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Offener Wettbewerb | 04/2019

Umgestaltung des Paradeplatzes in Forchheim

Stadtbühne mit Wasserspiel

Stadtbühne mit Wasserspiel

Anerkennung

Preisgeld: 3.333 EUR

NMM [Nicole M. Meier] LandschaftsArchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

LAGE IN DER STADT & VERKEHRSSITUATION
Der Paradeplatz liegt in der Forchheimer Innenstadt und ist über die Bundesstraße und Klosterstraße sehr gut zu erreichen. Derzeit sieht die Innenstadt eine hohe Verkehrsbelastung durch motorisierten Individualverkehr. Trotz zweier günstig gelegener Parkhäuser, herrscht ein reger Durchgangsverkehr in Nord-Süd-Richtung. Der Entwurf regt an, über ein Einbahnstraßensystem die Durchfahrung zu unterbrechen, ohne alle Kurzhalteparkplätze vor dem Einzelhandel zu entfernen. Die Verbindung Nürnberger Straße und Paradeplatz wird für den MIV gesperrt und ist nur noch für Busse, Taxis und Pkws mit Behindertenausweis befahrbar, sodass hier der Fußgänger und der Nutzer des ÖPNV deutliche Priorität zugesprochen bekommt. Das Verkehrsaufkommen am Platz wird reduziert zugunsten einer höheren Aufenthaltsqualität. Für den Nahversorger am Paradeplatz wird vorgeschlagen, einige Stellplätze in der TG kostenlos anzubieten.

PLATZENSEMBLE - VERGANGENHEIT UND VISION
Die historische Situation des von Baumreihen definierten Paradeplatzes wird aufgegriffen und modern interpretiert. Die Verbindung mit dem Marktplatz wird über die westliche und östliche Spange geschaffen. Letztere sieht eine Fortsetzung der Baumreihe entlang der Fahrbahn bis zum Marktplatz vor. Die historischen Gebäude Alte Wache und Kommandatur bleiben wichtige optische Bezugspunkte, eine Blickbeziehung zwischen den beiden Gebäuden bleibt auch weiterhin bestehen. Neue Raumkanten werden durch neue Bäume bzw. Kleinarchitekturen geschaffen. Das Ensemble der Marienstatuen verbleibt auf dem Platz, orientiert sich an der Linie der Wasserfontänen der Stadt-Bühne und erhält durch die mehrstämmigen Kirschbäume einen räumlich wirksamen Hintergrund. Das Bächle der Hauptstraße wird nach Süden auf den Paradeplatz verlängert und definiert hier den Auftakt zur Fußgängerzone.

FUNKTIONSRÄUME
Der Wochenmarkt findet weiterhin auf dem Paradeplatz statt, der kleinere Bauernmarkt am Marktplatz. Hierfür werden einige Stellplätze temporär genutzt. Für den Marktplatz schlägt der Entwurf außerdem einen dauerhaften Biergarten vor, um den zentralen Bereich zu beleben. Dieser könnte vom Gasthaus Marktplatz betrieben werden und über eine Außenschänke versorgt werden.
Die Stadt-Pergola am Paradeplatz vermittelt zwischen der Bushaltestelle und der Stadthalle und empfängt die ankommenden Besucher. Auf der Stadtbühne können Veranstaltungen stattfinden oder aber sie wird mit einem Wasserspiel belebt und lädt zusammen mit der Sonnenbank an der TG-Rampe und der Stadt-Pergola zum Verweilen ein. Das Felsen-Plateau als Remineszenz an die Landschaft der Fränkischen Schweiz bietet einen grünen Raum zum Verweilen in schattigen Bereichen unter Kirschbäumen.

BEWEGUNGSRÄUME: FAHRRAD, FUßGÄNGER, ÖPNV & MIV
Die neue Platzgestaltung will sowohl den ÖPNV stärken, als auch die Durchfahrung der Altstadt in Nord-Süd-Richtung einschränken. Um Straßensperrungen zu vermeiden, werden Einbahnstraßen eingeführt, die ein Erreichen des Einzelhandels erlauben, den Durchgangsverkehr aber unterbinden. Weiterhin gibt es 2 Behinderten-Stellplätze, 3 Kurzzeitparkplätze, eine Taxi-Wartezone, Bushaltestellen, eine Touristenbus-Haltezone, sowie Fahrradstellplätze (teilweise überdacht). Der vorhandene, funktionierende Kreisverkehr wird als Shared Space-Lösung beibehalten.

GESTALTUNGSKONZEPT UND REGIONALE IDENTITÄT
Forchheim wird auch als das “Tor zur Fränkischen Schweiz” bezeichnet. Regionale architektonische und landschaftstypische Elemente dienen somit als Inspiration für die Gestaltung des Paradeplatzes. Das typische Bild der Fachwerkhäuser findet sich abstrahiert in der Struktur der Architekturen auf dem Platz wieder (Stadtpergola, Bus-Häuschen, Überdachung der TG-Zugänge), Naturfelsen und Kirschbäume nehmen Bezug auf die regional typischen Landschaftselemente.

STADT-BÜHNE und FELSEN-PLATEAU
Im nordöstlichen Platzbereich, südlich der Alten Wache, behält der Platz seine Großzügigkeit bei und dient in Form der sogenannten Stadt-Bühne als multifunktionale Fläche. Das Wasserspiel und die Sonnenbank, die die TG-Abfahrt umgibt, laden ebenso zum Verweilen ein, wie die Sitzelemente unter der Stadt-Pergola. Diese orientiert sich sowohl in Richtung Stadtbühne als auch in Richtung Bushaltestellen und vermittelt als transparenter Paravent zwischen den beiden Platzseiten. Zudem wird partiell Wetterschutz in die Konstruktion aus lackierten Stahl-Hohlpofilen integriert.
Auch in der Materialität der Oberflächen stellt der Entwurf einen regionalen Bezug her. Das bereits in der Altstadt verwendete Gestaltungskonzept mit Granitplatten und Granitpflaster wird fortgeführt. Der Platz selbst wird durchgängig mit einem Plattenbelag aus Granit überzogen. Eine Unterbrechung findet nur im Bereich der Fahrspur der Busse statt, die gepflastert wird. Die Haltebuchten selbst sind aus Platten in gebundener Bauweise. Für die Stadt-Bühne als Sonderelement werden Platten aus bruchrauem Granit im gleichen Format vorgeschlagen. Das Wasserspiel besteht aus einigen linear angeordneten Wasserdüsen. Hier wird das bestehende Gefälle des Platzes genutzt, wodurch das Wasser vom Hochpunkt als Wasserfilm in Richtung nordwestlicher Platzkante fließt und in Rinnen aufgefangen wird. Für die Brunnentechnik ist ein Raum in der TG vorzusehen.
Die Felsen der Fränkischen Schweiz werden in Form von Felseninseln auf den Paradeplatz geholt. Der südwestliche Platzbereich wird zur Haupstraße hin minimal angehoben, sodass sein derzeit starkes Gefälle reduziert wird. Dadurch wird ein kleines “Plateau” herausgearbeitet, das sich im Bereich der Hauptstraße durch 5 Stufen abhebt und sich dann in Richtung Stadtbühne mit den seitlich verlaufenden, ansteigenden Fußwegen verschneidet. Steinerne Böschungen erlauben das Anfüllen von Leichtbau-Substrat und die Pflanzung von Kirschbäumen als natürliche Schattenspender. Naturfelsen, die zwischen die Inseln eingestreut werden dienen einerseits als informelle Sitzmöglichkeiten, andererseits als Spielelemente (z.B. in Kombination mit kleinen Einbauten). Die vorhandenen Linden werden durch die Neupflanzung von Kirschen ergänzt. Hier wiederholt sich auch das Element der Pergola, die TG-Zugang und -Belüftung, sowie Fahrradparker, einen Mini-Kiosk und eine lange Sitzbank, die sich zum Felsenplateau hin orientiert, unter sich vereint.

LANDSCHAFTSELEMENTE & VEGETATION
Die bestehende Lindenreihe am westlichen Platzrand wird ergänzt durch in grünen „Felseninseln“ gepflanzte Kirschen. Darunter wachsen je nach Lichtverhältnissen Blütenstauden, Farne und Gräser. Die Baumeihe am östlichen Platz wird bis zum Marktplatz fortgesetzt und fasst diesen räumlich. Die Nürnberger Straße wird durch Pyramiden-Hainbuchen ergänzt. Große Felsblöcke werden an geeigneten Stellen eingestreut und verweisen auf Forchheims Bedeutung als Tor zur Fränkischen Schweiz.

BELEUCHTUNKSKONZEPT
Mastleuchten mit mehreren Leuchtmitteln in unterschiedliche Richtungen leuchten den Platz aus. Die Struktur von Stadtpergola, Kioskkonstruktion und Wartehäuschen wird durch eingebaute Leuchten dezent betont. Weitere dezente Effektbeleuchtungen sind für die Statuen oder das Wasserspiel denkbar. Eine dezente Inszenierung der historischen Fassaden der Kommandatur und der Alten Wache akzentuieren nachts die östliche und die westliche Platzgrenze. Fahrbahn und die Fußwege werden DIN-gerecht ausgeleuchtet.

Beurteilung durch das Preisgericht

„Stadtbühne und Felsenplateau“ bilden den entwurfsleitenden Gedanken der Arbeit, der in zwei Platzbereichen mit unterschiedlicher Charakteristik umgesetzt wird. Der auf den ersten Blick originelle Entwurfsansatz offenbart bei näherer Betrachtung allerdings zahlreiche Schwächen und führt im Preisgericht zu kontroversen Diskussionen.
Die Eingrenzung eines inneren Platzbereichs durch Treppenanlagen zur Kommandantur und großzügig ausgedehnte Pergolen führt zu einer räumlichen Ausgrenzung des Platzes aus dem Gefüge des öffentlichen Stadtraumes und erzeugt Probleme für eine barrierefreie Erschließung. Andererseits können hier verschattet Bereiche mit Aufenthaltsqualität geschaffen werden.
Die freie Stellung der Bäume im Felsplateau suggeriert einerseits eine atmosphärische Qualität, andererseits wirkt dieses Motiv im städtischen Kontext deplatziert und verstellt darüber hinaus auch die Blickbeziehung zur Kommandantur. Die Positionierung der Mariengruppe ist denkbar.
Auch die Weiterführung des ‚Bächla‘ findet unterschiedliche Bewertungen: die Verlängerung des Wasserbandes aus der Hauptstrasse in den Platzbereich schafft zwar eine räumliche Verbindung wirkt aber zugleich auch als Zäsur zwischen Kommandantur und Platz. Die Anfahrbarkeit der Hauptstrasse wird hierdurch stark behindert.
Die verkehrlichen Belange sind erfüllt. Die Gestaltung des Kreuzungsbereichs Klosterstrasse/Paradeplatz als shared-space ist denkbar, hält aber auch die Option einer Kreisverkehrslösung offen. In der Kombination mit den angrenzenden Pergolen wirkt die Gestaltung der Südseite Paradeplatz durch die beidseitige Anordnung der Busparkplätze sowie einer harten Fahrbahnführung allerdings verkehrsbezogen.
Zusammenfassend wird der städtebauliche Ansatz des Ausgrenzens der Platzfläche mit Zufahrtsrampe zur TG, Treppenanlage und Pergolen als nicht zielführend bewertet. Die Funktion des neuen Platzes als zentraler öffentlicher und für alle gut zugänglicher Raum wird hierdurch entscheidend eingeschränkt. Die denkmalfachlichen Belange sind nicht erfüllt. Die mit dieser Konzeption erwarteten atmosphärischen Qualitäten können diese Defizite nicht kompensieren.
Lageplan Paradeplatz

Lageplan Paradeplatz

Querschnitte

Querschnitte

Detail Stadtbühne

Detail Stadtbühne

Detail Felsenplateau

Detail Felsenplateau