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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2019

Neugestaltung der Schützenbastion in Stralsund

1. Preis

Preisgeld: 24.800 EUR

HOLZWARTH Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

TRU ARCHITEKTEN

Architektur

Erläuterungstext

Leitbild

Vergrößerungen, Umbau und erneute Bebauung haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass die historischen Bastionen der mittelalterlichen bis neuzeitlichen Stadtbefestigung Stralsunds heute nicht mehr als zusammenhängender Ring wahrgenommen werden können.
Im Sinne eines übergeordneten städtebaulichen und freiraumplanerischen Leitbildes wird mit der Schaffung eines grünen Rings um die historische Altstadt dieser Zusammenhang erneut hergestellt. Durch das Freistellen der Uferbereiche von invasiver Vegetation unter Berücksichtigung der ökologischen Aspekte, soll das historische Stadtbild mit seinen Wallanlagen wieder erlebbar gemacht und als wichtiges identifikationsstiftendes Merkmal hervorgehoben werden. Die Alleen und Baumreihen entlang der Wallstrassen werden erhalten und ergänzt. Die einzelnen Bastionen sprechen mit unterschiedlichen Schwerpunkten die Freiraumbedürfnisse von Stadtbewohner und Besucher an. Auf diese Weise entsteht eine zusammenhängende Freiraumkette, welche die Bastionen mit Spazierwegen untereinander verbindet.

Städtebauliches / Freiraumplanerisches Konzept Schützenbastion

Der Schützenbastion kommt in diesem Zusammenhang als einer der beiden großen über die Teiche gelegten Zugänge zur Altstadt eine besondere Bedeutung zu. Der historischen Bastion folgend teilt sich hier vom Südufer der Zugang zur Altstadt in die westlich verlaufende Karl-Marx-Straße und den Weidendamm auf. Beide Verbindungen rahmen die Bastion und umfassen den dazwischen liegenden Park. Die Schützenbastion und der kleine Park ordnen sich zum einen in die Freiraumkette des Grünen Rings. Der urbane Platz auf der Bastion mit seiner Multifunktionalität und dem Bezug zur Landschaft ergänzt hingegen die Platzabfolge von Altem und neuem Markt.
Die polygonale Form über fünf Kanten ist eine zeitgenössische Interpretation und Weiterentwicklung der historischen Formen. Das von Cortenstahl umhüllte Bauwerk bildet aus der Sichtachse der Karl-Marx-Straße eine baulich prägnante Kante und öffnet sich vom darüber liegenden Platz über eine Sitzlandschaft zum Weidendamm und zum Frankenteich. Der Teilung entspricht auch die Trennung der Verkehre in die stark befahrene Karl-Marx-Straße mit der neuen Bushaltespur und der Verbindung in die Altstadt für Fußgänger und Radfahrer über den Weidendamm.
Der Platz auf der Schützenbastion folgt der gewachsenen Struktur der Wallanlagen und bildet mehrere Schalen mit verschiedener Belegung und Nutzungsmöglichkeit aus.
Die äußerste Schale führt entlang der Bastionskante als Weg in Ortbetonplatten zur Sitzlandschaft am Weidendamm und bietet spektakuläre Ausblicke in die Landschaft und zu den Teichen. Die inliegende Schale in gefärbtem Asphalt nimmt Spiel- und Sportaktivitäten für Jung und Alt auf.
Von ihr umfasst liegt die eigentliche Platzfläche in einem robusten Stabilizer Belag, die durch ihre offene Gestalt als temporäre Fest- und Marktfläche ebenso geeignet ist, wie als temporärer Stellplatz für bis zu 53 PKW. Die Fläche wird strukturiert durch an die historischen Bastionskanten angelehnte Cortenstahlbänder, welche die Entwässerung aufnehmen. Zusätzlich schaffen punktuelle Markierung Orientierung im Falle einer Stellplatznutzung.
Nach Norden wird der Platz zu beiden Seiten durch die Ausgänge des Parkhauses geschlossen. Zwischen den Pavillons befinden sich formal angepasste grüne Schollen, in denen sich die Allee des Frankenwalls mit einer Baumreihe fortsetzt.
Der nordöstliche Pavillon bespielt den Platz und nimmt zahlreiche Funktionen auf. Durch das nach Norden überhängende Dach wird eine überdachte Bushaltestelle angeboten. Durch den Entfall des bisherigen Wartehäuschens kann die von Osten und Westen heranreichende, die Altstadt umfassende Alle geschlossen werden und bildet eine grüne Membran zum Platz. Die Bäume stehen hier in grünen Schollen, die mit Stauden bepflanzt sind und den Linden über der TG-Decke einen ausreichenden Wurzelraum bieten.
Nach Westen öffnet sich der Pavillon mit einer Gepäckschließwand und Fahrradständern zum Abgang in die Tiefgarage. Nach Süden ist ein Bistro-Café integriert, dem ein von Betonsitzkanten umgebenes Podest mit flexibler Bestuhlung als Caféterrasse vorgelagert ist.

Der intensiven und multifunktionalen Nutzung der Platzfläche steht die zurückhaltende und naturnahe Gestaltung und informelle Nutzbarkeit der umgebenden Parkanlage gegenüber. Die bislang als Bushalteplatz versiegelte Fläche wird nahezu völlig entsiegelt und als zusammenhängender Grünraum mit einer pflegeextensiven Blumenansaat und großen Rasenflächen naturnah gehalten. Ein Weg in abgestreutem Asphalt verbindet den neuen Warteplatz am Busbahnhof mit dem der Sitzlandschaft an der Bastion vorgelagerten kleinen Spielplatz und dem Weidendamm.
Dabei sind der Spielrasen und die Spielflächen für Kinder eindeutig dem Weidendamm zugeordnet.
Der bestehende Großsteinpflasterbelag am Weidendamm wird deutlich verschmälert und nimmt als Aufenthaltsband am Wasser Sitzgelegenheiten auf. Daneben wird zur besseren Nutzung für den Fahrradverkehr und als zusätzliches Angebot für mobiles Spielen ein Asphaltbelag angeboten.

Konzeption Parkhaus

Die Tiefgarage unter der Schützenbastion erstreckt sich über zwei Untergeschosse. Die Zu- und Ausfahrt erfolgt gemeinsam über den Frankenwall an der Westseite. Nach der Zufahrtsperre kann man im ersten Parkdeck kreisen oder direkt in das zweite Untergeschoss fahren. Von dort gelangt man über die an der Straßenseite gelegene Rampe wieder nach oben und direkt zur Ausfahrt. Die vier Meter breiten Fahrgassen sind mit schräggestellten Parkplätzen kompakt in drei Reihen organisiert und werden im Einbahnverkehr erschlossen. Die fünfeckige Form wird so bestmöglich ausgenutzt und das Einparken erleichtert.

Fußgänger erreichen die Tiefgarage über zwei Pavillons auf dem Platz. Ein dritter Notausgang ist in der Bastionsspitze vorgesehen. Die Treppenhäuser verfügen über Metallgitterwände und sind damit luftdurchspült bis in die Untergeschosse. Der Hauptzugang zur Stadt im Nordosten des Parkhauses ist barrierefrei mit einem Aufzug ausgestattet. In dessen unmittelbarer Nähe sind die Parkplätze für mobilitätseingeschränkte Personen vorgesehen. Auch die für Elektroautos reservierten Parkplätze sind nah an den Ausgängen vorgesehen. Insgesamt bieten beide Parkdecks 213 Stellplätze in der Größe von 2,5 x 5 Metern. Weitere acht Stellplätze können für Kleinstfahrzeuge genutzt werden.

Die Außenwand der Tiefgarage wird von einer abgeschrägten Cortenstahlwand gebildet. Sie steigt über den Platz auf und schafft so die Brüstung für die Platzebene. Ein hölzerner Handlauf und eine indirekte Beleuchtung schafft haptische und ästhetische Qualität zum Platz. Im unteren Bereich ist die Wand perforiert und ermöglicht so die Belüftung der Garage. Eindringendes Wasser versickert hinter der Stahlfassade in einer Kiespackung und gelangt nicht in die dahinter angeordneten Lüftungsschächte.

Die auf dem Platz befindlichen Pavillons sind als lichtdurchlässige Gebäude mit prägnanten Flachdächern konzipiert. Sie ermöglichen den Zugang zur Tiefgarage, bilden gemeinsam mit der Baumreihe eine Trennung zur Straße und stellen die Verbindung mit dem Geschehen auf dem Bastionsplatz her. Der größere Pavillon ist am Eingang zur Stadt positioniert. Er beinhaltet 54 Fahrradstellplätze in Doppelstockparkern, Gepäckschließfächer, zwei schwellenlose WC-Anlagen und einen Verkaufsraum, der als Café oder Kiosk genutzt werden soll. Das auskragende Dach bietet auch einen wettergeschützten Buswarteplatz. Wie die Bastion sind die Pavillons von einer perforierten Leichtmetallhaut eingefasst, die allerdings hier eine besonders transparente Wirkung haben soll. Den Abschluss bilden begrünte Dachplatten aus Cortenstahl, in denen hinterleuchtete Schriften als Leitsystem eingeschnitten sind.

Ornamentik und Stadtgeschichte

Besucher der Stadt soll an der Schützenbastion ein erstes tiefergehendes Kennenlernen der Stadt und des Ortes ermöglicht werden. Die Metallfassaden der Tiefgarage und der Pavillons werden daher mit Schnittmustern perforiert, die auf die Geschichte Stralsunds verweisen. Archäologische Fundstücke aus der Bauphase sollen in den Treppenhäusern der beiden Pavillons in Vitrinen ausgestellt werden.

Die hier dargestellten Schnittmuster der Metallfassaden sind als erste Ansätze zu verstehen – eine Weiterentwicklung soll in Arbeitsgemeinschaft mit einem Künstler vorgenommen werden.

Lüftung und Entrauchung

Die Belüftung und Entrauchung der Garage erfolgt mechanisch. Die perforierte Metallfassade aus Cortenstahl wird dabei zur Luftnachströmung genutzt. Hinter der Metallhaut sind dafür Fassadenöffnungen des ersten Untergeschosses und Lüftungsschächte des zweiten Untergeschosses im Wechsel angeordnet. Die Abluft wird zentral aufgenommen und über die Schächte an den Treppenhäusern über Dach abgeführt. Die Fassadenöffnungen und Schächte ermöglichen einen Anteil freier Lüftung anzusetzen und gewährleisten auch eine natürliche Grundbelichtung der unterirdischen Etagen.

Unterzugfreie Decken ermöglichen die freie Anordnung notwendiger Lüftungskanäle. Die Parkdecks sind in insgesamt drei Rauchabschnitte von unter 2500 m2 unterteilt, die durch selbstschließende Rauchabtrennungen voneinander getrennt werden. Der Anschluss und die Steuerung der Haustechnik erfolgt in vier Technikräumen an der Straßenseite. Ein kontinuierliches Quergefälle von 2% ermöglicht die pfützenfreie Entwässerung.

Konstruktion und Material

Die Tiefgarage wird als unterzugsfreie Konstruktion erstellt. Bodenplatte und Wände bestehen aus wasserundurchlässigem Ortbeton und Decken aus vorgefertigten Betonhohlkastenelementen mit großer Tragfähigkeit. Die Hohlkastenelemente werden auf deckengleichen Trägern aufgelegt, die von Rundstützen gestützt werden.
Die innenräumliche Gestaltung der Etagen erfolgt über die künstliche Beleuchtung und farbige Akzentuierungen. In beiden Etagen gegenläufig angeordnete LED-Lichtleisten an den Decken schaffen unterschiedliche Raumwirkungen. Farbige Bodenmarkierungen und farbig akzentuierte Treppenhauswände sorgen für eine freundliche Atmosphäre und für eine gute Orientierung.

In dieser naturnahen Park- und Erholungslandschaft, die auf selbstverständliche Weise an den grünen Saum und die Uferzonen anschließt, bildet die neue Bastion einen die Besucher empfangenden maßvollen Auftakt zum historisch einzigartigen Ensemble der Stralsunder Altstadt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Leitidee
Die vorgeschlagene Bastion zeichnet klar die Form der historischen Bastion nach und entwickelt sich in der Höhe barrierefrei schlüssig Richtung Süden. Entlang des Frankenwalls erfolgt ein niveaugleicher Anschluss – dies ist positiv zu bewerten und entspricht der Auslobung.

Raumbildung und –verknüpfung:
Das Bauwerk hebt sich deutlich und in angemessener Höhe von der vorgelagerten Rasenfläche ab, die ruhig gestaltet und überzeugend auf weitere gestalterische Elemente verzichtet. Dadurch wird die Bastionsspitze deutlich lesbar.
Die Freitreppe fungiert als verknüpfendes Element in den Freiraum. Als konsequente Fortführung dieser Idee wird empfohlen, die Blickbeziehung/Sichtachse Richtung Frankenteich herzustellen bzw. freizustellen. Die Differenzierung in Rasen- und Wildblumenwiesen unterstützt die Wegeführung und Platzabgrenzung.
Die Aufbauten entlang des Frankenwalls bilden eine räumliche Zäsur und eine Betonung der Ecken. Dieses wurde kontrovers diskutiert und die Betonung beider Ecken durch Aufbauten hinterfragt.
Die Fortführung der straßenbegleitenden Baumreihe entlang des Frankenwalls wird als sinnvoll erach- tet. Allerdings wird die vom Verfasser gewählte Lage auf dem Bauwerk und in Abgrenzung zum Fran- kenwall sehr kritisch gesehen.
Die Einordnung der Bäume auf einem erhöhten Plateau des Bastionsgebäudes erscheint funktional richtig und wird als bereicherndes Element positiv bewertet.

Erschließung
Sehr positiv bewertet wird die neben dem Gebäude liegende Zufahrt mit ausreichend Rückstaulänge. Der Wartebereich für Reisebusse sowie die kleine Platzaufweitung mit anschließender Fußwegever- bindung wird als stimmiges Detail erkannt. Der barrierefreie Zugang des Platzes durch eine umlaufen- de Wegeverbindung wird ebenfalls positiv gesehen. Allerdings wird die Lage und Ausbildung der Grünfläche zwischen Stellplatzanlage und Frankenteich hinterfragt.

Funktionalität/ Strukturierung der Flächen für Bewegung und Aufenthalt
Der Platz wird durch die Verwendung von drei unterschiedlichen Materialien schlüssig in Funktionsberei- che gegliedert: dies sind das außenliegende Asphaltband zum Promenieren entlang der Balustrade, der abgestreute Asphalt als Aktionsband mit Freiraumangeboten und die innen liegenden großzügige Platzflä- che aus wassergebundener Decke. Letztere wird in Bezug auf die Dauerhaftigkeit allerdings hinterfragt.
Die gewählten Mastleuchten werden eher kritisch bewertet, da eine Beeinträchtigung der Silhouette erfolgt. Der Standort des Cafés wird in Lage und Größe als angemessen eingeschätzt.

Umgang mit dem Bestand
Der Erhalt der freiräumlichen Kanten und Zäsuren unter Einbindung des wesentlichen Baumbestan- des wird positiv hervorgehoben. Der Vorschlag zur Gestaltung der weiterführenden Uferkante folgt der denkmalpflegerischen Rahmenplanung und stellt dadurch den Verlauf der Bastionshügel klar heraus.
Garage Funktionalität
Aus Sicht des künftigen Betreibers stellt der Beitrag eine sehr gute Lösung dar - die Zufahrten fächern sich in jeweils in 2 Zufahrts- und Abfahrtsspuren auf, die Schrägaufstellung ermöglicht flüssiges Ein- und Ausparken und durch die Anordnungen ist mit wenig Rückstau zu rechnen. Der Parkhausgrund- riss fügt sich in Geometrie der Bastion schlüssig ein.

Materialität
Das aus Ornamenten der Stadtstruktur und ihrer typischen Elemente abgeleitete Fassadendetail bzw. –muster stellt eine gelungene Interpretation des historischen Stadtgeometrien dar. Die Farbigkeit des Cortenstahls als moderne Interpretation für ein alterungsfähiges Material bezieht sich auf den für Stralsund typischen Backstein und fügt sich dadurch schlüssig in den Gesamtkontext ein. Die funktio- nale Verknüpfung mit Belüftung durch Perforation wird als konsequent beurteilt.

Insgesamt wird die Arbeit trotz einzelner kritischer Details als sehr überzeugend und als wertvoller Beitrag zur Lösung der gestellten Wettbewerbsaufgabe eingeschätzt.