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Städtebauliche Machbarkeitsstudie / Baumassenstudie | 02/2019

Projektentwicklung Konversionsfläche Ehemaliges Zollamt in Baden-Baden

1. Rang

Peter W. Schmidt Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Die zu überplanenden Flächen liegen in direkter Nachbarschaft zur Gründerstadt und in unmittelbarer Nachbarschaft zum ortsbildprägenden Bahnhof, welcher gleichzeitig den nordwestlichen Abschluss des Stadtgebietes definiert.Der Entwurf entwickelt mit den beiden Baukörpern ein selbstbewusstes Pendant zum Solitär des Bahnhofs. Die zwei, respektive sechs Volumina sind paarweise so miteinander verschränkt. Über die zwei zurückspringenden Zugangshöfe und eine bauliche Fuge, in der Dimension der Höfe, wird der Entwurf in dem Maßstab der umgebenden dörflichen und gründerzeitlichen Strukturen transformiert. Den Auftakt bildet ein kompakter Baukörper am Ooskanal. Räumlich funktioniert er als Gelenk zwischen der neu geschaffenen Promenade entlang der Ooser Bahnhofstraße und dem projektierten Fußweg entlang der Oos. Der Vorbereich sollte sich zur Oos hin über eine landschaftsplanerisch gestaltete Treppe öffnen. Dieser großzügige Vorplatz mit Anschluss an die Oos böte sich für eine gastronomische Nutzung mit Außenflächen an. Vis-à-vis des Solitärs bilden die beiden Hauptbaukörper die eigentliche räumliche Kante gegenüber Bahnhof und Bahnhofsvorplatz. Gleichwohl kann von einer Vorplatzsituation am Bahnhof nicht gesprochen werden, da der Anliefer- und ruhende Verkehr doch sehr stark die Freiflächengestaltung bestimmt. Der Entwurf reagiert daraufhin mit einer eigenständigen Struktur, die über die zurückspringenden Eingangshöfe und dadurch gewonnenen mehrfachen Überecksituationen eine Bereicherung an der Promenade darstellt. Die Hauptbaukörper sind als Dreispänner entwickelt, so dass eine maximale Flächeneffizienz und gute Zuschaltbarkeit unterschiedlicher Grundrissflächen gegeben ist. Im Erdgeschoss und südlichen Abschluss des Ensembles sind Handelsflächen und gegebenenfalls eine öffentliche Nutzung mit Hinwendung zum Außenbereich gegenüber dem Bahnhof vorgesehen. Dem städtebaulichen Kontext wird mit einer gemäßigten Höhe von drei Geschossen entsprochen. Die Gliederung der Bauvolumina erzeugt eine Kleingliedrigkeit, die der angrenzenden Bebauung entspricht. Selbstredend ist in den Obergeschossen eine flexible Verknüpfung der Einheiten möglich, so dass auch größere zusammenhängende Mietflächen zu realisieren sind. Unter anderem schlagen wir neben der Nutzung als Büros für Dienstleistungen auch Nutzungen vor, die für ankommende Bahnreisende und Pendler einen guten Zwischenstopp auf dem Weg nach Hause darstellen, darunter fällt z.B. ein Fitnessstudio. In den Obergeschossen wären aufgrund der Grundrissanlage alternativ auch Wohnungen möglich. Die beiden Hauptbaukörper sind im Untergeschoss durch eine Tiefgarage verbunden. Die notwendigen Stellplätze werden bereitgestellt. Hier sind ebenfalls die Lagerflächen und Technikbereiche vorgesehen. Über die Bachstraße, die in der Flucht des Vorplatzes mit dem Platzbelag belegt sein soll, wird die Tiefgarage erschlossen. Es wird angeregt die Bachstraße aus dieser Richtung hinter der Tiefgaragenzufahrt als Sackgasse enden zu lassen, so dass die Verkehrsbelastung hier nicht zunimmt. Mit dem Entwurf wird dem gut frequentierten Ooser Bahnhof ein Gebäudeensemble gegenübergestellt, das für Gäste, Reisende und Pendler eine bauliche Visitenkarte abgibt. Mit der Baukörpergliederung und Höhenstaffelung wird entlang der Promenade eine maßstäbliche Silhouette entwickelt, die mit einer angemessenen zeitlosen Architektursprache maßgeblich zur Adressbildung beitragen wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag formuliert eine geordnete Raumkante zum Ooser Bahnhof mit einer strukturierten Fassade als adäquate Antwort auf das historische Bahnhofsgebäude und ordnet sich diesem zugleich unter. Durch Fassadenrücksprünge und einen Durchgang entsteht ein regelmäßiger Rhythmus der Gebäudekörper. Der viergeschossige, nordöstliche Baukörper setzt sowohl einen markanten Schlusspunkt des Bahnhofsbereichs als auch einen prägnanten Auftakt aus nördlicher Richtung und prägt den Abschluss der Gebäudefolge an der Oos. In Richtung zum ursprünglichen Ortskern reagiert der Entwurf mit einer unregelmäßigen, zur vorhandenen Baustruktur überleitenden Gebäudeabwicklung. Jedoch beurteilt die Jury den viergeschossigen, rückwärtigen Baukörper als zu hoch in Bezug auf die benachbarte Wohnbebauung und hält eine Reduzierung auf maximal drei Geschosse für erforderlich. Die Jury begrüßt die Dimensionierung des einzelnen Baukörpers zwischen Bachstraße und Oosbach, empfiehlt aber eine Überarbeitung zu einer Stadtvilla mit Wohnungen in den oberen Geschossen sowie eine Orientierung an der Architektursprache der angrenzenden Bestandsbebauung. Ein öffentlicher Zugang nordöstlich der Stadtvilla zum Oosbach wird begrüßt. Eine Fortsetzung als öffentlicher Weg entlang des Oosbachs wird empfohlen. In der Gesamtheit bildet das Verhältnis von bebauten und unbebauten Flächen im Kontext des städtebaulichen Umfelds ein gelungenes Gleichgewicht.

Der von Bäumen bestandene Gehwegbereich an der Ooser Bahnhofstraße ist als gut proportionierte Promenade unmittelbar entlang der Erdgeschosszone ausgebildet. Die Jury regt an, zwischen den beiden Baukörpern an der Ooser Bahnhofstraße einen öffentlich nutzbaren Durchgang zur Bachstraße zu schaffen. Die Tiefgaragenzufahrt von der Bachstraße entlang der Grundstücksgrenze wird von der Jury kritisch gesehen. Die Jury empfiehlt die Integration der Tiefgaragenzufahrt in den rückwärtigen nördlichen Gebäudekörper von der Bachstraße aus.

Insgesamt stellt der Beitrag aus Sicht der Jury eine Planung dar, die trotz ihrer Schlichtheit eine raffinierte und zukunftsweisende Lösung für die komplexe städtebauliche Situation am Ooser Bahnhof formuliert.

Im Zuge der Vorprüfung wurden die tiefen Eingangshöfe bezüglich Belüftung durch das Ingenieurbüro Lohmeyer (Klimagutachter, Karlsruhe) etwas kritisch gesehen. Diese Bedenken werden von der Beurteilungskommission nicht geteilt. Außerdem lässt die rückwärtige verkehrliche Anbindung an der Bachstraße in Kombination mit dem viergeschossigen Teilgebäude lt. Lohmeyer zusätzliche Wärmebelastungen an der Nachbarbebauung nicht ausschließen. Diesem Aspekt wird durch die oben beschriebene Reduzierung des rückwärtigen Baukörpers auf drei Geschosse und die Integration der Tiefgaragenzufahrt in den nördlichen Gebäudekörper (von der Bachstraße ausgehend) Rechnung getragen.