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Einladungswettbewerb | 05/2019

Ergänzende Bebauung Goethequartier in Sonthofen

2. Preis

H2M Architekten

Architektur

HinnenthalSchaar Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

TRAGRAUM Ingenieure PartmbB

Tragwerksplanung

Müller-BBM Building Solutions GmbH

Akustikplanung, Bauphysik

Peter Corbishley Modellbau

Modellbau

Erläuterungstext

Realisierungsteil

„Bleiben & Kommen“

Das Quartier an der Goethestraße ist durch die Zeilenstruktur der Bebauung aus den 60er Jahren geprägt. Fehlende Differenzierungen der Freiräume, hohe Immissionen durch die nördliche Bundesstraße und das benachbarte Gewerbegebiet sowie Probleme im ruhenden Verkehr sind spürbare Defizite. Erst mit dem Blick auf die charakteristischen Bäume und beim Durchschreiten der parkähnlichen Freiräume zeigen sich die Qualitäten und der Charme des Ortes.
Leitbild des Entwurfs ist ein behutsames Weiterbauen der bestehenden Strukturen mit präzisen Eingriffen zur Lösung der städtebaulichen Missstände. Unter Rücksichtnahme auf das vorhandene Sozialgefüge der angestammten Bewohnerschaft werden mit dem Entwurf lebendige Sozialstrukturen gefördert.
Die baulichen Ergänzungen schaffen eine differenzierte Wohnungsmischung mit unterschiedlichen Typologien für unterschiedlichste Bewohnerstrukturen und sich wandelnde Lebensstile und -phasen.

Städtebau

Entlang der Östlichen Alpenstraße werden fünf Baukörper ergänzt, die sich spielerisch in die Zwischenräume setzen ohne die Privatsphäre der derzeitigen Bewohner zu tangieren. Es entsteht ein Lückenschluss und somit eine bauliche Abschirmung mit maximaler Reduzierung des Verkehrslärms für das gesamte Quartier.
Die viergeschossigen Gebäude sind so gegliedert, dass sie den gewölbten Straßenverlauf begleiten. Alle Wohnungen sind mit Ihren Wohn- und Individualräumen nach Süden, zum ruhigen Freibereich, orientiert. Zusätzliche eingeschossige Baukörper vor den Giebelseiten der Zeilen ergänzen die neue Bebauung zu einer Einheit. Hier befinden sich Fahrradabstellbereiche und Müllräume sowie der überdeckte Eingangsbereich in Verlängerung der Zuwegung der Bestandsgebäude.
Die Zeilen südlich der Goethestraße werden durch viergeschossige Kopfbauten an den bestehenden Brandwänden ergänzt. Durch die städtebauliche Setzung wird zugleich der Straßenverlauf gegliedert. Durch die dreiseitige Orientierung der Grundrisse erhält die Nordfassade eine Adresse. Der westliche Baukörper zur neuen Quartiersmitte wird als fünfgeschossiger Baukörper ausgeführt.

Wohnungen

Typ Schallschutzbebauung

In der nördlichen Schallschutzbebauung werden die geforderten 2-Zimmer-Wohnungen vorgesehen. Alle Wohnungen orientieren sich zur lärmabgewandten Südseite in den ruhigen Innenhof. Die Grundrisse sind klar zoniert: Küchen, Bäder und Nebenräume liegen am Kern oder an der Nordseite und die qualitätsvoll nutzbaren Wohn- und Individualräume an der Südfassade. Großer Wert wird auf private Freiräume gelegt, die im Erdgeschoss durch kleine Terrassen, in den Obergeschossen durch großzügige Loggien und im 3. Staffelgeschoss durch Dachgärten erzeugt werden.
Über den eingeschossigen Zwischenbau, der Zugleich als überdeckter Eingangsbereich dient, erreicht man ein großzügiges Entrée mit Kommunikationsbereich. Die Treppenhäuser erhalten natürliches Tageslicht über Fenster zur Nordseite.

Typ Kopfbau
Die Zeilenbauten werden an der nördlichen Brandwand in gleicher Breite nach Norden verlängert und durch einen Kopfbau ergänzt. Somit werden die Anforderungen an den Brandschutz zum Bestand erfüllt, sowie die Privatsphäre der Bestandswohnungen gewahrt. Im 3. Obergeschoss dient der Anschluss als Dachterrasse.
Durch die ergänzende Bebauung und einer Fassade mit großflächigen Fenstern nach Norden erhält die Zeile ein neues Gesicht und eine neue Adresse zur Quartiersstraße. Durch die Gliederung des Baukörpers wird die Massivität einer Punktbebauung gebrochen und die Gebäude ergänzen stimmig die Typologie der Zeilen.
Die Wohnungen orientieren sich in drei Richtungen nach Norden, Osten und Westen. Die Eingänge befinden sich analog zum Bestand auf der Westseite. Durch ein flächeneffizientes innenliegendes Treppenhaus mit natürlicher Belichtung über ein Oberlicht, erreicht man die 2-, 3- und 4-Zimmer Wohnungen, sowie die Tiefgarage und Abstellräume im Untergeschoss.
Die Bäder und Nebenräume sind am Treppenkern positioniert. Die Ess- und Wohnräume mit den Loggien sind nach Osten oder Westen, bzw. durchgesteckt zu zwei Seiten orientiert.

Ruhender Verkehr

Der ruhende Verkehr wird in einer Tiefgarage unterhalb der Goethestraße vorgesehen. Durch die Positionierung können die für das Quartier charakteristischen Bäume in den bestehenden Freibereichen zwischen den Zeilen erhalten bleiben und ermöglichen einen direkten Zugang zu den neuen Gebäuden im Innenbereich. Die Zufahrt erfolgt über östliche Anbindung der Goethestraße. Oberirdisch werden entlang der Goethestraße lediglich Besucherparkplätze angeordnet. Entlang der Bundesstraße werden zwischen den Bestandsbäumen weitere oberirdische Parkplätze vorgesehen.

Fassaden

Die Putzfassaden mit eingeblasenen reflektierenden Glaspartikeln im kräftigen Grün, Aubergine, Gelb und Rot interpretieren die Farbigkeit der bestehenden Zeilenbauten im Quartier in zeitgenössischer Form. Licht spielt mit der Struktur, es reflektiert sich in den kleinen Glassplittern und erzeugt wechselnde Ansichten über den gesamten Tagesverlauf. Die durch Faschen akzentuierten Fenster aus Holz-Aluminium bilden dazu einen angenehmen schlichten Kontrast und verbreiten zusammen mit den großflächigen Fenstern eine offene, freundliche Atmosphäre, geben den Wohnungen außergewöhnlich viel Licht und schaffen einen hohen Alltagswert. Charakteristische Loggien gliedern die Fassaden und betonen die Ecken.
Zur Bundesstraße nach Norden werden die Fenster schmaler ausgeführt um Orientierung und Lichteinfall zu ermöglichen, jedoch Privatsphäre und Schallschutz zu wahren.

Freianlagen

Im Zuge der Nachverdichtung des Wohnquartiers an der Goethestraße entstehen entlang der südlichen Zeilenhäuser neue Kopfbauten, die eine Verlagerung des bisherigen Straßenprofils erfordern. Dies bietet die Gelegenheit, die Goethestraße in diesem Bereich neuzugestalten und an die dichtere städtebauliche Situation anzupassen. Um einerseits nicht unnötig Freifläche zu verschenken und andererseits noch genügend Grünpuffer zu den Wohngebäuden beizubehalten, sieht der Entwurf vor, das neue Straßenprofil komplett als verkehrsberuhigten Bereich im Sinne eines „Shared-Space“ zu definieren. Es gibt eine einheitliche und niveaugleiche Belagsgestaltung, die sich bis über die Haupterschließungswege zu den Wohngebäuden fortsetzt und den Eindruck einer zusammenhängenden Promenade erzeugen soll. Den Standorten der Kopfbauten folgend, verspingt das Straßenprofil immer wieder um einige Meter nach Norden, erfordert dadurch mehr Vorsicht beim Autofahrer und unterstützt dadurch den Charakter einer verkehrsberuhigten Wohnstraße. Durch gestalterisch integrierte Entwässerungsrinnen werden die Fahrbahnen für Kraftfahrzeuge markiert, Fußgänger und Radfahrer sollen aber durch das neue Gestaltungskonzept spürbar Vorrang gegenüber dem MIV haben und das Gefühl vermittelt bekommen, sich frei über die Fläche bewegen zu können. Zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität gibt es immer wieder Sitznischen und Sitzmauern, die den Einwohnern als kleine, den Wohnhöfen vorgelagerte Treffpunkte dienen.
Von der neu gestalteten Goethestraße aus entwickeln sich die bisherigen Wohnhöfe, die nun nördlich von einer neuen Schallschutzbebauung und südlich durch neue Nebengebäude räumlich stärker gefasst werden. Zusätzliche Parkwege, Aufenthaltsbereiche, Spiel- sowie Sportgeräte verleihen den bisher rein als Abstandsgrün fungierenden Höfen ein adäquates Nutzungsangebot.
Unter Rücksichtnahme und weitgehendem Erhalt des üppigen Baumbestands entlang der Bundesstraße, soll der nördliche Freiraum zur Erschließung der neuen Schallschutzbebauung umfunktioniert werden um die Wohnhöfe und den Shared-Space der umgestalteten Goethestraße zu entlasten. Als Zufahrt von der Bundesstraße wurde der verkehrsplanerische Vorschlag aus den Grundlagen übernommen und entsprechend weiterentwickelt. Es entsteht ein neuer Verkehrsknoten, der eine Befahrbarkeit der Quartiersgarage von Norden ermöglicht, einen neuen Besucherparkplatz offeriert und Richtung Osten mit einer Einbahnstraße neu an die Schillerstraße anschließt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der im Ideenteil angebotene Quartiersplatz in Verlängerung der Sudetenstraße mit dem siebengeschossigen Bestandsgebäude als Hintergrund und dem westlichen begrenzenden zweigeschossigen neuen Quartiershaus erscheint gut dimensioniert und nutzbar. Er schafft zusätzliche Räume für Freiraumaktivitäten im westlichen und südwestlichen Anschluss.

Die viergeschossigen Neubauten im Realisierungsteil sind der vorgefundenen Situation angemessen. Die Kopfbauten in Verlängerungen der Nord-Süd-gerichteten Bestandszeilen verengen den Querschnitt der Goethestraße, die durch eine nicht lineare Führung verkehrsberuhigt wird. Die Versätze erscheinen aber zu monoton und erschweren eine Adressbildung der einzelnen Häuser. Andererseits wird diese durch die prinzipiell richtige, im Detail noch zu präzisierende Anordnung der Nebenräume (Müll, Fahrräder…) gestärkt.

Eine gute Auffindbarkeit (Adressbildung) der Schallschutzbebauung in den nördlichen Baulücken ist gegeben. Lediglich die Kinderzimmer mit Bad – interessant: sie könnten mit eigenem Zugang als Jokerzimmer verwendet werden – am Hauszugang liegen ungünstig.

Der Beitrag zur Parkierung im Ideenteil ist interessant: Es wird nicht in die Bestandsbauten eingegriffen. Die mögliche Verbindung mit der TG des Realisierungsteils ist geschickt gelöst. Letztere bringt allerdings Probleme im Hinblick auf die zukünftige Versorgung des Realisierungsteils mit Sparten mit sich. Die relativ vielen oberirdischen Stellplätze im Norden sind wirtschaftlich.

Beide angebotene Haustypen weisen gut durchgearbeitete und strukturierte Grundrisse auf, die im Hinblick auf Erschließung, Konstruktion und Freiflächenbezug (Loggien) weitgehend sinnvoll erscheinen. Der Wohnungsmix entspricht in etwa den Vorgaben. Es werden keine Angaben zu rollstuhlgerechten Wohnungen gemacht, die barrierefreien Wohnungen sind prinzipiell gut organisiert, Abstellbereiche für Rollatoren sind teilweise nicht vorhanden.

Die klar gegliederte Struktur der Häuser in „konventioneller“ Bauart steht im Zwiespalt zwischen gestalterischer Monotonie und wirtschaftlicher Bauweise.

Die Arbeit stellt eine Grundlage für kostengünstigen Wohnraum dar und liefert städtebaulich einen guten Beitrag, der aber im Bereich der Straßenführung noch nicht überzeugt.