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Nichtoffener Realisierungswettbewerb mit nachgeschaltetem Verhandlungsverfahren | 08/2018

„Blau-Grünes Band“ - Grün- und Freiflächplanung in den Fischbeker Reethen in Hamburg

1. Preis

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

DAS BLAU-GRÜNE BAND IM FISCHBEKER REETHEN

SITUATION

Städtebau
Im Südwesten Hamburgs, im Stadtteil Neugraben-Fischbek, entsteht das Modellprojekt „Fischbeker Reethen“ als vielfältiges und gleichzeitig kompaktes Quartier, in dem Wohnen und Arbeiten im Alltag gut miteinander kombiniert und unter dem Leitbild „Gartenstadt des 21. Jahrhunderts“ die Siedlungsentwicklung mit der Landschaftspflege sowie mit Naherholungsqualitäten zusammengeführt werden soll.
Das städtebauliche Konzept beruht auf einer Grundstruktur aus bestehenden Landschaftslinien und Wegen und knüpft an vorhandene landschaftliche und städtebauliche Strukturen im Umfeld an.
Drei großzügige, lineare Freiräume in Nord-Süd-Richtung integrieren die Fischbeker Reethen in die natürliche Umgebung und ermöglichen die Verbindung in den umgebenden Landschaftsraum. Das charakteristische Freiraumelement des Entwurfes ist das in West-Ost-Richtung verlaufende Blau-Grüne Band, welches neben attraktiven Spiel, Bewegungs- und Aufenthaltsflächen auch gewerbliche Angebote, wie beispielsweise die Gastronomie am zentralen Quartiersplatz, für Bewohner und Besucher bereithält. In einem integrierten Konzept sollen diese vielfältigen Freiraumangebote mit den Belangen der Oberflächenentwässerung verbunden werden. Das Blau-Grüne Band stellt sicher, dass in den Fischbeker Reethen das freiraum- und naturverbundene Wohnen im Vordergrund steht.

Landschaftsraum
Fischbek befindet sich am Geestrand, aber noch innerhalb des Großbereiches der Süderelbmarsch, einer von Gräben durchzogenen, tiefliegenden, durch geringe Geländetopographie geprägten Landschaft, die durch das oberflächennahe Grundwasser bzw. Stauwasser beeinflusst ist.
Im Norden des neuen Quartiers schließt das Naturschutzgebiet Moorgürtel an. Dieses geht in die Kulturlandschaft des Alten Landes über – eines der größten zusammenhängenden Obstanbaugebiete Mitteleuropas.
Nach Süden erstreckt sich das Naturschutzgebiet der Fischbeker Heide. Es umfasst eine Heide- und Waldlandschaft, die nach der Lüneburger Heide die zweitgrößte Kulturlandschaft dieser Art in Deutschland ist. Die Fischbeker Heide ist Teil der Geest.


KONZEPT

Exkurs Geest und Marsch
Die Geest bezeichnet eine Landform, die während der Eiszeiten durch das von Gletschern mitgeführte und abgelagerte Material, den Geschiebemergel, gebildet wurde. Geestlandschaften liegen deshalb generell höher als die Marsch.
Die Marsch ist eine deutlich jüngere Landform, die aufgrund des Tideeinflusses der Elbe durch periodische Überschwemmungen und damit verbundenen Ablagerungsprozessen gekennzeichnet ist. Unterschiedliche Sedimentationsbedingungen gliedern die Marsch in das ufernahe, stark durch die Sedimentation geprägte Marsch-Hochland mit seinen fruchtbaren Böden, und das geestnahe, abflusslose und vernässende Marsch-Sietland mit seinen Moor- und Bruchwaldflächen.
Geest und Marsch prägen den Hamburger Raum mit naturnahen oder kulturell überformten Landschaften von besonderem Reiz und hohem identitätsstiftendem Wert.

Diese landschaftsräumliche Besonderheit des Elbe-Urstromtals, die Thematik von Geest und Marsch, wird aufgegriffen und auf die Freiräume der Fischbeker Reethen übertragen. Auf diese Weise wird zur Bildung einer eigenständigen Atmosphäre des Quartiers beigetragen.

Ökologische Fugen: Moor
Die in Nord-Süd-Richtung verlaufenden linearen Freiräume stellen die Verbindung über die Bahngleise im Norden des Gebietes in das Naturschutzgebiet Moorgürtel her. Ihr Schwerpunkt ist die Vernetzung mit der Landschaft und damit auch die Bereitstellung eines Rückzugsortes für Fauna und Flora. Typische Vegetationsformen bestimmen ihre Gestaltung und verleihen ihnen einen eigenständigen Charakter. So ist der Grünzug der Rethenbek als naturnahes Fließgewässer mit Ufervegetation konzipiert. Die Prägung des als Boulevard bezeichneten mittleren Grünzugs orientiert sich am Bild des Birken-Bruchwalds. Als dritte Fuge, die das Moor im Inneren des Quartiers erlebbar macht, erhält die „Panzerrampe“ grüne Inseln mit typischer Moorvegetation.

Blau-Grünes Band: Marschwiesen
Die Gestaltung des für Freizeit und Erholung der Bewohner zur Verfügung stehende Blau-Grüne Band greift die Merkmale der kulturell überformten Landschaft der Marschwiesen auf. Typische Elemente des Alten Landes wie Entwässerungsgräben, Deichwege und Wiesenlandschaften werden auf den Freiraum des Parks übertragen. Die charakteristischen Obstbäume finden sich in den Twieten wieder. Durch die Topographie von Mulde und Hügel entstehen 2 große Spielplätze mit besonderen Themen: Der Spielplatz „Matsch und Moor“ und der „Heide-Hügel“.

ENTWURF

Ein Spaziergang durch das Blau-Grüne Band - Der Raum, der Weg und das Marschland
Aus Neu-Wulmstorf kommend stellt der Platz Entree-West den Auftakt in den Park dar. Eine Reihe aus Obstbäumen und eine Pflanzschale mit Heidevegetation begrüßt den Besucher mit typischen Landschaftselementen aus der Region. In der benachbarten, leicht tiefer liegenden Rasenfläche treffen sich Jugendliche zum „chillen“ oder um sich an Fitnesselementen sportlich zu messen. Der vom Platz in den Park leitende, ca. 3m breite Hauptweg erschließt an dieser Stelle die an den Rändern befindlichen Wohnhäuser. Gleichzeitig inszeniert die mäandrierende Wegeführung die Parklandschaft und ermöglicht immer wieder neue und überraschende Blickbeziehungen. Nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ führt dieser „Panoramaweg“ durch das Blau-Grüne Band und macht dieses in besonderer Weise erlebbar. Er steht für Spaziergänger mit gemächlichem Tempo, aber auch für schnellere Nutzer wie Jogger oder Radfahrer zur Verfügung. Die Oberfläche aus Ortbeton mit dem Abdruck von Holzbohlen, dem Prinzip von Beton-Holzschalung entlehnt, verleiht ihm die Anmutung eines landschaftlichen Holzsteges, ist aber gleichzeitig barrierearm, dauerhaft und pflegeleicht. Ein besonderes, an Deichwege erinnerndes Merkmal ist die ca. 40cm hohe Sitzkante zum Park, die sich immer dort ergibt, wo die sanft geneigten Parkwiesenflächen ihre tiefste Stelle haben. Am Wegesrand sitzend schaut man den vielfältigen Aktivitäten der Parknutzer zu, denen die Parkmitte z.B. zum Bolzen oder Federballspielen, aber auch zum Sonnenbaden oder Lesen im Schatten der Bäume zur Verfügung steht. Kleinere Weg-Aufweitungen wie der Bellevue-Platz bieten weitere Sitz- und Verweilmöglichkeiten. Auf der skulpturalen Bank aus LeimHolz sitzend kann der Betrachter den Blick zwischen den Bäumen hindurch bis zum Quartierszentrum schweifen lassen. Die Bäume im Park sind Arten, die auch in den Marschwiesen vorkommen oder dort angepflanzt wurden. Gruppen aus Weiden, Erlen oder Birken gliedern den Raum und erzeugen ein abwechslungsreiches Bild.
Kleinere Stichwege aus wassergebundener Wegedecke bieten dem eiligen Nutzer Abkürzungen durch den Park. Sie verbinden auch die privaten Freiräume der einzelnen Baufelder mit den Flächen des Blau-Grünen Bandes und stellen zusammen mit dem Panoramaweg die Vernetzung der Parkflächen untereinander und der privaten mit den öffentlichen Freiräumen sicher.
Die unmittelbar an das Blau-Grüne Band angrenzenden privaten Freiräume sind im städtebaulichen Konzept als „Veranda“ gedacht. Eine kleine Mauer markiert die Grenze der Veranda, hält aber den Blick in den Park frei. Zwischen den Wegen im Park und den Verandas gewährleistet darüber hinaus ein Saum aus Wiesenflächen mit höheren Wiesengräsern und Feuchtstauden einen Abstand zwischen privat und öffentlich, ohne als räumliche Barriere zu wirken. Der Saum mit seinen bunten Blüten erinnert an die Entwässerungsgräben der Marsch und wirkt raumbildend. Er verleiht dem Blau-Grünen Band ein besonderes Erscheinungsbild und kann als Erweiterung der Parkwiesenflächen empfunden werden. Als besondere Orte in diesem Saum schieben sich die als Twieten bezeichneten Wohnstraßen in den Park. Mit ihren „Twiete-Balkons“ bilden sie zum Einen den Abschluss der Wohnstraße, verbinden diese aber auch mit der Parklandschaft. Sie bieten als kleine Plätze Aufenthaltsmöglichkeiten mit weiteren Holzbänken unter Obstbäumen und Ausblicke in das Blau-Grüne Band.
Einer der drei großen Spielplätze der Fischbeker Reethen ist der durch Mulden geprägte Wasserspielplatz „Matsch und Moor“. Die tiefer liegenden Flächen füllen sich schnell mit Regenwasser und machen Matsch-Spiele möglich. Kletter- und Balancierelemente aus Holz sind den Stegen im Moor nachempfunden. Auf den höheren Rasenhügeln befinden sich weitere Spielobjekte, die in ihrer Form an Pflanzen aus dem Moor wie Wollgras oder Fleischfressende Pflanzen erinnern.
Der Panoramaweg führt südlich des Spielplatzes vorbei und mündet in einer weiteren kleinen Aufweitung mit einem Sitzobjekt, die den Übergang über die Straße und den Grünzug der Rethenbek markiert. An dieser Stelle kann der Fußgänger auf direktem Wege in das Zentrum um den Fischbeker Teich gelangen, oder aber auch auf den Bänken am Wegesrand verweilen und mit dem Blick dem sanft schwingenden Verlauf der Rethenbek als naturnahes Fließgewässer mit Uferstauden, Erlen und Weiden folgen. Ein kleiner Spazierweg entlang des Baches verbindet die nördlich und südlich gelegenen Wohngebiete mit dem Blau-Grünen Band.



Zentrum
Der zentrale Quartiersplatz mit seinem identitätsstiftenden Teich im Herzen des Quartiers ist Treffpunkt und Veranstaltungsfläche für Bewohner, Mitarbeiter und Besucher. Die den Platz rahmenden Gebäude erhalten z. T. eine öffentliche Nutzung wie einen Nahversorger oder verschiedene Gastronomiebetriebe, die zur Belebung beitragen. Das besondere Potential der Aufenthaltsmöglichkeiten am Wasser wird auf vielfältige Art und Weise herausgearbeitet. So verläuft der Panoramaweg, der sich mittlerweile in einen uferbegleitenden Holzsteg verwandelt hat, erst entlang der südlichen Uferböschung. Diese ist mit Trauerweiden und blühender Ufervegetation bepflanzt und erzeugt eine nahezu romantische Stimmung am Wasser. Der Weg überquert in Form einer kleinen Brücke die Wasserfläche, von wo aus sich eine besondere Perspektive auf den Quartiersplatz und den Teich ergibt. An der nördlichen Uferkante ermöglichen Stufen zum Wasser, die in einem großzügigen Holzdeck enden, einen unmittelbaren Aufenthalt am Teich. Hier kann man die Füße im Wasser baumeln lassen und die am Teich lebenden Wasservögel beobachten. Die Fläche des zentralen Marktplatzes steht für verschiedene Veranstaltungen oder für Außengastronomie-Bestuhlung zur Verfügung. Eine Gruppe aus Trauerweiden auf dem Platz spendet Schatten und bietet eine zusätzliche Sitzgelegenheit auf der unter den Bäumen befindlichen Rundbank. Über einen weiteren Steg wird der stärker mit Schilf bewachsene Bereich des biologischen Filters für das Teichwasser überquert und der Besucher schließlich über die Straße und den Grünzug des Boulevards geführt. An dieser Stelle bieten, analog zur Querung der Rehtehnbek, weitere Sitzgelegenheiten am Wegesrand die Möglichkeit, die Atmosphäre eines Birken-Bruchwaldes zu erleben. Es besteht die Möglichkeit, über kleine geschwungene Pfade einen Spaziergang unter den Birken nach Norden oder Süden zu unternehmen.

Wieder im Park läuft der Hauptweg entlang der Wiesensaum- und Rasenflächen, bis sich der Raum öffnet und der Blick auf die Hügel des Heide-Spielplatzes fällt. Die auf dem vorhandenen Hügel aufbauenden Erhebungen interpretieren die Landform der höher gelegenen Geest, auf der sich durch menschliche Kultivierungsaktivitäten die besondere Landschaft der Heide gebildet hat. Prägenden Vegetation wie Kiefern verleihen dem Ort ein markantes und weithin sichtbares Erscheinungsbild. Die die Heide besonders charakterisierende lila Blütenfarbe wird aufgegriffen und auf die Spiel- und Sitzobjekte an dieser Stelle übertragen. Lila Holz-Balancierbalken, Trampoline oder Kletterobjekte sowie die Topographie laden in besonderem Maße zum Toben und Spielen ein. Eine Herde von lila Heidschnucken-Holzfiguren sind über die Hügel verteilt und scheinen wie eine echte Herde durch das Gebiet zu streifen.
Nach der Heide-Hügel-Landschaft wird das Blau-Grüne Band von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Schnellverbindung zur Fischbeker S-Bahnstation auf der Trasse der ehemaligen Panzerrampe gequert. Die Vegetation des benachbarten Moors wird an dieser Stelle auf die grünen Inseln zwischen den Wegeflächen übertragen und das Moor damit im Quartier spürbar und erlebbar gemacht. Am nördlichen Eingang zum Park bietet eine Kombination aus Bank, Spiel- und Fitnessgerät insbesondere für Jugendliche einen weiteren Aufenthaltsbereich.
Den östlichen Abschluss des Blau-Grünen Bandes bildet der Platz Entree Ost, der analog zum westlichen Eingang mit Obstbäumen und einer Pflanzschale den regionaltypischen Landschaftsbezug herstellt und in die angrenzenden Wohngebiete überleitet.

Regenwasserrückhaltung
Die vielfältigen Freiraumangebote für alle Generationen und Kulturen in den Fischbeker Reethen werden im Blau-Grünen Band mit den Belangen der Oberflächenentwässerung kombiniert und auf diese Weise dem Prinzip des klimaangepassten Quartiers Rechnung getragen. Um das anfallende Oberflächenwasser aus den angrenzenden Baufeldern zurückzuhalten und gebietsweise zu versickern, wird die Fläche der Wiesensäume zwischen Park und privaten Freiflächen als leicht tieferliegende Mulde konzipiert, die z.B. die Wassermengen eines 10-jährigen Regenereignisses aufnehmen kann. Bei größeren Regenereignissen wird darüber hinaus die Parkrasenfläche in der Mitte aktiviert. Die Flächen sind jeweils in Richtung des Hauptweges geneigt, sodass stellenweise ein Höhenunterschied von ca. 40cm zwischen Weg und Parkwiese entsteht. Auf diese Weise bietet das Blau-Grüne Band großzügigen Retentionsraum, der das Wasser nach und nach abgibt und der Rethenbek sowie dem Fischbeker Teich zuführt. Zusätzliche Mulden und tieferliegende Flächen in den Ökologischen Fugen der Rethenbek und des Boulevards können ebenso Oberflächenwasser aufnehmen und zurückhalten.