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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2019

Travecampus der Handwerkskammer Lübeck - Neubau einer Bildungsstätte, eines Fortbildungszentrums und einer Berufsschule

Anerkennung

blrm

Architektur

MAN MADE LAND

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

WerkBerg
Das Handwerk ist ein besonders bunter, lebendiger, persönlicher und dynamischer Wirtschaftsbereich. Handwerk ist intelligent, innovativ, bodenständig und kreativ zugleich. Auf einem rund fünf Hektar umfassenden Areal an der Kronsforder Landstraße in Lübeck-Genin entsteht der Trave-Campus als fortschrittliches Dienstleistungszentrum für Handwerksbetriebe - ein handlungsorientierter Lern- und Lebensraum. Denn hier wird gearbeitet, gelernt und gelebt. Die unterschiedlichen Raumtypologien werden übereinander geschichtet, überlagert und miteinander verzahnt. Der Trave-Campus bietet in seiner offenen, flexiblen Struktur und seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten eine interpretative horizontale und vertikale, hochhybride Landschaft: den „WerkBerg“.

Eine Lernumgebung für eine sich verändernde Zukunft.
Das Gebäude ist Heimat für drei Bildungseinrichtungen der Handwerkskammer Lübeck an einem gemeinsamen Standort im Süden Lübecks - die Berufsbildungsstätte Travemünde, die Landesberufsschulen der Handwerkskammer Lübeck und das Fortbildungszentrum der Handwerkskammer. Der Campus steht für einen Ort der Wissensvermittlung von der Berufsorientierung, über die Lehrlingsausbildung und Meistervorbereitung bis zur Weiterbildung auf Bachelor- und Masterniveau. Das Handwerk steht für die Verbindung von Tradition und Entwicklung, technologischer Fortschritt wird stets mit Erfahrungswissen verbunden. Die flexible Struktur des „WerkBergs“ ist auf die Anpassung an Veränderungen in Beruf und Gesellschaft sowie neue Erkenntnisse in Pädagogik und Didaktik ausgerichtet.
Denn die angebrochene Ära der vierten industriellen Revolution führt uns vor Augen, dass die Zukunft des Handwerks stark von seiner Anpassungsfähigkeit und der Fähigkeit abhängig ist, Technologie und Produktion in die Arbeitsabläufe zu integrieren. Daher besitzt der „WerkBerg“ zunächst keine festgeschriebenen Nutzungsmuster. Die tiefe Struktur und Organisation des Gebäudes basiert auf einem hoch anpassungsfähigen Raster. Auf diese Weise ist dieses zukunftsorientierte Gebäude bereit, sich zu verändern und anzupassen, wenn neue Bedürfnisse und damit auch neue Berufe entstehen.

Die Drehung des Rasters.
Das regelmäßige Grundraster des Gebäudes wird in den einzelnen Quadranten gedreht und gestapelt, um eine horizontale sowie vertikale, hybride Landschaft entstehen zu lassen. Dadurch wirkt das Gebäude in seiner Anmutung kleiner und differenzierter - es bildet voneinander unabhängige Einheiten mit eigener Adresse nach Außen, die die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Gebäudes unterstützen. Im Inneren des Hauses ergibt sich eine Reihung kleinerer Plätze, die zusammen mit zwei Innenhöfen und zwei Atrien für gute Tageslichtbedingungen innerhalb des Gebäudes sorgen. Mit der vorgeschlagenen Gestalt- und Formbildung kann der „WerkBerg“ nach Synergie- und Flexibilitätsprinzipien organisiert werden.

Die Schule als Netzwerk.
Die Schule von heute und von morgen ist eine Netzwerkschule. Hier treffen sich die Schüler und Schülerinnen, arbeiten gemeinsam und inspirieren sich gegenseitig, indem sie die Raumvielfalt der Schule nutzen und ihre Lernangebote und ihre Lernorte selbst suchen. Die Werkstätten reihen sich um das Zentrum und Herz des „WerkBergs“, in dem alle Funktionsbereiche miteinander verbunden sind. Dieser große sich über mehrere Geschosse entwickelnde offene Innenraum enthält die Mensa, die Theorie-Cluster, offene Bereiche für Arbeit in kleinen Gruppen. Die Werkstätten sind präzise auf ihre Funktion abgestimmt. Gleichzeitig kann die Programmierung verändert oder angepasst werden, falls dies in Zukunft erforderlich ist. Die Schule bietet eine Vernetzung von abwechslungsreichen Lern- und Lebensräumen - Gruppenräume, Nischen, Rückzugsorte und Werkstätten können von den Schülern je nach persönlichem und/oder projektspezifischem Lernbedürfnis aufgesucht werden. Innerhalb des Gebäudes ergeben sich vielfältige Sichtverbindungen zwischen den verschiedenen Werkstätten sowohl auf derselben Ebene als auch über die Geschosse hinweg. Kompakte Geschosse werden durch verglaste Atrien aufgelockert, die zugleich als Kommunikationsräume dienen. Die Kommunikation der Nutzer untereinander wird angeregt, neue Arbeits- und Produktionsmethoden können ausgetauscht sowie Synergiefelder innerhalb der verschiedenen Handwerksberufe entdeckt werden.

Der Campus als räumliches Mosaik.
Das Gebäude ist klar nach den grundlegenden Gebäudetypologien Werkstatt, Lernräume und Gästehaus organisiert, die jeweils unterschiedliche Qualitäten aufweisen. So ist der „WerkBerg“ als geschichtete Landschaft aufgebaut: Das Erdgeschoss ist als offener Plan organisiert, der die Vernetzung, Veränderung und das Lernen unterstützt. Das 1. Obergeschoss ist als Atriumgebäude organisiert, welches Synergien zwischen den Programmen schafft und Raum für die kleineren Funktionsbereiche bietet. An der Bergspitze ist das Gästehaus als Kammstruktur organisiert, die optimale Tageslichtbedingungen, vorgelagerte Außenräume und Privatsphäre gewährleistet. Unterricht kann sowohl im Innen- wie im Außenraum stattfinden. Die beiden Höfe im „WerkBerg“ sind entsprechend programmiert. Ein grüner Innenhof lädt zum Erholen und Sinnieren ein. Der andere Hof besitzt harte Oberflächen und kann als Werkhof im Freien genutzt werden. Im Außenbereich bietet die Rasterstruktur überdachte Außenbereiche, geschützte Arbeits- und Wohnbereiche sowohl im Freiraum als auch auf den Dächern.

Der Freiraum als Berglandschaft.
Der Freiraum interpretiert die verschiedenen benachbarten Außenräume: die Naturräume des Biotops und die landwirtschaftlichen Strukturen. Die offenen Flächen verschmelzen mit der Landschaft und bilden eine Abfolge aus mineralischen und begrünten Flächen. Ein System aus Vegetationslinien, die mit schnell wachsenden Büschen, hohen Gräsern und Baumgruppen (z.B. Pinus sylvestris, Populus alba, Betula pendula und Fagus) bepflanzt sind, überschneidet sich mit dem neuen Raster und bricht dessen starke Geometrie. Das heterogene Programm des Hauses trifft mit seinen vielfältigen Charakteren auf den offenen Raum. Die funktionalen Anforderungen werden zum Parameter des Gesamtbildes: Die Tektonik des Gebäudes wird in eine Abfolge von verschiedenen horizontalen Flächen übersetzt, die für möglichst viele Zwecke ausgelegt sind. Außenwerkplätze, Stellplätze, Sportflächen und Eingangsplätze sind Teil dieses Musters und bieten den Nutzern eine aktive und dynamische Landschaft.
Die Stellplatzflächen fügen sich in das Programmmosaik ein. Eine klare Service-Schleife umfährt das gesamte Gebäude und ermöglicht den Zugang zu den in die Freiflächen integrierten Taschenparkplätzen und die Anlieferung der Werkstätten und der Mensa. Events, Kioske, Skatepark und Sportaktivitäten bereichern zusätzlich das bunte Leben auf dem Campus.
Die Natur klettert über das Gebäude. Das Dach wird zum Lebens- und Erholungsraum. Sie ist mit einem durchgehenden grünen Patchwork bedeckt, das die Nachhaltigkeitsfaktoren des Gebäudes und die Biodiversität des gesamten Gebiets erhöht. Eine Mischung aus Kräutern, Blütenpflanzen und hohen Gräsern bildet die grüne Struktur der Dachlandschaft und fungiert zudem als effiziente Schicht für das Regenwassermanagement. Das grüne Dach erhöht die Biodiversität, reduziert sowohl den Anteil an CO2 in der Luft als auch die Temperatur ("Heat Island Effect"). Zudem kann es Feinstaub, Smog, Schwermetalle und flüchtige, organische Verbindungen aus der lokalen Atmosphäre binden und hat somit eine positive Wirkung auf die Qualität der Luft und die Gesundheit der Nutzer. In ausgewählten Bereichen bieten Dachterrassen Austritte aus den Lernräumen im 1. Obergeschoss und Freisitze für das Gasthaus im 2. Und 3. Obergeschoss.

Materialität, Ökologie und Nachhaltigkeit
Grundsätzlich liegt ein Augenmerk auf dem energieeffizienten, ressourcenschonenden Bauen; die Gesundheit und der Komfort des Nutzers stehen im Vordergrund. Das Tragwerk ist als wirtschaftliche Stahlbetonskelettkonstruktion im 7.00 Meter Raster mit aussteifenden Stahlbetonkernen konzipiert. Der repetitive Charakter des Gebäudes steigert die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes: Komponenten können in hoher Stückzahl bestellt werden, ein hoher Vorfertigungsgrad ist möglich. Die Zukunftsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit des Gebäudes unterstreichen den nachhaltigen Charakter. Dauerhaftigkeit der eingesetzten Materialien und Oberflächen ermöglichen lange Gebrauchszeiten. Vielfältige Synergieflächen und Sichtbeziehungen, sowie zahlreiche Begegnungs- und Kommunikationsräume wirken sozial nachhaltig.
Die Einfachheit der Fassade spiegelt die innere Organisation wider. Die Außenflächen der Stützen und Träger erhalten eine hinterlüftete Fassade aus Faserbetonpaneelen, während die Füllungen aus Fensterflächen und verschiedenen opaken Materialien (z.B. Faserbeton, Fliesen, Mauerwerk, Industrieglas) bestehen können. Eingänge setzen sich durch eine Holzeinkleidung aus Lärchenholz ab. Der nachwachsende Rohstoff Holz kommt an „nutzernahen“ Flächen zum Einsatz, z.B. Fensterrahmen, Schienen und Beschilderungen. Im Inneren des Gebäudes werden die gleichen Materialien eingesetzt, um den Übergang zwischen dem Inneren und dem Äußeren verschwimmen zu lassen. Das Gebäude bietet neben den Außenfassaden eine optimale natürliche Belichtung und Belüftung durch Innenhöfe, Atrien und Oberlichter. Es wird eine möglichst umweltschonende und gleichzeitig betriebskostenoptimierte technische Gebäudeausrüstung mit „Low-Tec“- Ansatz angestrebt, welche eine direkte Einflussnahme des Nutzers ermöglicht. Es werden zwar effiziente, aber gleichermaßen robuste und zuverlässige regenerative Energiekomponenten eingesetzt. Photovoltaik- und Solarthermie-Elemente belegen die hochgelegenen Dachflächen und versorgen das Gebäude. Ein ganzheitlicher Ansatz zur Abwasserentsorgung schont die Ressource Trinkwasser und hilft gleichzeitig, das anfallende Abwasser zur Energiegewinnung zu nutzen.