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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2019

Westliches Umfeld ICE-Bahnhof in Fulda

2. Preis

Preisgeld: 13.000 EUR

raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH

Architektur

BIERBAUM. AICHELE. landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

mociety consult gmbh

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Leitidee

Der ICE Bahnhof Fulda befindet sich mit seinem denkmalgeschützten Empfangsgebäude in einer städtebaulich exponierten Lage. Er ist Motor für die Entwicklung der Stadt Fulda und steht gleichsam für ein Umdenken im Mobilitätsverhalten.

Zentraler Entwurfsansatz ist die Errichtung eines neuen Querbahnsteiges, welcher als Brückenschlag zwischen der gründerzeitlichen Kernstadt und den neuen Stadtteilen Am Waidesgrund sowie dem Kongresszentrum fungiert. Dieses wichtige städtebauliche Gelenk verbindet zukünftig den Bahnhofsvorplatz West und Ost, und ist damit wichtigster Bestandteil der neuen Ost-West-Verbindung, die vom Universitätsplatz über die Bahnhofstraße, das Bahnhofsgebäude bis zur Richthalle und dem neuen Eingang des Kongresszentrums sowie zum Schulzentrum führt. Gleichzeitig ist diese Maßnahme sichtbares Zeichen und dem Stellenwert als ICE Bahnhof DB Kategorie 2 angemessen. Er ist Eingangsort für die Fuldaer Innenstadt und die nahegelegenen Einrichtungen für Kongresse und Messen.

Die neue überirdische Verbindung kann unterhalb des Sicherheitsbereiches der 110kV Freileitung errichtet werden und ordnet sich unterhalb der vorhandenen Traufhöhe des Empfangsgebäudes ein. Sie ermöglicht den barrierefreien Umstieg und bietet eine einfache Orientierung der Reisenden am Tageslicht. Die vorhandene unterirdische Passarelle wird als schnelle Radverbindung weiterhin genutzt.

Am westlichen Bahnhofsvorplatz wird das ursprünglichen Platzniveau (vor der Tieferlegung) wiederhergestellt, so dass die Funktion des Bahnhofsgebäudes und der umgebenden Platzrandbebauung zurückgegeben werden. Die Menschen und Besucher der Stadt Fulda gewinnen einen wichtigen und lebenswerten Stadtraum zurück.

Am östlichen Bahnhofsvorplatz entsteht durch das großzügige Vordach und die Freitreppe eine neue Eingangssituation, die den ICE Bahnhof auch auf dieser Seite sichtbar macht.


Freiraum

Bahnhofvorplatz West
Der zentrale Bahnhofsvorplatz erhält eine großzügige, dem Bahnhofsgebäude angemessene und freie Vorfläche und stellt den Bezug zwischen Empfangshalle und Kernstadt her. Er wird seiner Bedeutung als Ankunftsort der Reisenden gerecht und schafft eine intuitiv ablesbare Orientierung. Eine neue Touristeninformation, ÖPNV- Haltestelle, Taxistand und die Wegebeziehungen in die Stadt sind deutlich erkennbar. Gleichzeitig wird die aus dem Westen kommende Bahnhofsstraße wieder mit dem Bahnhof zusammengeführt.

Die bisherige Überfahrung des Platzes wird erhalten, aber gestalterisch in den Platz eingebunden. Die Platzränder werden über ein Pflasterfries an die bewegte Platztopografie angebunden.
Der Platz selbst erhält einen parkettartigen Belag aus großformatigem Pflaster in einem zurückhaltenden grau-beigem Farbduktus um den eher heterogenen Fassaden einen ruhigen Rahmen zu verleihen. Ein Großteil der Platzfläche wird freigehalten und kann unterschiedlichsten Nutzungen und Veranstaltungen Raum geben.

Die südliche Platzhälfte bietet mit ihren baumüberstandenen Platzintarsien zwei oasenartige Räume mit besonderer Aufenthaltsqualität im Schatten der Bäume. Die beiden kleinen Plätze schälen sich über Treppen und Sitzstufen aus der Platzfläche podestartig heraus und bieten so spannende Bezüge zur Umgebung. Die nördliche Platzhälfte wird von einem neuen gastronomischen Angebot im Bahnhofsgebäude bespielt und bietet einen interessanten Ausblick auf das Geschehen auf dem Vorplatz. Ebenso finden die Menschen hier unkommerzielle Aufenthaltsmöglichkeiten unter einem kleinen Baumhain, der über der bastionartigen Platzecke steht. Hier wird auch ein klar ablesbarer Standort für Taxis geschaffen, ohne den neu geordneten Platz einzuschränken.

Bahnhofsvorplatz Ost
Der östlich angrenzende Bahnhofsplatz bildet mit dem westlichen Platz gestalterisch eine Einheit. So agieren die neuen Plätze mit dem neuen Querbahnsteig als Bindeglied zwischen den Stadtteilen. Von hier betonen promenadenartige Wegeverbindungen mit klaren Baumreihen die Ost-West-Verbindung, sodass eine einfache Orientierung und Anbindung an den neuen Stadtteil Am Waidesgrund sowie das Kongresszentrum gewährleistet ist. An der nördlichen Platzseite wird eine gut erreichbare Kiss & Ride Zone angeboten.

städtebauliche Einbindung

Phase 01
Die vorgeschlagene Bebauung entwickelt die gründerzeitliche Stadtstruktur konsequent weiter und ergänzt die fehlenden Stadtblöcke im Bereich des jetzigen ZOBs und des Spardabank Gebäudes. Es entstehen bereits in der 1. Phase zwei sich gegenüberliegende U-förmige Gebäude, die einen qualitätvollen Innenhof umfassen. Entlang der Bahntrassen werden lineare Gebäude vorgeschlagen, die die denkmalgeschützten Güterhallen entlang der Straße Am Bahnhof erweitern und gleichzeitig als Schallschutz für die angrenzenden neuen Wohn- und Geschäftshäuser dienen. Teil dieser Bebauung ist auch der neue ZOB mit dem darüber liegenden Parkhaus. Die Bebauung ist auf die Höhenbegrenzungen und Einschränkungen der Medientrassen angepasst.
Den östlichen Auftakt zum Bahnhofareal an der Petersberger Straße bildet ein markanter fünfgeschossiger Gebäudeblock, welcher sich aus den vorhandenen Gebäudefluchten und den neuen Verkehrswegen entwickelt.

Phase 02
Die zukünftige Entwicklung der Ost-West Verbindung zwischen Kongresszentrum und Bahnhofsvorplatz Ost sieht eine Neuordnung des Bereichs südöstlich der Richthalle vor. Dabei soll die jetzige Nutzung des DB Trainingszentrums auf die großen Werkstatthallen konzentriert werden, so dass das Potenzial des innerstädtischen Grundstücks am Übergang zur Richthalle mit direkter Anbindung an den neuen Bahnhof besser genutzt werden kann.
Die neue Bebauung berücksichtigt hier erhaltenswerte Gebäude wie zB. den identitätsstiftenden Schornstein und ermöglicht die Entwicklung eines eigenständigen Quartiers. So entsteht ein neuer Ort mit einer gemischten lebendigen Nutzung als weiteres Bindeglied zwischen Ost- und Westseite der Stadt Fulda.


Verkehr / Mobilität

ÖPNV
Der neue ZOB ist zusammen mit dem Park & Ride Parkhaus direkt am Bahnsteig 1 positioniert. Er bietet 10 Haltepositionen für Stadt- und Regionalbus und verfügt über ausreichende Aufstell-/Warteflächen im Vorbereich. So ist der Umstieg von der Bahn zum ÖPNV bzw. Auto ohne ein Queren der Straße Am Bahnhof möglich. Eine zusätzliche Treppe mit Aufzug führt vom Querbahnsteig zum Bahnsteig 1 und schafft eine kurze barrierefreie Verbindung zum ZOB für mehr Verkehrssicherheit und Komfort.

Fahrradverkehr
Die vorhandene unterirdische Passarelle wird aufgewertet und nur noch für den Fahrradverkehr bereitgestellt. Konflikte zwischen Rad- und Fußgängerverkehr im direkten Bahnhofsumfeld können durch die konsequente Trennung vermieden werden. Über die vorhandenen Rampen ist der radtaugliche Zugang zu den Bahnsteigen gewährleistet und die Fahrradmitnahme in der Bahn bequem ohne Aufzugsanlagen möglich. Die überdeckelten Räume der ehemaligen Geschäftszone werden in ein modernes und großzügiges Fahrradparkhaus sowohl auf der West- als auch auf der Ostseite umgewandelt, sodass hier eine perfekte Infrastruktur für eine zukunftsstarke und fahrradfreundliche Stadt entsteht. Auf dem Bahnhofsvorplatz wird die Zu- und Ausfahrt zur Passerelle barrierefrei in den Pavillon der Touristeninfo eingebunden. Die Öffnung wird bewusst an den nördlichen Rand gelegt, sodass der Radfahrer auf der ruhigeren Platzseite eine direkte Anbindung an die Kurfürstenstrasse erhält und nicht wie bisher mit hoher Geschwindigkeit direkt in die Bahnhofstraße geführt wird.

MIV, Phase 01
Das heutige Straßenverkehrssystem im Umfeld des Wettbewerbsbereiches ist stark durch den motorisierten Verkehr geprägt. Zwischen den beiden übergeordneten Verkehrsachsen – im Süden die Petersberger Straße im Zuge der B 458 sowie im Norden Schloßstraße/Heinrich-von-Bibra-Platz/Magdeburger Straße im Zuge der L 3079 – bestehen im Zieherser Weg und Am Bahnhof/Kurfürstenstraße gleich zwei parallele Verbindungen mit Hauptverkehrsstraßen-charakter (einmal westlich, einmal östlich des Bahnhofes). Über Rabanus-, Linden- und Heinrichstraße bestehen weitere dem MIV gewidmete Verbindungen, die durch die Innenstadt- und Altstadtbereiche führen. Die wichtige Fuß- und Radverbindung zwischen Bahnhof und Altstadt im Zuge der Bahnhofstraße ist mehrfach von den Achsen für den motorisierten Verkehr unterbrochen.

Solange beide parallele Hauptverkehrsverbindungen über Am Bahnhof und Zieherser Weg aufrechterhalten werden, ist auch im Bereich des westlichen Bahnhofsvorplatzes für die Straße Am Bahnhof mit erheblichen Verkehrsbelastungen zu rechnen. Auf dem westlichen Bahnhofsplatz soll eine überbreite lichtsignalgeregelte Fußgängerfurt über die gesamte Breite des Ausganges am Bahnhofsgebäude eingerichtet werden (wie z.B. am Hauptbahnhof Hamburg in der Verbindung zu den Einkaufsstraßen) sowie Schrittgeschwindigkeit im Bereich des Bahnhofsvorplatzes angeordnet werden.
Dadurch werden die Verkehre in den kritischen Bereichen klar geregelt und die Attraktivität für die Durchfahrung der Straße Am Bahnhof verringert.



MIV, Phase 02
Das heutige Straßenverkehrssystem kann so weiterentwickelt werden, dass eine zentrale Fuß- und Radfahrerachse vom Kongresszentrum und den östlichen Stadtteilen sowie dem Schulzentrum über den Bahnhof und den Bahnhofsplatz bis zur Altstadt und zum Universitätsplatz entsteht und der Busverkehr den Bereich Bahnhofsvorplatz nach wie vor durchfahren kann. Darüber hinaus soll für die Straßen Am Bahnhof und in Rabanus-, Linden- und Heinrichstraße die erschließenden Funktionen für den MIV zugelassen jedoch die Durchgangsverkehre vermindert werden. Die Verbindungen für den MIV zwischen den Hauptverkehrsachsen B458 und L3079 sollen dann über den Zieherser Weg abgewickelt werden.

Damit kann die heutige Dominanz des motorisierten Individualverkehrs zwischen Bahnhof und Altstadt zugunsten der Bedürfnisse der Stadtnutzer verringert werden. Die klare Struktur der Straßenhierarchie kann hierbei als Leitbild dienen.


Nutzungskonzept

Das denkmalgeschützten Empfangsgebäudes des Hauptbahnhofes wird in allen Bereichen aktiviert. Im Obergeschoss sind Büros und eine DB Lounge integriert, Nahversorger und die Bahnhofsmission im EG, die zentrale Halle wird erlebbar, da der Querbahnsteig im 1. OG anschließt und über Rolltreppen ins Erdgeschoss führt (siehe Skizze Ausblick Empfangshalle)
Das UG ist für die Radfahrer vollständig nutzbar. Hier werden Stellplätze, Service und Werkstatt untergebracht. So entsteht eine moderne Mobilitätsdrehscheibe, die den Anforderungen an die Zukunft

Die Güterhallen entlang der Straße Am Bahnhof werden für freie Kulturnutzungen aktiviert, Künstler können sich einmieten und auf der vorgelagerten Freifläche darstellen.

Bauabschnitte
Entscheidender Vorteil für die Umsetzung der Idee ist, dass für die gesamte Bauzeit des Querbahnsteiges die bestehenden Verbindungen und Funktionen weiter genutzt werden können. Dh. es müssen keine zusätzlichen Provisorien und Übergangslösungen geschaffen werden. Wenn der neue Querbahnsteig fertig gestellt ist, kann mit der Umgestaltung des westlichen und östlichen Bahnhofsvorplatzes begonnen werden.

Wirtschaftlichkeit
Das Sparda Bankgebäude soll im Sinne der Nachhaltigkeit in seiner Grundstruktur erhalten bleiben. Aus diesem Grund wird bereits in der ersten Phase das hohe Satteldach rückgebaut und die Gebäudehülle zusammen mit einer neuen energieeffizienten Fassade gem. aktueller EnEV saniert. Ebenso werden die vorhandenen Ressourcen des Bahnhofsgebäudes besser nutzbar gemacht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit generiert durch das Anheben des Platzes zum oberen Eingangsniveau des Bahnhofs ein auf den ersten Blick bestechendes Bild. Der Bahnhof steht, wie zur Zeit der Erbauung gedacht, ebenerdig in der Stadt! Allerdings stellt sich die Frage ob es nicht lediglich ein „Bild“ bleibt. Denn der Aufwand dieses herzustellen erscheint enorm. Hinzu wirkt die räumliche Situation des Bahnhofsplatzes unbefriedigend. Die bisher baulich getrennte Straße wird nun im Platzniveau geführt und ermöglicht durch ihre Lage im Platz nur eine sehr kleine Vorplatzsituation zwischen Bahnhof und Straße. Ein anderes Verkehrskonzept würde es allerdings erlauben den MIV herauszunehmen und so den Raum deutlich aufzuwerten.

Der Platz selber ist mit den vorgeschlagenen Gestaltungselementen angemessen und mit Aufenthaltsqualitäten aufgeladen. Die beiden Bauminseln definieren einen eigenen Teilraum. Die Flächen für Taxihaltepunkte erscheinen zu gering.

Das über die Gleise geführte Bahnhofsbauwerk ist funktional verlockend, besonders durch die Trennung von Rad- und Fußverkehr, erscheint aber dem Ort in seiner Größe unangemessen. Dazu wird nicht klar warum es sich nach Norden, und nicht nach Süden zum ZOB hin entwickelt. Darüber hinaus geht die Bildkraft des Bahnhofs aus Sicht der Gleise durch das Brückenbauwerk verloren.

Die durch den Umbau zur Radinfrastruktur wegfallenden Läden werden im Hauptbau nachgewiesen, erscheinen als Retailflächen aber relativ gering.

Die Arbeit ist, mit der Rückführung auf die ursprüngliche Situation des Bahnhofs, ein guter Beitrag, erscheint aber von den damit einhergehenden Zwängen, wenig stark. Grundsätzlich ist der Städtebau, mit dem zum Straßenraum der Maria-Ward-Straße geöffneten Block und dem massig wirkenden Gebäude des ZOB wenig ausgearbeitet und undifferenziert. Der südliche Abschluss hingegen wirkt adressbildend und räumlich stark.

Insgesamt enthält die Arbeit wertvolle Anregungen für die weitere verkehrliche und räumliche Diskussion des Bereichs vor dem Bahnhof.
Bahnhofsvorplatz Phase 1

Bahnhofsvorplatz Phase 1

Lageplan Phase 2

Lageplan Phase 2

Visualisierung östlicher Bahnhofsplatz Phase 2

Visualisierung östlicher Bahnhofsplatz Phase 2

Detailausschnitt Vorplatz

Detailausschnitt Vorplatz