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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2019

Neugestaltung Bahnhofstraße Montabaur

Lageplan

Lageplan

Anerkennung

Preisgeld: 6.000 EUR

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Eine Zeitreise durch Montabaur

Situation und Aufgabe

Die wichtige innerstädtische Wegebeziehung entlang der Bahnhofstraße ist heute durch die Allgegenwärtigkeit des fahrenden und ruhenden Verkehrs, unklare Kreuzungssituationen und eine heterogene Gestaltung gestört. Hinzu kommt, dass die Bahnhofstraße durch drei sehr unterschiedliche Abschnitte führt, die nur unzureichend miteinander verbunden sind. Im nördlichsten dieser Abschnitte verlaufen sich die Wege und die Orientierung geht verloren.

Idee

In unserem Entwurfskonzept möchten wir mit einer eindeutigen Geste eine klare Verbindungsspange mit viel Aufenthaltsqualität schaffen, die sich in der Innenstadt verankert und sich eindeutig ablesbar bis zum Bahnhofsvorplatz erstreckt. Wir interpretieren die Abfolge vom ICE- Bahnhof zur historischen Altstadt dabei als „Zeitreise durch Montabaur“.

Auf der etwa einen Kilometer langen Strecke vom modernen ICE-Bahnhof bis in die Innenstadt Montabaurs taucht der „Reisende“ Schritt für Schritt ein in die historische Stadt mit einer jahrhundertealten Architekturtradition. Sein Weg führt ihn zu Beginn entlang des neu gebauten Fashion Outlet Centers und des Aubachviertels aus dem Jahre 2015, später folgt er dem von gründerzeitlichen Villen aus dem frühen 20. Jahrhundert flankierten mittleren Abschnitt der Bahnhofstraße bis er schließlich im historischen Kern rund um den Kleinen und Großen Markt mit seinen Fachwerkhäusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert ankommt.

Diese “Zeitreise” ist auch räumliche spürbar: Während sich im ersten Wegeabschnitt unterschiedliche Strukturen wie das dichte Aubachviertel, Großstrukturen und weite Parzellen mit lockerer Bebauung zu einem heterogenen Gefüge zusammenfinden, ist die Bebauung an der mittleren Bahnhofstraße nahezu geschlossen und verdichtet sich nochmals in der kleinteiligen, mittelalterlichen Stadtstruktur des südlichen Abschnitts.
In unserem Entwurf wollen wir dieses schrittweise “Eintauchen” in die historische Stadt Montabaur inszenieren und erlebbar machen und gleichzeitig eine klare und eindeutige Wegebeziehung zwischen Bahnhof und Innenstadt herstellen.

Unsere Grundidee besteht aus einem mit einheitlichen Materialien und wiederkehrenden Ausstattungselementen gestalteten, klar definierten, barrierefreien Straßenraum, der Fußgänger und Radfahrer wie selbstverständlich vom Bahnhof in die Innenstadt leitet. Die Verbindungsspange wird geprägt durch eine großzügige, von Bäumen und Aufenthaltsbereichen begleitete Promenade und einen separierten Radweg. Kurze Straßensequenzen werden durch Plätze an den Kreuzungssituationen getaktet. Im Bereich dieser Plätze wird der Straßenraum niveaugleich ausgebaut. Die Querung erfolgt an den Platzen durch Zebrastreifen bzw. über die existierende Ampel. Der Radverkehr wird konsequent als Zweirichtungsverkehr auf der Seite des Schlossbergs geführt.
Ein leitendes “Montabaurer Band” begleitet die Promenade, markiert die besonderen am Weg liegenden Orte und erzählt im Sinne einer „Spurensuche“ an verschiedenen Stationen über Montabaurer Geschichten und Anekdoten aus alten und neuen Zeiten. Die eingravierten Texte auf dem stählernen Band können im Dialog mit den Bürgern im Sinne eines Ideenwettbewerbes entwickelt werden, um die schönsten und spannendsten Geschichten zu ermitteln.

Die Gestaltungselemente entlang der Bahnhofstraße bedienen sich aus dem Kontext “Fließgewässer” und erinnern dadurch an den unter der Bahnhofstraße verlaufenden Stadtbach. Mehrstämmige Erlen, Gräserpflanzungen und zwischen den Gräsern eingelassene „Inseln” mit flexibler Aufenthaltsfunktion prägen das Erscheinungsbild des Straßenraums.

Dieses Gestaltungsprinzip reagiert flexibel auf die Besonderheiten eines jeden der drei Teilbereiche der Bahnhofstraße, hebt wichtige Orte hervor und definiert klare räumliche Bezüge.

Die drei Abschnitte

Vom Bahnhof zur ehemaligen Hanpforte

In diesem heterogenen und räumlich teils undefinierten Bereich gilt es vor allem eindeutige räumliche Beziehungen herzustellen und eine klare Orientierung zu ermöglichen.

Dies gelingt durch eine konsequente, geradlinig laufende Führung der Fußgängerachse auf der westlichen Seite der Bahnhofstraße, begleitet von raumbildenden Baum- und Gräserpflanzungen, die einen schützenden „Filter“ zur befahrenen Straße herstellen.
Am Bahnhofsplatz beginnt das „Montabaurer Band“, indem es sich zu einer Stele hochfaltet, die den Anfangspunkt der Promenade markiert. Im Bereich des Kreisverkehrs entwickelt es sich erneut aus der Ebene nach oben und formt eine Art Tor, als Symbol für die einst hier stehende „Hanpforte“.

Von der ehemaligen Hanpforte zum Turm am Eschelbacher Graben

Dieser Abschnitt ist geprägt durch die stark befahrene Bahnhofstraße, den baumbewachsenen Hang des Schlossbergs und die nahezu geschlossene, qualitätsvolle Bebauung auf der westlichen Seite. Wie im nördlichen Bereich führen wir auf dieser Seite die Promenade weiter, entlang der gründerzeitlichen, hauptsächlich mit Dienstleistungsnutzungen besetzten Gebäude. Der Verkehr wird in einer sechs Meter breiten Fahrbahn kanalisiert und durch breite Pflanzstreifen von der Promenade abgeschirmt. Großzügige, niveaugleiche Platzsituationen markieren die Querungsbereiche für die Fußgänger sowie den Pkw- und Radverkehr. Die Bushaltestelle wird zentral auf dem bis zum Amtsgericht vergrößerten Rudolf-von-Habsburg-Platz angeordnet.

Der Kreuzungsbereich Bahnhofstraße/Wallstraße wird zum “Platz am Eschelbacher Graben”, ein einladender Platz an der Schwelle zur historischen Innenstadt. Hier, am ehemaligen Standort der Stadtmauer und des Turms am Eschelbacher Graben symbolisiert das Geschichtsband das Tor zur Altstadt, indem es sich nach oben faltet und sich über den Straßenraum hinwegspannt. Ein kleines Wasserspiel erinnert an den Stadtbach, der einst durch das Schossgatter des Turms hindurchfloss.

Auf der östlichen Seite führt ein intimerer Weg unter den Baumkronen des Schlossbergs entlang und schafft die Verbindung zu den Pfaden auf den Berg. Dieser “Balkonweg” befindet sich ungefähr 70 Zentimeter oberhalb des Straßenniveaus wodurch sich eine Mauerkante ausbildet, die den Fuß des Schlossbergs elegant konturiert. Auf dem Privatgrundstück an der ehemaligen Stadtmauer schlagen wir vor, einen “Schuster-Spielplatz” für Kinder zu schaffen. Ebenfalls oberhalb des Straßenniveaus gelegen und somit gut von den fahrenden Autos getrennt, entsteht hier ein neuer Aufenthaltsort im Grünen am Tor zur Innenstadt.

Die Randbereiche der Privatgrundstücke der Bahnhofstraße 41, 43 und 45 wurden mit in die Planung einbezogen. Wenn dies sich in der Umsetzung als problematisch herausstellen sollte, ist eine Variante denkbar, in der die Promenade in diesem Bereich verschwenkt und die Privatgrundstücke in ihrer Gänze erhalten bleiben.

Vom Turm am Eschelbacher Graben zum Kleinen Markt

Der südlichste Abschnitt der Bahnhofstraße ist geprägt durch einen engeren Straßenquerschnitt, Geschäfts- und Gastronomienutzungen und Einrichtungsverkehr. Hier gilt es vor allem den urbanen Charakter der historischen Stadt herauszuarbeiten und dem Automobilverkehr eine untergeordnete Rolle zuzuweisen: Der gesamte Straßenraum von Fassade zu Fassade wird zur “Flaniermeile”, ein durchgehender Belag und ein niveaugleicher Ausbau schaffen eine großzügige Atmosphäre und privilegieren den Fußverkehr. Park- und Aufenthaltsinseln sind so angeordnet, dass die Fahrspur regelmäßig verschwenkt und ein Verlangsamen des Verkehrs erreicht wird. Die Außenterrassen der Gastronomiebetriebe sind in diese Inseln integriert.

Das Geschichtsband mäandriert durch den Straßenraum wodurch die beiden Straßenseiten nochmals miteinander verwoben werden. Am Kleinen Markt erhebt es sich erneut zu einer Stele, wodurch das Ende der Zeitreise und der Ort des Ankommens in der Altstadt markiert wird. Die Gestaltungselemente der südlichen Bahnhofstraße könnten sehr gut in die restlichen Bereiche der Altstadt übertragen werden, und der Innenstadt Montabaurs somit ein einheitliches Erscheinungsbild geben.

Verkehr

Die Besonderheiten unseres Entwurfs sind einerseits die platzartigen Kreuzungsbereiche, andererseits der in Zweirichtungsverkehr ausgeführte, einseitige Radweg.
Im nördlichen und mittleren Abschnitt werden die Fußgängerquerungen an den neuen Plätzen Rudolf-von-Habsburg-Platz und dem Platz am Eschelbacher Graben gebündelt. Ein Queren von Fußgängern außerhalb dieser Bereiche wird im stark befahrenen mittleren Abschnitt durch den höher liegenden “Balkonweg” auf der Bergseite unterbunden.

Beim Befahren der Plätze werden die Pkw- und Lkw-Fahrer durch eine Rampe und einen Belagswechsel abgebremst und auf die geänderte Vorfahrtssituation sowie die mögliche Querung anderer Verkehrsteilnehmer aufmerksam gemacht. Um den Verkehrsfluss weiterhin zu gewährleisten und die Aufmerksamkeit der Autofahrer auf die kritischen Situationen zu konzentrieren, ist diese Maßnahme auf die Kreuzungsbereiche reduziert. Die weniger befahrene südliche Bahnhofstraße ist als Mischverkehrsfläche gestaltet.
Der zweieinhalb bis drei Meter breite Radweg führt ohne Unterbrechung entlang der Fahrstraßen, von der nördlichen Bahnhofstraße bis zum Platz am Eschelbacher Graben. Er wird durch einen mit Gräsern bepflanzten Sicherheitsstreifen von der Fahrbahn getrennt. Durch seine Lage auf der Seite des Schlossbergs entstehen keine Konflikte mit parkenden oder in die Privatgrundstücke abbiegenden Autos.

Im weniger befahrenen südlichen Bereich wird der Radverkehr auf der Mischverkehrsfläche der Bahnhofstraße geführt, die Autofahrer in Einbahnrichtung werden durch eine Straßenmarkierung auf die entgegenkommenden Radfahrer aufmerksam gemacht.

Die geforderten Stellplätze werden im nördlichen und südlichen Abschnitt als Längsparker beidseitig entlang der Fahrbahn und im mittleren Abschnitt auf der Seite der Nutzungen als Querparker angeordnet.

Materialien und Barrierefreiheit

Bei der Wahl der Materialien orientieren wir uns an der neuen Gestaltung des Karoline-Kahn-Platzes und der Elisabethenstraße. Die aus einem robusten Betonstein mit Natursteinvorsatz hergestellten Gehwegbereiche werden durch eine 30 cm breite Einfassung gerahmt und von den Fahrbereichen abgetrennt. Der Straßenbelag wird im Bereich der Plätze aus einem 20x10 cm großen Betonsteinpflaster mit Natursteinvorsatz in gebundener Bauweise hergestellt. Der Radweg wird durch einen eingefärbten Asphalt markiert.

Für die Aufenthaltsinseln sehen wir einen parkettartigen Plattenbelag vor, auf dem sich großzügige Sitzmöbel aus Holz der jeweiligen Situation anpassen: Im nördlichen und mittleren Abschnitt orientieren sich die loungeartigen Möbel in Richtung Promenade und schirmen sich durch eine schützende Lehne von der Straße ab. Im südlichen, verkehrsberuhigten Bereich bilden sie rundum benutzbare Sitzelemente mit einer mittigen Lehne aus.

Bei Leuchten und Abfallbehältern wird auf die vorgegebenen Produkttypen zurückgegriffen.

Die gesamte Planung ist barrierefrei ausgebildet, wobei das „Montabaurer Band“ als taktiles und visuelles Leitelement entlang der Promenade dienen kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen als verbindende Leitidee das Montabaurer Band aus einer starken Baumsequenz und begleitenden grünen Stauden- und Grasbändern vor. Das Band reagiert angemessen auf den Stadtraum und bildet ein qualitätvolles 8 Grünelement mit eingestreuten Aufenthaltsinseln, die zum Verweilen einladen sollen. An den zentralen Verknüpfungs- und wichtigen Orientierungspunkten wird das grüne Band sinnfällig unterbrochen. Diese übergeordnete Idee wird als grundsätzlich tragfähig gewertet, die Anzahl, Größe und der z.T. nur Resträume einnehmende Zuschnitt des Vegetationsbandes jedoch kritsch hinterfragt.

Im Straßenabschnitt innerhalb der Altstadt führt die verspringende Baumstellung mit einer Vielzahl von vordefinierten Orten zu einer Überfrachtung und schränkt eine flexible Nutzbarkeit z.B. für Geschäftsauslagen, Gastronomie, Verkaufsstände und sonstige städtische Funktionen ein.

Im mittleren Teil schlagen die Verfasser einen durch einen Grünstreifen separierten Zweirichtungsradweg und einen erhöhten „Balkon-Weg“ entlang des Schlossberges vor. Diese um ca. 70 cm erhöhte Wegeführung mit Geländer kann jedoch gestalterisch nicht als adäquate Ausformulierung der Hangkante überzeugen. Sie könnte wie eine Barriere wirken und erschwert den Zugang zum Schlossberg. Auch ist der erhöhte Fußweg nur an wenigen Stellen mit dem Stadtraum verbunden und recht schwer auffindbar, sodass Kollisionen zwischen Fußgängern und Radfahrern u.a. auf dem durchgängigen „schnellen“ Radweg befürchtet werden. Kritisch wird insbesondere der Zugang zum Schlossberg auf Höhe des Amtsgerichtes beurteilt, der mit den Bushaltestellen kollidiert. Auch schränkt die Lage der Haltestellen auf gleicher Höhe den Verkehrsfluss ein. Die Führung der Promenade an der westlichen bzw. südwestlichen Straßenseite ist richtig gewählt, die vorgeschlagenen Sitzinseln orientieren sich jedoch leider nur zur Gebäudeseite und nicht in Richtung des attraktiven Schlossberges. Die Zu- und Abfahrten auf die Grundstücke und der Verkehrsfluss werden durch die Anordnung der Senkrechtparkstände erschwert und es entstehen unübersichtliche Situationen.

Die zweireihige Allee im nördlichen, landschaftlicheren Promenadenabschnitt schafft einen guten Übergang zum Landschaftsraum und ins Aubachviertel. Die Idee des grünen Bandes wird somit konsequent weitergeführt und durch die in diesem ruhigeren Abschnitt sinnvoll platzierte Sitzinseln ergänzt.

Grundsätzlich wird die Idee eines Geschichtsbandes positiv gesehen, in seiner kompletten Länge vom Bahnhof bis in die Innenstadt und mit mehreren Wechseln über die Straße erscheint es in Dimension und Ausformulierung jedoch sehr aufwendig, dem Ort nicht angemessen und etwas „gewollt“. Insgesamt kann die Vielzahl der Ausstattungselemente und Sitzinseln nicht überzeugen und erscheint den verschiedenen stadträumlichen Situationen nicht angemessen.

Das Konzept lässt abgesehen von den recht aufwendigen Ausstattungselementen eine wirtschaftliche Herstellung erwarten. Der hohe Grünfächenanteil könnte jedoch je nach Intensität der jeweiligen Bepflanzung zu höheren Unterhaltungskosten führen.

Insgesamt kann der Beitrag zwar durch seine starke verbindende Kraft zwischen Nord und Süd, zwischen neuem Bahnhofsquartier und Altstadt überzeugen, die Funktionalität in Hinblick auf eine reibungslose Verkehrsführung und die z.T. recht aufwendigen Ausstattungselemente werden jedoch kritisch bewertet.
Perspektive «Rudolf-von-Habsburg-Platz»

Perspektive «Rudolf-von-Habsburg-Platz»

Perspektive Bahnhofsstraße Süd

Perspektive Bahnhofsstraße Süd