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Offener Wettbewerb | 01/2019

Neubau Campus Bern der Berner Fachhochschule (BFH)

2. Rang / 1. Ankauf

BERREL KRÄUTLER ARCHITEKTEN

Architektur

Dr. Neven Kostic | Structural engineering | Tragwerksplannung

Bauingenieurwesen

PIRMIN JUNG

Tragwerksplanung

Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau GmbH

Landschaftsarchitektur

Amstein + Walthert AG

TGA-Fachplanung

Amstein + Walthert AG

Akustikplanung, Brandschutzplanung

Erläuterungstext

SITUATION
Die Nachbarschaft des geplanten Campus könnte kaum vielfältiger sein. Die zur Verfügung stehenden Parzellen werden umrandet von den linearen Elementen der Autobahn im Westen, dem Bahntrassee im Südosten und dem Stadtbachkanal im Norden. Unter dem Autobahnviadukt hindurch gelangt man zur ausgedehnten Grünfläche der Sportanlage, während sich jenseits der Gleise ein beschauliches Wohnquartier befindet und der Kanal an ein Industrieareal grenzt.
Die neue Hochschule gliedert sich als freie Form in diese Umgebung ein und reagiert mit unterschiedlich gestalteten Aussenräumen auf die ungleichen Nachbarn.
Im Westen verbindet sich die Fussgänger-Erschliessung vom Europaplatz her mit der Fläche vor dem Gebäude zu einem breiten, asphaltierten Vorplatz, welcher in einer stattlichen Treppe vor dem Haupteingang mündet.
Den Gleisen entlang lädt ein Weg unter Bäumen zum Spazieren ein. Daneben befindet sich der Aussenbereich des Restaurants.
Auf der grössten unüberbauten Fläche östlich des Gebäudes sind die Anlieferung und Parkierung in eine Wiese eingebettet. Hier wird später eine Passerelle über die Bahnlinien den Campus mit dem Wohnquartier verbinden. Der breite Boulevard, der das Areal vom Viadukt her durchquert, mündet hier zudem in die schmale, geschwungene Zufahrt.
Am Ufer des Stadtbaches bieten Spazierwege und Sitzgelegenheiten ruhige Aufenhaltsorte im Grünen. Mehrere Übergänge zu den Strassen und den Industriegebäuden im Süden gewährleisten die Durchlässigkeit des Quartiers.

KONZEPT
Bereits das Wort Campus gibt Aufschluss über seine eigene Bedeutung. Campus wird aus dem Lateinischen übersetzt mit «offenes, ebenes Gelände, freier Platz», ist also ein Ort, der keine Barrieren kennt.
Unser Campus ist demnach zuallererst ein offenes Feld für Studenten, Mitarbeiter und Besucher. Um diesen Freiraum zu erhalten ist das Gebäude vom Boden abgehoben und belässt darunter ein offenes Erdgeschoss für den Austausch aller Personen. Dieses Eingangsgeschoss befindet sich auf einem durchgehenden, geschlossenen Sockel. Durch den Geländeverlauf verschwindet er auf der Ostseite gänzlich im Terrain, während er an der Westfassade 3m Höhe erreicht. Über eine grosszügige Treppe gelangt man hier zum Eingang. In der Architekturgeschichte ist es eine Tradition, dass grosses Wissen über eine hohe Treppe erlangt werden muss. So überhöhte Michelangelo die Treppe in der Biblioteca Medicea Laurenziana optisch und auch Asplund inszenierte die Treppe in den Wissenstempel der Stockholmer Bibliothek .
Über dem Sockelgeschoss schweben die vier Ringe der vier Departemente der Hochschule. Sie sind von aussen klar ablesbar durch die dazwischengeschobenen, gläsernen Fugen der Erschliessungszonen. Der Gebäudering der Hochschule der Künste ist ein langes, niedriges Volumen, das sich über beide Parzellen spannt. Durch diese verschobene Position ist es bereits vom Eingangsplatz aus sichtbar und wird von dem Boulevard durchstossen. Im alles verbindenden Eingangsgeschoss sind die öffentlichen Nutzungen, grosse Sääle und Auditorien untergebracht, welche von allen Departementen genutzt werden. Je weiter man nach oben in die Ringe geht, desto spezifischer sind die Räume und desto klarer ist deren Zuordnung zu einer bestimmten Fakultät. In alle vier Körper sind Höfe eingeschnitten, welche im Erdgeschoss grosse Hallen ausbilden, die Belichtung aller Geschosse gewährleisten und in den oberen Geschossen für spannende Blickbeziehungen sorgen.

ERSCHLIESSUNG
In den drei Fugen zwischen den Gebäuderingen befindet sich die Haupterschliessung. Deren Fassaden sind komplett verglast, so dass die Treppen von Licht erfüllt und von aussen sichtbar sind. Auf der West- und auf der Ostseite wo die äusseren Volumen verschoben sind und dadurch ein Stück der Längsseite der Fugen freigeben, entstehen grössere Aufenthaltsbereiche innerhalb der Erschliessungszonen mit Ausblick in die Morgen- bzw. Abendsonne.
An die Höfe angegliedert sind die Treppenkerne der Nebenerschliessung, welche als Fluchtwege dienen wie auch als innere Erschliessung von privateren Bereichen des Lehrbetriebs.

RAUMPROGRAMM
Im westlichsten Gebäudering, der die Autobahn überblickt, sind im Erdgeschoss die Bibliothek und die Mensa untergebracht. Diese öffnet sich zur Südseite auf eine Terrasse unter Bäumen. Die oberen vier Geschosse teilt sich das Rektorat mit der Schule für soziale Arbeit. Ein mögliches fünftes Geschoss wird mit der strategischen Fläche besetzt und nur bei Bedarf aufgestockt. Der Haupteingang führt in das zweite Gebäude. Gleich dahinter erstreckt sich die erste grosse Halle in alle Himmelsrichtungen und über die gesamte Gebäudehöhe. In ihrer Mitte liegt die Aula, welche mit mobilen Wänden abgetrennt ist, so dass für Grossanlässe eine grössere zusammenhängende Fläche genutzt werden kann. Die Halle wird auf drei Seiten von Hörsäälen flankiert. In den oberen Geschossen dieses Trakts sind Seminarräume, das Weiterbildungszentrum und Spezialunterrichtsräume für die Fakultäten Gesundheit, soziale Arbeit und Wirtschaft untergebracht wie auch die spezifischen Räume der Hochschule für Wirt- schaft.
Der dritte Gebäudering gleicht stark dem zweiten, seine zentrale Halle ist mit der Eingangshalle verbunden und beitet Platz z.B. für Austellungen. In seiner zentralen Halle findet sich Platz für Ausstellungen. In den oberen Geschosse sind ebenfalls Seminarräume und Spezialunterrichtsräume eingerichtet und zudem die Räumlichkeiten der Schule für Gesundheit.
Das vierte Element stellt sich wie eine Brücke über das Ende des Boulevards und verbindet damit die beiden Baufelder. Durch seine Sichtbarkeit vom Viadukt her bekommt es eine eigene Identität, welche für eine Hochschule der Künste mit sehr viel Publikumsverkehr angemessen ist. Die beiden gebäudehohen Foyers sind unterirdisch miteinander verbunden. In den oberen Geschossen befinden sich Büros und Unterrichtsräume. Die HKB kann auf allen Geschossen vom restlichen Campus abgetrennt werden, um den 24-Stunden-Betrieb zu gewährleisten.

FLEXIBILITÄT
Alle oberen Geschosse weisen eine Gebäudetiefe von 19.5m auf, welche ideal funktioniert sowohl für kleinere Büros und Open-Space Offices wie auch für die grösseren Räume der Hochschule der Künste. Die Gesamttiefe ist unterteilt in zwei
Raumschichten entlang den Fassaden mit
Holzsystembauweise. Das Untergeschoss, das Erdgeschoss und die Kerne sind in Stahlbeton vorgesehen. Über dem Erdgeschoss werden die Schul- und Gruppenräume in Holzbauweise umgesetzt. Basierend auf einfachen Details, die auf einem klaren Raster aufbauen, entsteht ein nachhaltiger und innovativer Holzbau, welcher höchste Ansprüche an Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz, Komfort und Flexibilität vereint.
In den massiven Korridorzonen wird die Haustechnik hinter einer abgehängten Decke verteilt. Die Decke über den Zimmern wird als Holz-Beton-Rippenkonstruktion ausgebildet, Leitungen wie Lüftung, etc. werden parallel zu den Rippen geführt. Die Holzrippen mit einem Raster von 1.25m lagern jeweils direkt auf Holzstützen in der Fassade auf, wodurch die Lasten direkt nach unten geleitet werden können. Über dem Erdgeschoss ist eine vorgespannte Abfangdecke von ca. 16m Spannweite betoniert, um die Lasten jener Stützen umzuleiten, die nicht durchgehend geplant werden konnten. Das Gebäude wird flach fundiert und die Bodenplatte wird im Bereich von konzentrierten Lasten zusätzlich verstärkt. Die Aussteifung des Gebäudes gegen horizontale Erdbeben- und Windkräfte erfolgt durch die regelmässig angeordneten Be- tonkerne. Die Statik und die Details sind so ausgelegt, dass die Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt um weitere Bereiche aufgestockt werden können.

LANDSCHAFTSARCHITEKTUR
Der Campus entsteht an einer Schlüsselstelle im dynamischen Westen Berns. Hier laufen vier Bahnlinien zusammen; die Barrieren im Stadtkörper sind zahlreich und Infrastrukturen sehr prägend. Die Anstrengungen zu deren Überwindung für Bewohner, Studierende und Arbeitstätige sind erfolgreich im Gange. Der neue Campus der FH bietet die schöne Gelegenheit, diesen Verbindungsräumen Sinn, Atmosphäre und Zusammenhang angedeihen zu lassen. Es besteht die echte Chance, dem Quartier eine sehr grüne Prägung zu verleihen.
Stadtbachdschungel: Der Stadtbach ist primär eine Infrastruktur für die Altstadt. Wir machen diese im postindustriellen Geist nutzbar für Naturerlebnis und Kontemplation. Zusammen mit den umgenutzten Fundamenten der Tanksilos (Seerosenteich und Skaterpool) wird sein Umraum aufgeforstet mit Weiden und Erlen und entsprechender Unterpflanzung mit Stauden. Ein Pfad durchmisst den Waldgürtel und bietet Sitzgelegenheiten und Einblicke in Baumwelten. Er ist die opulente Fuge zwischen Campus im Süden und Wohn- und Arbeitsquartier im Norden.
Le Grand Pré: Ein Rasenspiegel ist Ort des Zusammentreffens verschiedener Bewegungsachsen. Der Boulevard mündet auf die Quartierwiese und alle Anlieferungsbedürfnisse werden im Loop in Vorwärtsbewegung geklärt. Frisbees und Drohnen fliegen, Picknick unter Bäumen, Open Air Aufführungen finden Platz. Die Passerelle über die Geleise hat einen landschaftlichen Auftakt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Gesamtwürdigung
Hier wird auf intelligente Weise das grosse Programm mit den unterschiedlichsten Abteilungen in einer grosszügigen Weise zusammengewoben, so dass ein Zentrum entsteht, um das sich die Fachhochschule entwickeln kann. Daraus resultiert eine kompakte Anlage mit Identität, die mit einem grosszügigen Freiraum einen Mehrwert für das Quartier schafft.
Die Übertretung der Überbauungsordnung im Bereich des Boulevards ist funktional und im Gesamtkonzept des Gebäudes nachvollziehbar. Die damit einhergehende Überdeckung des Boulevards über eine Länge von zwanzig Meter wurde in der Jury durchaus kritisch diskutiert. Die Vorteile vermögen jedoch das Risiko einer ordentlichen Änderung der Überbauungsordnung mit erforderlicher Volksabstimmung nicht rechtfertigen.