich das Raumprogramm unter Nutzung des gegebenen Geländegefälles auf verschiedenen Erdgeschossen mit guter natürlicher Beleuchtung organisieren. Das Gefälle bietet die Möglichkeit, die drei Eingänge des Gebäudes unterschiedlich zu bearbeiten und diese ihren jeweiligen Nutzungen entsprechend individualisiert zu gestalten.
Der Haupteingang erschließt das Kundencenter mit seinem öffentlichen Charakter und bietet einen Ausblick in Richtung Hauptbahnhof und ZOB.
Der Zugang zum Gesundheitszentrum befindet sich im nächstniedrigeren Geschoss, welches sich auf einer mittleren Höhe zwischen der Lindenstraße und Erbprinzenstraße befindet. Dieser Zugang nimmt ein häuslicheres Format an und erschließt sich lateral vom öffentlichen Raum zwischen Grundstücksteil A und B. An diesem Ort befindet sich zudem die Treppenanlage zur unterirdischen Parkgarage.
In der Erbprinzenstraße befindet sich der Zugang zu den in den Obergeschossen angesiedelten Verwaltungsbüros und, im Bedarfsfall separat zugänglich, zum Konferenzsaal um dessen vom übrigen Gebäude gesonderte Nutzung zu ermöglichen.

Gestalt / Material / Farbe

Die Gestalt des Ensembles, Ergebnis der streifenförmigen Freiräume die es durchziehen, charakterisiert sich durch eine Sequenz von Volumina, welche durch bestimmten Gesten, den Freiraum dynamisieren mit dem Ziel Visierbrüche zu erzeugen und neue An- und Aussichten zu generieren.
In dem Maße, in dem sich das Ensemble dem Hauptbahnhof annähert, verkürzen sich die Volumina, wodurch das Gebäude der AOK den Streifen Freiraum zwischen seinen Volumina okkupiert und sich diesen als einen internen Hofraum aneignet.. Der geschaffene Hof beherbergt eine Aussichtsterrasse, welche als Erweiterung des Foyers des Konferenzsaals dient.
Das Bausystem der Gebäudehülle besteht aus Pilastern und Balken aus mit Terracotta Tonerde eingefärbtem Fertigbeton, ein Material welches dem Gebäude ein rot-kupferfarbenes Antlitz verleiht und zugleich die städtebauliche Chromatik Pforzheims weiterentwickelt.
Dieses Material steht im Gegensatz zur Materialität der Fensterelemente in den Öffnungen, welche durch das reflektierende Glas und die bronzenen Lüftungselemente, an das Glitzern eines Schmuckstücks erinnern, ein ikonisches Element, das an die Geschichte und Gegenwart der Schmuckstadt Pforzheims erinnert.
Die für das Gebäude der AOK gewählte Farbe ergibt sich aus der Beobachtung des unmittelbaren Umfeldes: die geneigten Dächer der benachbarten Wohngebäude•, sowie der nahen Schlosskirche Sankt Michael oder auch das Pflaster des Marktplatzes deuten darauf hin, dass rötliche Ziegel seit Jahrhunderten in der Stadt verwendet werden. Auf diese Weise entwickelt der Entwurf den Kontrast zwischen Tradition und Neuem in einem Dialog.

Tragwerksystem, Fassade und Dach

Das vorgesehene Tragwerksystem besteht aus Stahlbetonpfeilern und -platten und folgt der bewährten Fassadenstruktur bestehend aus 1,35-Meter-Einheiten, welches eine flexible Nutzung der Bürogeschosse und eine optimale Nutzung der unterirdischen Parkgarage erlaubt. Der Entwurf situiert eine Reihe tragender Pfeiler in der Fassade um die Anzahl der Pfeiler innerhalb der Geschosse auf nur eine Reihe zu reduzieren. Daraus resultieren Geschosse mit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten, die offen für vom Wandel der Zeit verlangte Änderungen sind.
Die vertikalen Kommunikationskerne versteifen das Gebäude, während sie sich jedoch auf die notwendige Anzahl und Flächen reduzieren.
Die Facetten der Volumetrie ergeben sich aus der verwendeten Tragwerks- und Fassadengliederung. Das Ergebnis ist eine harmonische skulpturale Form, getragen von einer effizienten statischen Logik.
Die unterirdische Parkgarage folgt der gleichen Struktur, was eine optimierte Flächennutzung für Fahrspuren und Stellplätze erlaubt.
Die Fassade setzt sich aus zwei Schichten zusammen: ein Fertigbetongehäuse als primäre Gliederungseinheit und eine zweite, zurückgesetzte Schicht bestehend aus einem Fensterelement, das einen verglasten Teil mit einem opaken, die manuelle Belüftung des Gebäudeinneren ermöglichenden Lüftungselement kombiniert.
Ausgehend von dieser übergeordneten Struktur lassen sich der gleichen Formsprache folgende Ausnahmen integrieren: Die Hauptfassade der AOK umfasst ein hohes Erdgeschoss und eine Krone bestehend aus zwei Strukturelementen, um seine Rolle als öffentliches Gebäude hervorzuheben und gleichzeitig notwendige Installationen nicht einsehbar auf dem Dach unterbringen zu können. In einigen Bereichen öffnet sich die Fassadengliederung durch das Auslassen eines Strukturelements um übergeordneten Nutzungen im Gebäudeinneren Rechnung zu tragen und einen verbesserten Ausblick zu ermöglichen.
Das Gebäude schließt mit einem begrünten Flachdach ab, welches zur Hauptfassade hin in seiner Höhe zunimmt um die beschriebene Höhenstaffelung zu erzielen und um hier nicht einsehbar technische Einrichtungen des AOK Gebäudes unterbringen zu können. Das Dach bleibt in seinem gesamten Umfang unbebaut um hier Solarzellen zu installieren.

Energiekonzeption und Lüftungskonzept

Das energetische Grundkonzept des Ensembles entspricht dem eines kompakten Gebäudes mit einer reduzierten Gebäudehülle, welches eine Querbelüftung erlaubt. Die Bepflanzung der Freiräume und der Dächer erhöht die Artenvielfalt und verbessert das Mikroklima. Die ausgeglichene Proportion von opaken und transparenten Fassadenteilen und die Verwendung von Isolierungsmaterial zur Vermeidung jeglicher Wärmebrücken, tragen dazu bei, die Notwendigkeit der Klimatisierung des Gebäudes auf ein Minimum zu reduzieren. Das Dreischeiben-Isolierglas mit Gasfüllung reduziert die Wärmetransmission, und mit einem flexiblen externen Sonnenschutz wird ein sommerlicher Sonneneinfall vermieden ohne die Durchsichtigkeit der Fenster zu beeinträchtigen.
Die Erschließungsbereiche aller Geschosse haben Anschluss an die Fassade und erlauben somit deren natürliche Belüftung. Die opaken Belüftungselemente innerhalb der Fensterrahmen ermöglichen eine manuelle Belüftung durch den Nutzer und die Erzeugung von Querlüftung und somit ein erfrischendes Raumklima im Sommer.
Um die CO2-Bilanz des Gebäudes zu verbessern, ist auf dem Dach eine Photovoltaikanlage vorgesehen, um einen maximalen Eigenverbrauch lokal generierter Elektrizität zu gewährleisten.

Wirtschaftlichkeit und ökonomische Nachhaltigkeit

Es wird vorgeschlagen, in einem umfangreichen Maß auf Fertigbausysteme zurückzugreifen, da diese aufgrund ihrer industrielleren Fertigung eine schnellere Ausführung, eine höhere bauliche Qualität und eine präzisere Kostenkontrolle ermöglichen. Die wesentlichen erwogenen Fertig- und Trockenbausysteme sind im Folgenden beschrieben:
— Fassade bestehend aus modularen Isolierungssystemen, kombiniert mit Fertigbetonteilen und Fensterelementen mit integrierter thermischer- und Lichtsteuerung durch externe einstellbare Lamellen.
— Raumaufteilung für Büros und Besprechungszimmer im Gebäudeinneren mit vorgefertigten System- und Gipskartonwänden.
— Hochleistungs-Akustikplatten an den Decken
— Innenbeschichtungen auf der Grundlage von Furnieren aus Naturholz im Großformat
— Erhöhte Trockenbau-Bodenbeläge
Die vorgeschlagenen Lösungen zielen in Richtung einer Kreislaufwirtschaft im Bau ab: das Gebäude entwickelt sich nach dem Ablauf seiner Lebensdauer zu einem Fundus wiederverwertbarer Elemente.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überzeugt durch ihren städtebaulichen Ansatz: die fingerförmigen, in nord-süd Richtung sich erstreckenden Gebäude im Wechsel mit den dazugehörigen Freiräumen schaffen eine deutlich ablesbare Verknüpfung zwischen Lindenstraße und Erbprinzenstraße, bzw. zwischen Kernstadt und Nordstadt. Dabei wird der Rücksprung der östlich anschließenden Wohnbebauung räumlich geschickt aufgegriffen und fortgeführt. Das Zusammenfügen der beiden westlichen Finger zu einer U-Förmigen Figur kann leider nicht ganz nachvollzogen werden. Sehr positiv wird die Höhenstaffelung von Ost nach West empfunden. Die Freiräume zwischen den Gebäuden, sowie entlang der Linden- und Erbprinzenstraße sind qualitätsvoll gegliedert und thematisiert. Die Eingänge sind gut gesetzt und entwickeln mit den Unterschneidungen eine wiedererkennbare Sprache. Im Freiraumeinschnitt zwischen Ideen- und Realisierungsteil sind die Funktionen etwas dicht gebündelt: Tiefgarageneinfahrt, Eingang Gesundheitszentrum, Eingang Coworkingspace und Fußgängerrampe nach Norden. Diese Häufung an Funktionen auf engem Raum könnte etwas entzerrt werden. Dabei sollte auch auf eine ausreichende Höhe der Einfahrt geachtet werden, damit die hier angedachte Anlieferung der AOK reibungslos ablaufen kann. Die Tiefgarage ist gut und übersichtlich gegliedert und kann auch in der Erweiterung des Ideenteils vollkommen überzeugen. Der Vorplatz im Westen ist richtig dimensioniert und führt so optimal zum Eingang ins Kundenzentrum hinein. Angenehm wirkt auch die großzügige Halle, die dort den Besucher empfängt. Vorteilhaft ist der eigene Eingang zum Vortragssaal von der Erbprinzenstraße, allerding ist der Weg dorthin durch Gebäude dann recht umständlich, auch bei Tag ist der Weg über das Kundenzentrum mit Umwegen verbunden. Das Gesundheitszentrum liegt gut in der Ebene -1, ist jedoch mit dem Kundenzentrum zu indirekt verknüpft. Außerdem ist die Belichtung des Gesundheitszentrums sehr gering. Die langen Gänge in den Büroebenen der AOK sind recht unattraktiv, wohl auch als Folge aus dem zweifach geknickten Baukörper. Die Fassadensprache ist der Bauaufgabe in Materialität und Gliederung angemessen und schafft eine dabei angenehm eine Reminiszenz an die Vergangenheit als Schmuckstadt. Allerdings wird empfohlen, Variationen in der Fassadengliederung von Haus zu Haus zu entwickeln. Der angedachte Nutzungsmix mit Coworkingspaces, Showrooms und Restaurants für die Erdgeschoßzonen im Ideenteil könnten zu einem lebendigen öffentlichen Raum werden. Insgesamt besticht der Entwurf durch seinen konzeptionellen Ansatz, der von der Leitidee bis ins Fassadendetail überzeugend durchgehalten ist. Der sich nach Süden öffnende obere Baukörperteil der AOK bietet nach Meinung der Jury durchaus bauplastische Verbesserungspotenziale im Hinblick auf Schallschutz, der angebotenen Terrassensituation und der inneren Funktionalität.
Lageplan

Lageplan

Ansicht West-Ost

Ansicht West-Ost

Ansicht Ost-West

Ansicht Ost-West

Grundriss 00 Erdgeschoss_Kundencenter

Grundriss 00 Erdgeschoss_Kundencenter

Grundriss -01 Sockel_Gesundheitszentrum

Grundriss -01 Sockel_Gesundheitszentrum

Grundriss +01 Obergeschoss

Grundriss +01 Obergeschoss

Grundriss +02 Obergeschoss

Grundriss +02 Obergeschoss

Schnitt C-C'

Schnitt C-C'

Scheme

Scheme

Fassadendetail

Fassadendetail