modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 05/2019

Umbau eines denkmalgeschützten Kasernengebäudes zu einem Internationalen Gästehaus in Regensburg

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 16.000 EUR

NEUMANN & HEINSDORFF ARCHITEKTEN

Architektur

mk.landschaft

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

In der ehemaligen Flakkaserne der nationalsozialistischen Luftwaffe „den internationalen weltoffenen Geist der Universität Regensburg und der OTH ... erlebbar werden zu lassen“ ist eine echte Herausforderung. Wie kann das gehen?

Wir meinen, dass es zum einen sinnvoll ist, die Bestandsgebäude - die „Zweckbauten in historisierenden Hüllen“ - weitgehend zu erhalten und ihrer grundlegenden Konzeption folgend umzunutzen. So wird die zweihüftige Anlage des Stabsgebäudes durch den Einbau von Studenten- und Dozentenappartments unterschiedlicher Größe ganz pragmatisch weitergenutzt. Dabei folgt die Teilung der Zimmer den vorgebenen Fensterachsen und die sanitären Anlagen werden entlang der Flurzone gebündelt, so dass eine flexible Teilung in der weiteren Planung ermöglicht wird. Die Haupteingriffe in das ehemalige Stabsgebäude sind die Öffnung des Treppenhaus im UG zur Ostseite, die Installation einer Aufzugsanlage und die Verbindung von EG und 1.OG durch einen Luftraum an zentraler Stelle. So wird das in weiten Teilen gut belichtete Untergeschoss zu einem gut erreichbaren und vielfältig nutzbaren Sockel für gemeinschaftliche Aktivitäten, es wird eine qualitätsvolle Sichtverbindung von EG zu 1.OG hergestellt und auf ganz selbstverständliche Weise die Barrierefreiheit über alle Stockwerken gewährleistet.

Zur sinnbildlichen Öffnung des Ensembles schlagen wir vor, den Kernbereich der Anlage - die ehemalige Säulenhalle - zu einem räumlichen und funktionalem Zentrum umzuformen. Das Untergeschoss der ehemaligen Wachbereiche wird mit einem Treppenhaus angebunden und steht für separate Nutzungen zur Verfügung. Zentrales Element der Umformung ist der Ersatz des vorhandenen Daches über dem finsteren Laubengang durch eine leichte und einladende Dachkonstruktion. Dabei wäre es wünschenswert die massiven Säulen in ihrer Zeugnishaftigkeit zu erhalten und als Auflager für die leichte Stahlkonstruktion weiterzuverwenden. Das weit in den Vorplatz auskragende Dach empfängt die Besucher und bietet einen hochwertigen, vielfältig nutzbaren sonnen- und regengeschützten Aussenraum in sehr guter Südwestlage und wird zum zentralen Treffpunkt des Gästehauses.


Der lichtdurchflutete Gemeinschaftsraum versteht sich als Lobby, ist zentrale Anlaufstelle mit Rezeption, Bar und Lounge und wird über großzügige Schiebelemente an die Freibereiche angeschlossen. Die neuen Zugänge werden eindeutig ablesbar mit vor der Putzfassade befindlichen Türelementen aus Streckmetall gestaltet. Das neue Hallendach ist eine raumhaltige aber leichte Stahlkonstruktion, die weitgehend verglast ist und ebenfalls mit einem silberfarbenen Streckmetall bekleidet wird. Das Dach ist damit ein großes Oberlicht, das den Wandel ganz sinnbildlich darstellt.

Die Freiraumgestaltung behält die bestehende Topografie bei und bietet den Bewohnern einen introvertierten, in sich offenen Raum mit zentraler Terrasse in einer ruhigen polygonalen Formensprache.

Der ehemalige Fahnenappellplatz wandelt sich so zu einem grünen Innenhof, der zum Aufenthalt und Spielen einlädt. Über eine großzügige Stufenanlage erreicht man die höher liegende Terrasse, die sich vor dem neuen zentralen Gemeinschaftsraum zu einem kleinen Vorplatz aufweitet und so zu einem angemessenen Zentrum für das Gästehaus wird. Eine gezielte Staffelung von Pflanzflächen über artenreiche Extensivwiesen zu nutzbaren Rasenflächen mit sanfter Geländemodellierung sorgt für eine feine Differenzierung der Freiräume und schafft entlang der Appartements im Erdgeschoss die notwendige Distanz zwischen halböffentlicher Nutzung und Privatsphäre der Bewohner. Eine klar geformte grüne Wiesenböschung vermittelt zwischen dem erhöhten Plateau und der von Norden nach Süden abfallenden Fort-Skelly-Straße. Baumpflanzungen schließen den grünen Rahmen des Gartens und schaffen eine angenehme Distanz zum Verkehr. Der Baumbestand hin zur Zufahrtsstraße des studentischen Wohnens im Osten wird ergänzt – eine sanfte Geländemodellierung mit integrierten Sitzgelegenheiten hin zur offenen zentralen Rasenfläche bildet ein Gegenüber zur ausladenden Terrasse und formt eine Grenze zu den parkenden Autos. Die PKW-Stellplätze werden entlang der Nebenstraßen im Süden Osten in kleinen Paketen - gegliedert durch Grünstrukturen - angeordnet. Der durch Pflanzflächen gerahmte Vorplatz am Haupteingang öffnet sich zur Straße hin und bietet dem Ankommenden Aufenthalts- und Fahrradabstellflächen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt belässt im Wesentlichen die tragende Struktur und das Erscheinungsbild des ehemaligen Stabsgebäudes.

Das Ersetzen des bestehenden Satteldaches der Loggia durch ein weit ausladendes Flachdach stellt einen signifikanten Eingriff dar. Dieser soll die Loggia zum zentralen Ort der Anlage machen. Es entsteht ein großzügiger Begegnungsraum, der durch seine Transparenz den Freiraum in das Geschehen mit einbindet. Kritisiert wird die unklare Definition des Daches, insbesondere in den Zeichnungen. In diesen erscheint das Dach entgegen den Beschreibungen im Text als plump. (Text: „leichte Stahlkonstruktion, weitgehend verglast und mit Streckmetall verkleidet, sodass das gesamte Dach als Oberlicht erscheint“). Das wird insofern bedauert, da das Dach ein überzeugender Beitrag zur Neuinterpretation des Ortes sein könnte. Auf Grund der starken Präsenz wäre eine besondere gestalterische Durchbildung erforderlich.

Weiters ist die Erschließung des Ensembles unklar. Es gibt verschiedene Zugänge auf verschiedenen Ebenen, die durchaus bewirken können, dass das Haus als einladend und offen erlebt werden kann. Ob diese Hierarchielosigkeit in der Praxis umsetzbar ist, erscheint fragwürdig. Die Jury bedauert auch, dass die innere Zonierung sehr schematisch erfolgt. Pro Gangseite wird eine einzige Typologie durchgängig addiert. Positiv wird erwähnt, dass auf Grund der äußerst schmalen Sanitärzonen entlang der Mittelmauern großzügige und gut belichtete Aufenthaltsräume entstehen.

Die Verwendung der Loggia (ehemaliger Säulengang) ist sinnvoll. Familienwohnungen im Dachgeschoss sind nicht gut räumlich angeordnet. Die Aufteilung der Raumfunktionen im Studierendenapartment erscheint sehr wirtschaftlich durch die Trennung der Nutzungen im Sanitärbereich. Das Raumangebot für kreative Tätigkeiten und die Räume für Gemeinschaftsaktivitäten sind gut angeordnet.

Die Wirtschaftlichkeit des Projektes erscheint durchaus gegeben. Auch widerspricht keine der vorgeschlagenen Maßnahmen den Erfordernissen der Nachhaltigkeit.

Die Säulenhalle ist ein für die Aussage des Baudenkmals wichtiges und per se nicht martialisches Element, dem das plakative Vordach ein neues, übermäßiges Gewicht verleiht.

Die Dimension, die statisch-konstruktive Konzeption und die Typologie des Flugdachs bedürfen einer kritischen Reflexion. Der Vorschlag einer vergrößerten und aufgeglasten Laterne erscheint - ungeachtet der bisher nicht gegebenen Beurteilungsfähigkeit dieses Bauteils - in architektonischer und denkmalpflegerischer Hinsicht überinstrumentiert. Die Anordnung der Parkplätze lässt Potenziale im Freiraum ungenutzt, die Anlage der Sitzstufen und der raumgreifenden Treppe folgt den topografischen Vorgaben des belasteten Ortes.

Das Ansinnen, die historisch bedingte Rigidität der Anlage durch explizit nicht orthogonale Formen aufzubrechen ist sehr nachvollziehbar, führt aber zu einer anderen Art von Härte und wirkt formal etwas angestrengt. Hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit sind Innenhof und Rasenraum sehr gut vorstellbar. Die straßenbegleitende Staudenböschung stellt einen angemessenen Umgang mit den topographischen Gegebenheiten dar. Deutlich zu kritisieren ist, dass der raumprägende, zu erhaltende Baumbestand ohne Not von Senkrechtparken bedrängt wird. Damit wird nicht nur die Vitalität der Bäume gefährdet, sondern auch ihr gestalterischer Wirkraum eingeschränkt.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Projekt einen sehr bemerkenswerten Beitrag zum Thema der Neuinterpretation des historischen Kasernengebäudes darstellt und dass insbesondere die Gemeinschaftsbereiche auf sehr positive Weise die angestrebte Kommunikation zwischen den Bewohnern stimulieren und fördern können.
Lageplan

Lageplan

Grundriss EG

Grundriss EG