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Einladungswettbewerb | 01/2019

Neubau und Sanierung von genossenschaftlichem Wohnungsbau im Quartier Tesche der Stadt Wuppertal

Blick in das grüne Herz des Quartiers

Blick in das grüne Herz des Quartiers

2. Preis

Preisgeld: 22.800 EUR

gernot schulz : architektur GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Leitidee:

Weiterentwicklung der Quartierscharakteristika unter Beibehaltung baugenossenschaftlicher Werte in zukunftsfähiger nachhaltiger Bauweise

Die den Ideen des Siedlungsbaus des frühen 20. Jahrhunderts verbundenen Charakteristika des genossenschaftlichen Siedlungsbaus zwischen Memeler Straße und der Nathrather Staße gilt es zu bewahren.

Dies sind die städtebaulichen Aspekte:
- kleinkörnige Bebauungsstruktur mit hoher Durchwegbarkeit bei gleichzeitiger blockrandformender Dichte
- gestalterische Gleichheit bzw. Verwandtschaft der Einzelhäuser zur Stärkung des Siedlungscharakters
- halböffentliche Garten- und Grünstruktur
- Gestaltungskanon aus Gartenmauern, Hecken und durch diese Elemente vorbereitete Eingangssituationen der Häuser

Sowie die wohnungs-typologischen Aspekte:
- Wohnungsmix in den Häusern und Geschossen zur Förderung einer heterogenen Sozialstruktur der Bewohner
- Hochfunktionale Grundrisse ohne vorcodierte Nutzungszuordnung der Räume
- Eindeutige Zuordnung privater und halböffentlicher Frei- und Grünbereiche
- Gemeinschaftseinrichtungen

Daneben gilt es aber auch die zeitgemäß weiterzuentwickelnden wirtschaftspolitischen Aspekte des genossenschaftlichen Wohnungsbaus zu betrachten:
Die Zeit der Gründung des Eisenbahn-Bauvereins war geprägt durch knappen Wohnraum und einen hohen Mietspiegel – Gleiches gilt für die heutige Zeit. Diesem Mangel sah und sieht man sich heute verpflichtet. Vor diesem Hintergrund erfolgt die maßvolle Verdichtung und Weiterentwicklung der Bebauung, aber auch die Höherbewertung des barrierefreien Bauens, der Unterbringung von PKWs und Fahrrädern und des Individualismus von Lebensstilen.

Das architektonische Konzept:

Es wird – neben der denkmalgerechten Sanierung der Häuser entlang der Memeler Straße – eine Reihe von sieben 3,5-geschossigen Häusern auf einer gemeinsamen Tiefgarage entlang der Nathrather Straße und ein Ersatzneubau des Hauses Memeler Straße 48 vorgeschlagen. Die Kleinkörnigkeit der Häuser ermöglicht eine vielfältige Durchwegung des Grundstücks und setzt gleichzeitig den Auftaktimpuls zur Wegevernetzung zum zukünftig südlich der Nathrather Straße zu entwickelnden Wohnungsbaus. Die Häuser sind von der eigentlichen Grundstücksgrenze an der Nathrather Straße zurückversetzt und nehmen somit die Flucht des nordöstlichen Nachbargebäudes auf. Die Hauseingänge sind nach dem Vorbild der alten Siedlungshäuser besonders hervorgehoben, indem jedem Eingang ein kleiner Vorplatz mit Fahrradstellplätzen für Besucher und einer Bank zum Sitzen, Klönen oder auch Tasche abstellen während man die Tür aufschließt oder nach der Post guckt, vorgeschaltet ist. Dem Wuppertaler Wetter entsprechend ist der Eingang regengeschützt ausgebildet. Die natürliche Topografie des Grundstücks wird genutzt, um die Hauseingänge 1,5-geschossig repräsentativ und die erdgeschossigen Wohnungen von der Nathrather Straße als Hochparterrewohnungen (somit geschützt vor direkten Einblicken von der Straße) auszubilden.
Ebenso wird die Topografie genutzt, um die Tiefgarage nur ein halbes Geschoss abzusenken. Dies ermöglicht ein Minimum an Erdbewegungen, die freie natürliche Belüftung der Garage und somit die wirtschaftlichste bauliche Lösung. Darüber hinaus wird der Baumbestand im östlichen Grundstücksbereich geschont.
Mit jeweiliger Dreibunderschließung der Geschosse ermöglichen die nach Süden und Westen ausgerichteten Grundrisse ein dem Licht und der Natur hin ausgerichtetes Wohnen. Mit Ausnahme von Gäste-Toiletten und Abstellräumen sind alle Räume der Wohnungen natürlich belichtet und belüftbar.
Die Häuser entlang der Nathrater Straße bilden eine gestalterisch einheitliche Reihe, um den Siedlungscharakter zu stärken. Zum parkartigen Garten nach Norden erfolgen kleine Variationen der Ausrichtung der Balkone, sodass sich dem Betrachter unmerklich – auf dem zweiten Blick – unterscheidbare Hausgesichter offenbaren. Dies bildet den Rahmen für die individuelle „Bespielung“ der Balkone und Freiflächen. Geschlossene Brüstungen der Balkone und Terrassen, sowie Hecken der den erdgeschossigen Wohnungen zugeschalteten hausnahen Gartenbereiche ermöglichen Privatheit aber auch aktive Kontaktaufnahme mit den Nachbarn.
An der Kreuzung Nathrather Straße/Hasnacken wird in Analogie zu der bisherigen Bestandssituation ein Gebäude in Nord-Süd-Richtung als baulicher Auftakt der neuen Bebauung gestellt. Entsprechend der Positionierung an der Kreuzung wird im Erdgeschoss ein kleiner Kiosk als Treffpunkt vorgeschlagen. In das Gebäude integriert erfolgt die Ausfahrt der Tiefgarage, die Einfahrt ist in das östlichste Haus an der Nathrather Straße integriert. Bewusst in die Hauskubaturen integriert, sollen Nachbarschaft und Bewohner des neuen Quartiers vor dem Lärmemissionen geschützt werden.
Das Bestandshaus Memeler Straße 48 wird durch einen Ersatzneubau in der Architektursprache der Neubauten ersetzt. Diese Entscheidung erfolgte insbesondere aus der Überlegung an dieser Stelle einen neuen Quartiersmittelpunkt mit dem Angebot eines Multifunktionsraums und eines kleinen Quartiersplatz im Grünen zu entwickeln. Auch das Quartiersbüro wird in diesem Haus verortet.
Über einen neuen in West-Ost-Richtung geführten Weg durch die grüne Mitte des Quartiers wird auch der parkartige Gartenbereich barrierefrei gestaltet, während die kurzen Verbindungen in Nord-Süd-Richtung aus topografischen Gründen nur über Treppen zu begehen sind. Wo möglich sollen diese kurzen Verbindungen zwischen den Häusern in der Memeler Straße aufgenommen werden.
Die Neubauten sind aus Gründen der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in Mauerwerks-/Stahlbeton-Mischbauweise projektiert. Stahlbeton soll als der gegenüber dem Mauerwerk energieaufwendigere Baustoff nur dort verbaut werden, wo konstruktiv unabdingbar.
Die Materialwahl der Häuser erfolgt neben gestalterischen Gründen betont aus Aspekten der Nachhaltigkeit. Kunststoffe und Verbundkonstruktionen sollen im Sinne eines „Cradle to Cradle“ -Prinzips vermieden werden.
Die Fassaden erhalten eine Materialität aus einer mineralisch kerngedämmten Klinker-Vorsatzschale, Die Fenster und Fassaden werden als Holz-Aluminium-Konstruktion vorgeschlagen.
Entlehnt aus der Gestaltungssprache des Bestands werden Gesimsbänder aus Betonfertigteilen auf Brüstungshöhe der Geschosse ausgebildet, die gleichzeitig die blechfreien Abdeckungen der Brüstungsbereiche der Balkone und Terrassen bilden.

Sanierungskonzept des Bestands:

Das Sanierungskonzept für den Bestand sieht eine sehr enge gestalterische Orientierung am Bestand vor. Lediglich zum Einbau von Aufzügen erfolgt der Umbau einzelner Räume an den Treppenhäusern. Für das Haus Memeler Straße 52 wird der Aufwand für den Einbau eines Aufzugs als unverhältnismäßig zum Verlust an Wohnfläche erachtet und in Abwägung des Ganzen kein Aufzugseinbau empfohlen. Es wird der Einbau neuer Holzfenster mit holzverkleideter Innenleibungsdämmung (keine Verbundbaustoffe!) und das Dämmen der Dächer projektiert.
Für die Frage der Behandlung der Außenfassaden soll idealerweise ein Konzept erarbeitet werden, welches auf eine Dämmung als Verbundkonstruktion verzichten kann, indem ein höherer Energieverbrauch solcher Bestandshäuser akzeptiert wird und die notwendige Primärenergie standortnah und CO2-frei gewonnen wird – z.B. über eine geothermische Wärmepumpenanlage mit PV-Elementen zum Betrieb der Wärmepumpe. Ein solches Konzept – welches die Verfasser an anderer Stelle in der Denkmalsanierung schon angewendet haben – setzt die enge Abstimmung zu Details mit einem Bauphysiker voraus.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit nimmt städtebaulich die Körnung und Maßstäblichkeit der vorhandenen Gebäude sehr gut auf. Zwischen den insgesamt acht Häusern entstehen Freiflächen, die das Durchqueren von Nord nach Süd sowie West nach Ost schwungvoll und selbstverständlich ermöglichen. Städtebaulich gut gelöst ist die Errichtung eines Neubaus an der Memeler Straße, durch den das Gesamtgebiet sowohl optisch als auch durch die Aufnahme der gemeinschaftlichen Räume zusammengefasst wird.
Der Verfasser wählt für die Neubauten der Nathrather Straße bewusst gleich ausgeformte Häuser als Dreibund, mit hoher und solider Wirtschaftlichkeit in Form von Ziegelfassaden. Durch Vor- und Rücksprünge sowie einer Staffelung des obersten Geschosses wirkt die Fassade gut proportioniert. Das Preisgericht kann sich für die sieben Häuser mehr Individualität (Unterschiedlichkeit) vorstellen.
Die Freiflächen im Erdgeschoss werden weitestgehend den Wohnungen zugeordnet. Die Grundrisse sind sehr klar entworfen, die Ausrichtungen der Terrassen und Balkone nehmen Rücksicht auf die Nachbarn. Kritisch gesehen wird die geringe Anzahl der Wohnungen sowie die zu kleine Tiefgarage, die unwirtschaftlich als Großgarage entworfen ist. Die Bestandsbauten an der Memeler Straße werden behutsam saniert mit angliedernden Balkonen zur Süd- und Talseite. Zusätzlicher Wohnraum zur Vergrößerung der einzelnen Wohnungen wird nicht geschaffen.
Insgesamt überzeugt die Arbeit durch die klare und einfache städtebauliche Idee und durch eine gute Umsetzbarkeit.
Eingangssituation entlang der Nathrater Straße

Eingangssituation entlang der Nathrater Straße