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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2020

Neubau einer Rad- und Fußgängerbrücke über den Neckar in Heidelberg

Teilnahme / 2. Stufe

SETEC TPI

Bauingenieurwesen

Explorations Architecture

Architektur

Marti-Baron

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Eine Brücke, die die Stadt prägt

Heidelberg wertschätzt die Radnutzung als Verkehrsmittel für den Alltag. Das Radnetz in der Stadt ist in westöstlicher Richtung gut ausgebaut. Es mangelt aber an Möglichkeiten den Neckar zu queren. Die neue Brücke stellt eine direkte Verbindung zwischen den Stadtteilen Bergheim und Bahnstadt und dem Campus der Universität, im Neuenheimer Feld her. Neben dieser Verbindungsfunktion zielt unser Projekt vor allem auf eine Stärkung und Aufwertung der angrenzenden öffentlichen Räume ab. Am südlichen Neckarufer wandelt unser Projekt einen Verkehrsknoten in einen markanten neuen Stadteingang. Am Nordufer schlagen wir die Anbindung des Parks am Neckarufer mit der Universität vor, folgerichtig eingebunden in das Konzept einer “Stadt am Fluss”.

Ein neues Tor zur Universität.

Die Universität Heidelberg ist Deutschlands älteste Universität, renommiert und weltweit bekannt. Ihre Anbindung an das südliche Neckarufer ist jedoch verbesserungswürdig da dieser Bereich aktuell von den Hauptverkehrsströmen für den Fernverkehr durchdrungen wird (Bahn, Autobahnzubringer). Die neue Verbindung, die durch die Rad-und Fußgängerbrücke geschaffen wird, bietet eine hervorragende Gelegenheit, das „Eingangstor“ zur Universität schon am südlichen Ufer zu schaffen. Der Begriff Eingangstor ist hierbei symbolisch zu betrachten. Ein solches Eingangsportal, welches am Nordufer nicht vorhanden ist, entsteht mit der Erstellung eines „Learning Centers“. Die Anbindung erfolgt dank der neuen Brücke und wird in weniger als 3 Minuten mit dem Rad (ca. 6 Minuten zu Fuß) vom Universitätscampus aus, zu erreichen sein. Das Konzept beinhaltet einen Ort des Austausches zwischen Studenten, Professoren und der gesamten Bevölkerung. Es befindet sich am Kreuzungspunkt verschiedener Verkehrsströme: Fußgänger, Radfahrer und PKWs. Ziel ist es den diesseitigen Eingang zur Stadt positiv zu prägen und aufzuwerten. Als Vitrine schlagen wir primär eine Holzkonstruktion vor, die gleichermaßen eine Funktion als Rampe als auch als Gebäude erfüllt. Ziel ist es den neuen Garten zu umschließen und vom Verkehrslärm abzuschirmen, ohne jedoch die Öffnung zur Stadt zu vernachlässigen. Der neue, ruhige Innenbereich wird für die Bevölkerung erschlossen, zum Beispiel mit einem Kinderspielplatz und einem urbanen Sport Parcours (Parkour, Crossfit).

Drei prägende Orte

Die neue Brücke ermöglicht die Beziehung der Stadt und ihren Bewohnern mit dem Fluss neu zu überdenken. Diese Reflexion ist untrennbar verbunden mit drei Orten die eine starke Beziehung mit dem Element Wasser haben (von Süden nach Norden): ein Platz, ein Garten, ein Park. Diese Orte finden sich verbunden durch den sinusförmigen Verlauf der Brücke. Es ist eine angemessene Antwort passend zur Größenordnung im Maßstab des Stadtteils, der Stadt und des Umlands.

Ein „intermodaler“ Platz _ Der Platz ist ein Ort des Austauschs zwischen der neuen Brücke und der Gneisenaubrücke, welche die Überquerung der Eisenbahngleise ermöglicht. Dieser Freiraum, nur mit einem Hain bepflanzt, verfügt über Fahrradabstellplätze und nimmt auch den Eingang des Betriebshofes für Bus -und Straßenbahn auf. Eine große freie Wasserfläche mit offenen Wasserrinnen („Bächle“), eingelassen in das Kopfsteinpflaster, inszenieren die Aufnahme und Ableitung des von der Brücke aufgefangenen Regenwassers.

Der kreisrunde Garten _ Die Abmessungen des kreisrunden Gartens sind an die Größe des Ortsteiles angepasst. Er ist angenehm terrassenförmig angeordnet, um die Feuchtigkeit des Bodens zu fördern und um eine abwechslungsreichere Bepflanzung als heute vorzuschlagen zu können. Der Garten besteht aus verschieden Wiesen, naturbelassen und ringförmig bepflanzt. Im Sommer kühlt das Wasser in der Mitte dieses städtischen Freiraums und reflektiert das Bild der Menschen auf der Brücke als auch die Bewegungen des Blätterdachs der größeren Bäume. Die Bestimmung des Gartens ist es, ein Ort der Begegnung zwischen dem Viertel, der Universität und der Welt zu werden.

Der Uferpark _ Das Landschaftsprojekt schlägt einen Park am nördlichen Neckarufer vor. Dieser dicht gepflanzte Park findet sich zwischen dem Wehr und der Ernst Walz Brücke. Er artikuliert sich um einen großen Freiraum: eine weiträumige, begrünte Terrasse, die sich zum Fluss öffnet. Vom landschaftsgestalterischen Gesichtspunkt her ergänzt diese Terrasse eine Folge von Wiesen, die am Nordufer bis zur Innenstadt entlanglaufen. Im Maßstab der Stadt erfolgt die Verbindung zwischen der Universität und der Terrasse mittels eines Holzsteges der die Hauptachse der Universität verlängert. Es ist angedacht, dass dieser Steg ebenfalls die Rolle eines kleinen Belvedere erfüllen soll. Der Park am Ufer bietet sich für eine Verdichtung der aktuellen Landschaft mit einer Palette von einheimischen Bäumen an, die an einen feuchten Untergrund angepasst sind: Eschen, Mooreichen und Weiden. Bezüglich der Sträucher und der Wiese werden naturbelassene Pflanzensorten ausgewählt die stimmig zur Bewahrung des Ökosystems passen.

Heidelbergs Baukultur

Die Identität von Heidelberg ist untrennbar verbunden mit seinem Kulturerbe, seiner Landschaft (Neckartal) und seinen Brücken. Die alte Brücke, die Theodor Heus Brücke, die Ernst Walz Brücke und die Wehre von Paul Bonatz charakterisieren die Baukultur der Stadt und der Region. Unser Entwurf für die neue Brücke soll sich schlüssig in diesen Bestand einfügen und damit ein Teil davon werden. Uns geht es also nicht darum ein Solistenkonzert vorzuschlagen als vielmehr einem bestehenden Orchester ein weiteres Instrument hinzuzufügen. Jede bestehende Brücke ist Teil und Sinnbild seiner Epoche und trägt ein Stück zur Geschichte und Entwicklung der Bautechnik bei, vom Mittelalter bis ins zwanzigste Jahrhundert. Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Brücken essentielle Merkmale miteinander teilen: alle Brücke haben mehrere Felder und sind horizontal ausgerichtet. Die mehr und mehr schlanken Träger fügen sich kontinuierlich in das Schema der Deutzer Brücke von Fritz Leonardt aus dem Jahre 1947 ein. Durch die Verwendung des Neckartaler Sandsteins entwickeln einige Brücken, wie die alte Brücke und das Wehr, einen starken Bezug mit der Morphologie des Neckartals und seiner Geologie. Unser Projekt fügt sich logisch in die Reihe der bestehenden Querungen ein, via eines „mineralischen“, wie aus dem Stein gehauenen, minimalen Bandes, ohne merklichen Überbau für Ausrüstung über der eigentlichen Fahrbahnplatte. Die neue Verbindung ist gleich einem „Belvedere“ der zum Ausblick und zum Ausruhen mit Blick auf die Landschaft einlädt. Blickpunkte und Perspektiven sind eröffnet und nicht vom Bauwerk versperrt. Unsere Absicht ist es also keinen Hochbau in den Himmel zu setzten der das Blickfeld via diverser Bögen Masten oder Seile stört, versperrt oder einengt.

Linienführung _ Die Streckenführung im Lageplan gleicht einer „organischen“ Linie, die sich in das Stadtbild einfügt und verspielt die verschiedenen Zwangspunkte umläuft (Straßen und Kreuzungen, Lichter Raum zwischen bestehenden Gebäuden, Bereich für die Erbauung des neuen Wehres). Die leichte Kurvenführung betont die Dynamik und die Manövrierfähigkeit der Radfahrer, jedoch ohne den Verkehrsfluss zu behindern. Die Rampen werden gewissenhaft in die Landschaft integriert. Die Brücke quert den Neckar in einem Winkel, der einem optimalen 90 Grad Winkel am besten nahe kommt, unter Beachtung der Grenzen der von der Ausschreibung gekennzeichneten Flächen: Die Spannweiten über den Necker und die damit verbundenen Fahrzeiten werden auf ein Minimum reduziert. Die Trassierung ist so ausgelegt dass die erforderlichen Rampen möglichst kurz gehalten werden, das heißt das Höhenprofil wurde so niedrig wie möglich angesetzt. Der erforderliche minimale Lichtraum über dem Neckar wird natürlich eingehalten, wobei unser vorgeschlagene Brückenquerschnitt auf die von der Norm vorgeschriebene Aufpralllast (Fahrerkabine) ausgelegt ist.

Minimalismus _ Unser Projekt mit einer Gesamtlänge von etwa 600 Metern legt einen großen Wert auf einen visuellen Minimalismus. Der Fahrbahnüberbau ist ein Mehrfeldträger, gefertigt aus einem mehrzelligen, vorgespannten Hohlkasten. Die Höhe des Hohlkastens ist variabel und bewegt sich zwischen 0.50m für die Randfelder in Ufernähe und zirka 3.50m für den Querschnitt über den Pfeilern des Hauptfeldes mit über 100 Metern Spannweite. Die Ränder des Brückenquerschnitts sind mit einem nach innen greifenden Halbbogen ausgebildet um die Funktion der Decken-und Bodenplatte des Hohlkastens hervorzuheben, vergleichbar zu den Großbrücken von Robert Maillart. Der visuelle Gesamteindruck des Hohlkastens wird durch ein filigranes Geländer aus Stahl ergänzt. Der gesuchte Minimalismus steht für eine zeitlose Architektur. So beherbergt das Geländer eine Beleuchtung via LED, die direkt in den Handlauf eingelassen ist.

Werkstoff _ Unser Entwurf stellt die Reduktion des ökologischen Fingerabdrucks (u.a. die CO2-Bilanz) in den Vordergrund. Eine Fahrbahnplatte aus einem Ultrahochfesten Beton (UHPC Ultra High Perfomance Concrete) bürgt für eine optimale Materialeinsparung mit der daraus folgenden Reduzierung der Lasten und Einsparungen bei der Bemessung der Fundamente. Die Bewehrung des Ultrahochfesten Betons ist fast ausschließlich durch feine Stahlfasern gewährleistet. Die chemisch-rheologische Zusammensetzung des Betons (Mix Design) sowie die Bauweise mit Vorfertigung gewährleisen eine extreme Dichte des Werkstoffs und eine exzellente Qualität der Oberflächen. Die Haltbarkeit und die Resistenz gegen aggressive äußere Einwirkungen (Chloride, Tausalz) ist um ein vielfaches besser als die eines traditionellen Betons: So ist das fertige Produkt ist eher mit der Härte einer Keramikfliese zu vergleichen als mit der Härte eines Betons. Der innovative Werkstoff ermöglicht es auch direkt auf der (unbehandelten) Fahrbahnoberfläche zu verkehren. Die Notwendigkeit einer speziellen Beschichtung der Fahrbahn entfällt, alle Oberflächen haben den gleichen Ausdruck und die gleiche Anmutung.

Die positiven Eigenschaften des ultrahochfesten Betons sind Garant für eine optimale Haltbarkeit und eine Reduzierung der Instandhaltungskosten für ein Bauwerk dieser Größenordnung. Die Brücke wird unter Vorfertigung in der Segmentbauweise gebaut. Die Segmente werden mittels einer vertikalen Schalung gegossen. Die Konstruktion der Hauptfelder beginnt mit dem symmetrischen Einsetzen der Hohlkastensegmente im Stützenbereich. Das Mittelstück des Hauptfeldes wird an Land vorgefertigt als ein ganzes Teil eingeschifft, zwischen den Stützen eingesetzt und die Felder werden per Vorspannung monolithisch verbunden. Die gewählte Methode erlaubt ein schnelles und unkompliziertes Einsetzen des Mittelstücks und somit eine minimale zeitliche Behinderung des Schifffahrtskanals. Im Sinne des „genius loci“ und in Anspielung an den örtlichen Natursandstein wird der Beton in einem rötlichen Farbton in der Masse gefärbt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die drei Büros „SETEC TPI“, „Explorations Architecture“ und „Marti Baron“ aus Paris schlagen eine schlanke Brücke aus rot eingefärbtem, innovativem Beton vor. Dazu sind drei prägnante Aufenthaltsorte angedacht: ein Platz zwischen der neuen Brücke und der Gneisenaubrücke mit einer Wasserfläche, ein kreisrunder Garten auf dem westlichen Gneisenauplatz mit einer vielfältigen Bepflanzung sowie ein Park am nördlichen Neckarufer, der mit einer Terrasse als „Belvedere“ mit der Universität verbunden werden soll. Die Jury lobte besonders, dass der Gneisenauplatz von einer Verkehrsinsel zu einer grünen, lärmgeschützten Oase entwickelt werden soll.