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Gutachterverfahren | 09/2017

Cologne.Apart: Stolkgasse Köln - Qualifizierung der Fassade

Rang / Sonderrang

BeL SozietĂ€t fĂŒr Architektur

Architektur

ErlÀuterungstext

Wohnen im Postamt Köln 3

Architektur als Ganzes
Joachim und Margot SchĂŒrmann haben mit ihrem Postamt Köln 3 ein großes InfrastrukturgebĂ€ude monumental, fein und menschlich in die Stadt eingefĂŒgt. Das GebĂ€ude - groß wie ein stĂ€dtischer Block – diente vor allem Maschinen die Briefe sortieren. Die Funktion des Briefverteilzentrums gibt es 35 Jahre nach dem Entwurf und 25 Jahre nach der Fertigstellung des GebĂ€udes an diesem Ort nicht mehr. Die elektronische Post hat die Briefpost weitgehend ersetzt, die verbliebenen Briefverteilzentren sind heute vor allem Paketverteilzentren und befinden sich in der Peripherie.
Eine Umnutzung des GebĂ€udes in dieser hervorragenden innerstĂ€dtischen Lage ist deshalb sinnvoll. Doch anders als bei den meisten Industrie- oder InfrastrukturgebĂ€uden liegt beim BestandsgebĂ€ude ein Gesamtentwurf in einer architektonischen Tiefe vor, der auch den ihm verliehenen ersten Deutschen Architekturpreis nicht ausreichend erscheinen lĂ€sst. Das Postamt Köln 3 ist ein großes architektonisches Werk.
Von der stĂ€dtebaulichen Disposition bis hin zum kleinsten Detail greift hier alles ineinander. In der Tradition der großen Architekturen konnten die SchĂŒrmanns etwas Ganzes in vollem Umfang umsetzen. Mit Demut vor dieser großen Leistung mĂŒssen die Prinzipien und Regeln des GebĂ€udes ergrĂŒndet werden, um in der Metamorphose des zweiten Nutzungszyklus den Geist des GebĂ€udes zu wahren. Der Fassadenentwurf schreibt das GebĂ€ude in diesem Sinne empathisch, aber eigenstĂ€ndig weiter, so dass deutlicher als zuvor seine QualitĂ€ten offenbar werden.


Transparenter Palazzo
Angesichts der GrĂ¶ĂŸe des GebĂ€udes, seiner Proportionen und seiner Gliederung liegt es nahe, dass der Palazzo der italienischen Renaissance dem Entwurf der SchĂŒrmanns als Referenz diente. Sie haben das GebĂ€ude sowohl vertikal in Sockelzone, Mittelzone und Dach, als auch horizontal in einer allseitigen Axialsymmetrie mit Mitten- und Eckbetonung nach klassischen Regeln gegliedert.
Diese Gliederung behalten wir bei und betonen den Charakter des in die Moderne ĂŒbersetzten Palazzos durch transparente MassivitĂ€t. Die Paradoxie dieses Begriffes will scheinbar unvereinbare Eigenschaften von GebĂ€udefassaden - entweder transparent oder massiv - miteinander verbinden. Der neue Fassadenentwurf realisiert beides. Das außenliegende tragende Skelett des Postamts ist von den SchĂŒrmanns mit FensterbĂ€ndern und MauerwerksbĂ€ndern geschlossen worden. Vormoderne Gliederungs- und Proportionsprinzipien werden mit einer modernen Konstruktion verbunden.
Dies ĂŒberfĂŒhren wir in einen gegliederten Baukörper, dessen Vor- und RĂŒcksprĂŒnge erhalten bleiben, dessen nicht-tektonische Felder jedoch mit Mauerwerk und Lochfenstern geschlossen werden. Die Fassade wird durch die Transparenz ihrer Bauteile zu einer mehrlagigen Lochfassade, die je nach Blickwinkel und Lichteinfall unterschiedliche Einblicke ins Innere gewĂ€hrt. Im Streiflicht und aus der Ferne wird dass GebĂ€ude in seiner klassischen MassivitĂ€t durch die glĂ€nzenden OberflĂ€chen seiner Materialien verstĂ€rkt. In der Nahsicht offenbart sich das GebĂ€ude als WohngebĂ€ude, da man je nach LichtverhĂ€ltnissen die Mehrlagigkeit und rĂ€umliche Tiefe der WintergĂ€rten wahrnehmen kann. Im allgemeinen Bild der Stadt, von der Bahn und der NordsĂŒdfahrt, wird das GebĂ€ude glĂ€nzender und massiver als vorher erscheinen, wĂ€hrend aus der Nahsicht die neue Wohnnutzung den Ort verĂ€ndern wird. Durch die Anpassung der großen ÖffnungsflĂŒgel an das Wohnungsraster scheint die neue innere Gliederung des GebĂ€udes subtil durch.
Die neue Einteilung der Wohnungen im Grundriss ist durch eine Anpassung in der Fassadenteilung in den Wendefenstern und in den neu hinzugefĂŒgten Obergeschossen in der Gliederung der ebenfalls neu eingefĂŒgten StĂŒtzen erkennbar. In der neuen Dachzone des GebĂ€udes entsteht aus der Überlagerung von dem alten tektonischen StĂŒtzenraster und den neuen StĂŒtzenraster nach Wohnungstrennungen eine bewusst eingesetzte Rasterstörung.
Um die GrĂ¶ĂŸe des GebĂ€udes an den beiden Hauptfassaden Nord und West deutlicher zu zeigen, wird hier die Fassade bis zum Maximum der AbstandsflĂ€che auf die Höhe von + 77,52 m ĂŒNN gezogen. An der SĂŒd- und Ostfassade wird das Skelett der Fassade als Pergola bis zur Traufe gefĂŒhrt; hier ist die neue Staffelung des dahinterliegenden Baukörpers aus bestimmten Perspektiven zu erkennen.


Menschen an der Fassade
Joachim und Margot SchĂŒrmann haben die Bewegungen der Menschen im Postamt in architektonische Form ĂŒberfĂŒhrt. Die Bewegungen der Menschen im GebĂ€ude sind in transparenten Erschließungszonen an den Außenseiten des Baus wahrnehmbar. Die GlasgĂ€nge an der Straße, die offenen Terrassen mit den Treppen an den Ecken, der glĂ€serne Ring um den Baum im Hof und die glĂ€sernen Treppen auf das Dach zeugen von einer bewussten VerknĂŒpfung der Funktion im Innenraum mit dem inneren Außenraum des Hofes und dem Ă€ußeren Raum der Stadt. Von der NordsĂŒdfahrt kann man die wenigen Menschen in diesen großzĂŒgigen Bereichen sehen. Die Fenster binden das GebĂ€ude zusammen und zeigen eine konsistente Detaillierung.
Die VerknĂŒpfung von Innen und Außen ist eines der Prinzipien des Entwurfes der SchĂŒrmanns. Wir wahren dies. Die Fassade zur Stadt wird zu einem klimatischen und akustischen Zwischenraum der bewohnt werden kann. Umlaufend entsteht eine verglaste Loggia - ein Wintergarten - der den kompakten Wohnraum erweitert. Um die Fassadenzone als Aufenthaltsraum ĂŒberhaupt nutzbar zu machen – in Schallschutzzone 5 und 4 – ist diese mit Glasbausteinen transparent geschlossen, zwischen Belichtung und PrivatsphĂ€re entsteht ein differenziertes VerhĂ€ltnis. Mit zwei 2 x 2 Meter großen einfachverglasten Wendefenstern pro Wohneinheit können die Nutzer die Verbindung zum Außenraum selbst variieren, der Grad der Teilnahme am Außenraum wird zur persönlichen Wahl. Um den Innenhof entstehen wiederum großzĂŒgige Terrassen, die sich nach oben hin immer weiter öffnen. Das architektonische Element der gemauerten BrĂŒstung ĂŒbernehmen wir hier ebenfalls, dahinter liegen an den gefliesten Terrassen vollkommen mit Schiebefaltanlagen geöffnete Wohneinheiten.
WĂ€hrend der Zwischenraum zwischen Innen und Außen zur Stadt hin einen LĂ€rmschutzpuffer mit 35 dB (75 minus 40 dB) darstellt und die dahinterliegende Fassade damit ohne Schallschutzanforderungen sein kann, ist dieser Raum im leisen Innenhof ohne zweite Schicht direkt nutzbar.


Weißbunte Details im Mauermaß
Die feine Detaillierung des BestandsgebĂ€udes beindruckt. Das GebĂ€ude besitzt in seinem ganzheitlichen Entwurf eine Geschlossenheit, die kein Element ohne Bedeutung, kein Bauteil ohne Bezug zum Ganzen sein lĂ€sst. Alle Teile des GebĂ€udes sind aufeinander abgestimmt, dies gelingt den SchĂŒrmanns durch eine durchgehende Planung im Mauermaß und eine konsistente Proportionierung aller Teile untereinander. Betonstruktur, Mauerwerk, Metallbau- und Glasarbeiten sind in herausragender QualitĂ€t. Dies gilt es zu erhalten.
Die neue Fassade arbeitet mit dem Bestand und ergÀnzt diesen mit vervollkommnenden Materialien und Bauteilen.
Das SchĂŒrmannsche Postamt entspricht den bauphysikalischen Anforderungen eines InfrastrukturgebĂ€udes von vor 30 Jahren. Um die Bauteile und Materialien in ihrer Detaillierung und AusfĂŒhrung im Original zu erhalten, wird die Ă€ußere Schicht zur kalten Außenhaut, die wĂ€rmeschĂŒtzende KlimahĂŒlle liegt weiter Innen. Zwischen diesen beiden Fassadenebenen entsteht ein Zwischenraum, der zur Stadt als schallgeschĂŒtzter Loggia fungiert, zum Innenhof als offener Terrassenraum. Die hintere wĂ€rmedĂ€mmende Schicht bildet in beiden FĂ€llen rosa eloxierte Schiebe-Falt-Anlagen aus Aluminium. Die GleichmĂ€ĂŸigkeit der Faltanlagen ĂŒbernimmt die durchgehende Rasterung des SchĂŒrmannbaus im 6875 cm-Maß, mit je 10 Elementen zwischen den StĂŒtzen, die wiederum eine Breite von 61 5 cm aufweisen. Der gleichbleibende Rhythmus von 6875 cm tritt auf der Innenhoffassade deutlich zutage, hier fĂŒgen sich die Faltanlagen zu einem kontinuierlichen Band zusammen. In den aufgestockten Obergeschossen ohne BestandsstĂŒtzen wird das kleinere Maß der StĂŒtzen durch Blindpanel in Aluminium gezeigt um hier die KontinuitĂ€t der Neubauteile her zu stellen.
Das Farbspektrum des BestandsgebĂ€udes von hellgrau, beige und weiß wird um weitere Farben mit geringer SĂ€ttigung erweitert, so dass das GebĂ€ude mit seiner neuen, zurĂŒckhaltenden Buntheit den Prozess der Umwidmung subtil ablesbar macht ohne den Charakter des GebĂ€udes zu ĂŒberformen. Zu Hellgrau, Beige und Weiß kommen nun Silber, Rosa, Hellblau und HellgrĂŒn dazu.
Die beigen Betonsteine des Bestandes besitzen ein Maß von 285 x 19 cm. Der Beton von StĂŒtzen und Decken ist hellgrau ist scharfkantig im Sichtbereich und gefast im Greifbereich ausgefĂŒhrt.
Die klaren, leicht tĂŒrkisen Glasbausteine im NF-Format passen sich maßlich mĂŒhelos in den komplett im Mauermaß geplanten Bau ein. Dort wo die BrĂŒstungen aus den beigen Betonsteinen nicht einer Absturzhöhe entsprechen, werden diese transparent mit Glasbausteinen aufgemauert. Die BĂ€nder der weißen Aluminiumpaneele im Bestand werden von auf BrĂŒstungshöhe mit Witjes-Hellblau (der Grundton der Delfter Kacheln) glasierten massiven 10-DF Porotonsteinen geschlossen.
Im Wintergarten sind die originalen Betondecken sichtbar. Der Boden wird mit rosafarbenen Fliesen bekleidet. Die DĂ€mmung erfolgt im Inneren in den geplanten abgehĂ€ngten Decken und im ausgleichenden Fußbodenaufbau.
Dank der nicht vorhandenen Klimaanforderungen können die silbernen Stahlprofile der Wendefenster der WintergÀrten auf ein Minimum reduziert werden, so dass dies den wissenden Betrachter an lÀngst vergangene feingliedrige Zeiten vor der ENEV denken lÀsst.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit einer sehr zurĂŒckhaltenden Strategie des „Weiterbauens“ entwickeln die Verfasser eine Lösung, die sehr behutsam und respektvoll mit dem GebĂ€ude umgeht und es dennoch mit eindeutigen Interventionen vermag, eine klare EigenstĂ€ndigkeit in der Architektur zu erzeugen. Dabei werden dezent gewĂ€hlte Farben mit den ursprĂŒnglichen Materialen sehr geschickt komponiert. Die Kubatur wird durch die Ausbildung einer zweigeschossigen Attika deutlich verĂ€ndert und verleiht dem Haus einen kompakten krĂ€ftigen Charakter. Die Jury empfindet die sehr qualitĂ€tsvolle und im Detail durchgearbeitete Lösung in diesem Punkt sehr kritisch und fĂŒr nicht realisierbar. Zudem werden Zweifel an der Gesamterscheinung des Hauses in Bezug zu einer erfolgreichen Vermarktung geĂ€ußert. Hiervon jedoch unbenommen wird die Arbeit als sehr qualitĂ€tsvollen konzeptionellen Umgang mit dem GebĂ€ude eingeschĂ€tzt, den es ausdrĂŒcklich zu wĂŒrdigen gilt.