modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 12/2018

Neugestaltung Marktplatz und Bohl in St. Gallen

2. Rang

Mettler Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

TOM MUNZ ARCHITEKT

Architektur

B+S Ingenieur AG

Bauingenieurwesen

conceptlicht at

Lichtplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Aus einer sorgfältigen Analyse in Text- und Skizzenform werden die Kernelemente des
Freiraumentwurfs abgeleitet und schlĂĽssig dargelegt. Die historische Funktion des
Platzraumes als «Schnittstelle zwischen oberer und unter Altstadt» manifestiert sich
folgerichtig als Transitfläche, welche die «Koexistenz vielfältiger Nutzungsansprüche von
Bewegung und Aufenthalt» zusammenführt und diese Orte mit differenzierten Charakteristiken einschreibt. In Ableitung der historischen Situation wird der urbanen, offenen
Platzfläche des Bohls ein baumbestandener Raum mit Marktständen am Marktplatz
gegenübergestellt: Atmosphärisch unterschiedliche Orte sollen den grossen Gesamtraum gliedern.
Eine prägnant in die Höhe strebende Brunnenskulptur – auf dem aktuellen Stand in Form
eines in Bronze gegossenen Holzkistenstapels noch etwas allzu «wörtlich» ausformuliert
– markiert anstelle der heutigen Rondelle den neuen Schwerpunkt zwischen Markt und
Bohl und dient der Orientierung im Stadtraum. Unter dem Baumcarré aus Neupflanzungen (Schnur- und Zürgelbäume) installiert sich auf selbstverständliche Weise der Markt
mit seinen allseitig orientierten Standeinheiten, deren grösste sich als Rondellen-Ersatz
stirnseitig auf die Kreuzung von Platzraum und Marktgasse ausrichtet. Die auf dem Bohl
inszenierte «Leere» erweist sich hinsichtlich der Kuratierung dieses Bereichs aber als
anspruchsvoll.
Mit grossem Engagement wird die Ausgestaltung der Bodenfläche dargestellt und v. a.
auch textlich beschrieben: Ein durchgängiger Belag aus Betonplatten, in welche partiell
Natursteinintarsien eingelassen sind, formt eine Art Teppich, der auch die Fahrbereiche
ausschlagen kann. Farbzuschläge aus unterschiedlichen Stoffen sollen die ausgedehnte
Fläche differenzieren; unterschiedliche Gesteinsarten nehmen Bezug auf die weitreichende Handelsgeschichte der Stadt. Die genauen Ausmasse des «Teppichs» sind im
Hinblick auf die Raumlektüre aber nicht immer ganz verständlich: Seine Ränder wirken
an verschiedenen Stellen allzu abrupt. Dem Vorteil, dass die Fahrbahn auf diese Weise
homogen in die Belagsfigur integriert werden kann, steht die Frage entgegen, ob eine
derart grosse Betonbelagsfläche atmosphärisch wirklich halten kann, was sie auf den
Bildern verspricht; dies umso mehr, als die vorgeschlagenen Natursteinintarsien unter
der gegebenen Beanspruchung technisch kaum bewältigbar sein werden.

Auf klare Weise deklarieren die Verfassenden die Transformation des heute vom Autoverkehr dominierten Ortes zu einer «fussgängerfreundlichen Raumfolge», die in ihrer
Vielschichtigkeit erlebbar gemacht werden soll. Die Calatravahalle, die als identitätsstiftendes und autarkes Element am Bohl erhalten bleibt, wird durch eine neue Bushaltestelle auf der Höhe des Marktplatzes ergänzt, die in der Visualisierung allerdings
noch etwas fremd und allzu nostalgisch anmutet. Insgesamt sehen die Verfasser im
Separieren der beiden Haltestellen aber zurecht einen grossen Mehrwert: Sie fĂĽhrt in
positivem Sinne zu einer Entflechtung des engen Verkehrsknotens. Im Weiteren sind alle
verkehrsmässigen und funktionalen Aspekte der Umsetzung schon sehr detailliert dargelegt und beschrieben: Taxi-Parkplätze dezentral entlang der Fahrgassen und am Rande
der Platzfläche, Fahrradabstellplätze verteilt in Gruppen an strategisch wichtigen Stellen,
Unterflur-MedienanschlĂĽsse, Leitsystem fĂĽr Geh- und Sehbehinderte u. v. m. Auch das
Lichtkonzept – mit einem den Raum quer überspannenden Beleuchtungssystem, das
aber punktuell auf die unterschiedlichen Gegebenheiten reagiert – ist bereits detailliert
beschrieben und passgenau auf das Gesamtkonzept abgestimmt

In vielerlei Hinsicht überzeugend ist der Vorschlag für die neuen Marktstände, sowohl
auf nutzungsmässiger als auch auf architektonischer Ebene: Als intelligent arrangierte
Einheiten aus Stahlelementskeletten erzeugen sie ein einfaches, fĂĽr den Markt aber sehr
identitätsstiftendes Bild. Einerseits ermöglichen sie eine vielseitige Bespielung, andererseits verweisen sie – etwa durch die raffinierte Anordnung von Scherengittertoren – auf
vertraute Vorstellungen von traditionellen Marktsituationen in anderen Städten. Ihre
Demontierbarkeit bleibt aber fraglich.
Der ständige Markt erhält eine klar definierte «Nische», in die er sich einnisten kann,
wenngleich die Positionierung der Wochenmarktstände durch die neue Baumreihe erschwert wird. Die Nutzungen der Rondelle werden sinnfällig in diesen integriert. Weitere
Synergien können mit der Anordnung der temporären Marktstände in unmittelbarer
Nachbarschaft gefördert werden. An der Seite der Marktgasse entsteht eine zusammenhängende Fläche für Veranstaltungen, die im Alltag vielfältige Aufenthaltsmöglichkeiten bietet; ihre Aufenthaltsqualität wird durch ein Wasserspiel erhöht. Hinsichtlich Ökologie und Nachhaltigkeit verspricht das Projekt aufgrund seiner umsichtigen Verschränkung vielfältiger Aspekte gute Werte. Die deklarierte Robustheit der
Betonbelagsfläche gerät durch die darin eingelassenen Natursteinintarsien allerdings
etwas in Bedrängnis.
Zusammenfassend ĂĽberzeugt der Vorschlag durch seine klare Setzung, abgeleitet aus
der Geschichte sowie den räumlichen und nutzungsmässigen Bedingungen des Ortes.
Sie bildet eine gute Ausgangslage fĂĽr eine stimmige neue Raumdisposition. Ihre einzelnen Teile und Elemente wirken aber noch etwas beliebig, streckenweise gar episodisch.
Zu wenig sind sie (noch) in der Lage, Marktplatz und Bohl als Teil eines «grossen Ganzen» in eine weit ausstrahlende, städtische Identität überführen zu können. Negativ wirken sich auch die Tatsache der eingeschränkten Flexibilität des ständigen Marktes durch dessen fixe Konstruktion sowie die Lage der neuen Baumreihe hinsichtlich einer freien Bespielung des Wochenmarktes aus, auch wenn der neu gestaltete Markt als gefasster Ort vertraute Bilder in eine neue, stimmige Sprache zu übersetzen vermag.