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Offener Wettbewerb | 07/2019

Landesgartenschau Kirchheim 2024

Naturerlebnispfad & Aussichtsturm

Naturerlebnispfad & Aussichtsturm

Anerkennung

Preisgeld: 15.000 EUR

Planorama Landschaftsarchitektur – Maik Böhmer

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Mit der Durchführung der bayerischen Landesgartenschau 2024 ergreift die Gemeinde Kirchheim bei München die Chance die Gemeindeteile Kirchheim und Heimstetten in qualitativer Weise weiter zusammenwachsen zu lassen und dabei ein durchgängiges Grünsystem im Zentrum zu sichern und für die Zukunft nachhaltig auszubauen. Wichtige bestehende Grün- und Erholungsstrukturen werden integriert, gestärkt und besser miteinander vernetzt.

Gesamtkonzept
Das neue zentrale Quartier mit Ortspark erhält seine bauliche Fassung durch die konzentrierte Anordnung von Sozial-, Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen aber auch Wohnen entlang der Ränder und bestehenden Straßenverbindungen. In der Mitte schält sich entlang der baulichen Fassungen der eigentliche grüne Parkraum mit einer deutlich linearen Ausrichtung in nordsüdlichem Verlauf heraus, der wie eine Klammer die Ortsteile auch über die Staatsstraße hinweg verbindet. Der Park wird zu einem wichtigen Korridor und Aufenthaltsraum, der die Umgebung klarer vernetzt und als grüne Lunge und ökologischer Rückzugsraum gesichert wird. Der Gesamtraum bietet die Bandbreite landschaftlicher Gestaltungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Teilbereichen an. Neben intensiv gestalteten Flächen werden auch extensive natürliche Bereiche entwickelt, dichte und weite Räume wechseln einander ab. Wasser wird als neue Qualität im Zentrum hinzugefügt. Es entsteht so eine Kette unterschiedlicher Landschaftsräume, die einen spannungsvollen Wechsel mit sich bringt.

Freiraumplanerischer
Entwurf Das Kernelement bildet ein großer Rundweg, der sich zwischen der südlichen Begrenzung und der Martin-Luther-Straße im Norden aufspannt. Der westliche Wegeverlauf respektiert dabei in weiten Abschnitten den Trassenverlauf bestehender Versorgungsleitungen. Gleichzeitig nimmt dieser Wegeabschnitt in breiterem Ausbau die übergeordnete Funktion für die schnelle Fuß- und Radwegeverbindung auf und bindet an die bestehende Brücke an. Am südlichen Parkrand spannt sich zwischen dem Gymnasium mit Sporthalle und den Wohnbauten auf der Westseite eine Wasserfläche auf, das zum hochwertigen Entrée und Veranstaltungsort wird. Von Sitzstufen am Wasser eröffnet sich der Blick in die Tiefe des Parkraums. Im zentralen Bereich prägen offene Wiesenflächen das Bild und setzen einen angemessenen Kontrast zu den bebauten Rändern. Höhere Wiesen und gemähte Rasenflächen wechseln einander ab und laden zum Verweilen und informellen Spiel ein. Der Park spielt hier mit dem leichten Höhenunterschied an der Westkante und bildet in Verlängerung der Zugänge kleine Aussichtsplateaus aus. Im nordwestlichen Teilbereich wird die bestehende Gehölzvegetation in den Entwurf integriert. Hier entsteht ein waldartiger natürlicher Bereich, der um einige Feuchtbiotope angereichert wird und so auch die ökologische Rückzugsfunktion und Artenvielfalt bewahren soll.

Übergänge zu den Grundstücken
Die umliegenden Grundstücke lagern sich direkt an den Rundweg an, erhalten aber klare eigene Fassungen aus niedrigen, überschaubaren Hecken und Baumpflanzungen um ganz bewusst starke Teilräume mit eigenen Qualitäten herauszuarbeiten. Punktuell bestehen wo gewünscht öffentliche Zugangsmöglichkeiten von oder in die Grundstücke bzw. den Park, um beispielsweise sportliche Einrichtungen multipel nutzen zu können. Die Anforderungen an Sicherheit und Kontrolle werden so respektiert und gleichzeitig ein Austausch ermöglicht. Reste des bestehenden Wäldchens im südlichen Bereich werden soweit als möglich in die Neuplanung übernommen und bilden einen skurrilen Blickfang in der neu geformten Umgebung.

Spielen und Bewegen
Spielangebote werden neben dem informellen Spiel auf den Grün- und Platzflächen konzentriert an drei Orten im Süden, als Mehrgenerationenspielplatz im Bereich des Seniorenwohnens und der Kita, in der Mitte als Waldspielplatz und im nördlichen Bereich als Kleinkindspielplatz verortet. Alle Generationen werden übergreifend und inklusiv angesprochen.

Vorplatz – S-Bahnhof Heimstetten
Der Vorplatz wird als optisch einheitliche ruhige Belagsfläche hergestellt, die alle erforderlichen Funktionen aufnimmt und möglichst konfliktfrei ordnet. Entlang der Böschung werden überdachte Fahrradstellplätze als Doppelparkersystem angeboten und um eine Station für E-Bikes ergänzt. Über eine Wendeschleife erfolgt der Ein- und Ausstieg für den Individualverkehr. Hier werden auch Taxi- und Behindertenstellplätze angeboten. Der Bushalt erfolgt auf der Fahrbahnfläche mit erhöhtem barrierefreiem Bord. Eine kleine Baumgruppe mit Bänken bietet die Möglichkeit zum Rasten im Schatten. Ein abgesetzter Fahrbahnbelag auf der Poinger Straße stellt die optische Verbindung von Vorplatz zur Maria-Glasl-Straße her.

Gartenschau- Ausstellung
Die Ausstellungs-Architekturen, Schaupflanzungen und temporären Gärten werden behutsam in die dauerhaften Platz- und Parkanlagen integriert und unterstreichen die Qualitäten der einzelnen Räume. Dabei wird der Besucher subtil durch den Raum gelenkt. Der Rückbau wird auf einen Minimum beschränkt um die Investitionen langfristig zu sichern. Vornehmlich werden die in der Folge zu bebauenden Teilflächen für die Ausstellungsbeiträge genutzt, die sich überwiegend an der westlichen Kante orientieren. Die Hauptzugänge werden in diese Bereiche integriert. Bühnen und Gastronomie werden so angeordnet, dass die notwendigen Backstage Flächen nicht einsehbar und gut andienbar sind. Das Schauprogramm mit den Flächenanforderungen kann gut in den zur Verfügung stehenden Flächen untergebracht werden.

Barrierefreiheit
Alle Bereiche werden barrierefrei/ barrierearm und stufenlos zugänglich für Mobilitätseingeschränkte gestaltet. Borde werden wo möglich niedrig, z.B. mit 3 cm Höhe ausgeführt, so dass an jeder beliebigen Stelle gequert werden kann. Notwendige Stufen werden ausreichend kontrastreich hergestellt. Sinnvolle Leitlinien aus taktilen Elementen werden z.B. an Übergängen eingebaut.

Wasserflächen
Die geplanten Wasserflächen sollen möglichst naturnah und nachhaltig angelegt werden und dabei überwiegend Retentionsfunktionen für die befestigten Flächen und die umliegende Bebauung wahrnehmen und sich daraus speisen. Das bedeutet, dass die Wasserstände in diesen Bereichen schwanken und Bereiche auch trocken fallen können, wenn kein Mindestwasserstand eingeplant wird, der immer gehalten werden soll.

Technische Infrastruktur
Alle notwendigen Versorgungen für Veranstaltungen auf den Plätzen und in den Anlagen wie Strom, Wasser und Abwasser werden bei Bedarf als überfahrbare Unterflurverteiler in der Fläche verteilt angeboten.

Beleuchtung
Die schnellen Wegebeziehungen der umlaufenden Ränder werden mit niedrigen Mastleuchten ausgeleuchtet. An den Straßen werden die Leuchten fahrbahnbegleitend als Mastleuchte verortet. Alle Hauptwegebeziehungen und Fahrbahnflächen werden normgerecht und sicher ausgeleuchtet. Die offenen Grünräume und Platzzentren verbleiben eher zurückhaltend beleuchtet, leicht abgedunkelt, zum Verweilen an lauen Sommerabenden. Inszenierende Beleuchtung wird in Mastleuchten integriert, um die Anzahl der Leuchtenstandorte so weit wie möglich zu minimieren.

Nachhaltigkeit
Dem Schutz und der Bewahrung bestehender Ökosysteme, von Tieren und Pflanzen schon während der Planung und in der baulichen Umsetzung kommt höchste Bedeutung zu. Die Vermeidung von Eingriffen in hoch sensiblen Bereichen, der schonende Geräteeinsatz, die Reduktion von Emissionen und die Einhaltung von Schonzeiten tragen dazu bei. Zum Einsatz kommen nur nachhaltige Baustoffe aus ressourcenschonender Herstellung und nicht ausbeuterischer Arbeit. Wo möglich werden auch Materialien wieder verwendet oder Gebrauchtmaterial aus anderen Regionen verbaut. Ein aktives Bodenmanagement und eine Bodenaufbereitung vor Ort soll zu möglichst wenig Ab- und Anfuhr von Material führen. Wo zulässig und möglich sollen Recyclingbaustoffe zum Einsatz kommen oder vor Ort aufbereitet werden. Auch eine aktive Niederschlagswasserbewirtschaftung kann Folgekosten reduzieren. Die Leuchtentechnik wird auf den aktuellen energiereduzierten Standard modernisiert. Ziel ist die Reduktion eingesetzter Energie bei der Herstellung, ein möglichst geringer Materialverbrauch sowie niedrige Folgekosten im Sinne des Unterhalts und der Pflege im angesetzten Lebenszyklus.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch ein äußerst klares, robustes und ortspezifisches Grundschema aus. Es besteht aus drei Hauptelementen: offene Wiese, Wald und Wasser. Dieses Gerüst stiftet Identität und Belebung. Sie sind planerisch sensibel, situativ gut platziert und dimensioniert. Intensiv und kritisch diskutiert wird jedoch die Plausibilität des Wasserbeckens am höchsten Punkt des Areals, wie auch das zu erzeugende Bild bei trockenem Zustand. Insbesondere die Tümpel im Norden werden in der Münchner Schotterebene kaum Wasser zurückhalten können. Ansonsten ist der Entwurf auf hohem Niveau durchgearbeitet und beinhaltet eine Vielzahl Sinn stiftender, belebender und nachhaltiger Entscheidungen.
Der Westrand bildet ein Scharnier zwischen dem Wohnen und dem Park, belebt durch Nutzungen wie Gastronomie, urban gardening, LGS-Bühne und Spielbereiche. Die ca. 2 ha grosse Wiese ist größzügig aber in Zonen gegliedert. Die zentrale Wegachse von Norden bis Süden dient Fahrradverkehr wie Fußgängern und wird von einer Sequenz kleiner Plätze, dessen Höhepunkt am Südrand in einen Platz mit Sitzstufen zum Wasser hin mündet, räumlich gegliedert. Die Szenografie von Weite und Enge, offen und geschlossen, fernen und nahen Blickbezügen schafft eine reizvolle Kulisse, die für eine Fülle - auch sich wandelnden Anforderungen - fexibel nutzbar ist. Wichtige soziokulturelle Themen wie zu Beispiel Spielangebote sind durchdacht und in Synergie mit ihrer Umgebung platziert. Der Mehrgenerationen-Spielplatz im Süden beim Seniorenwohnen, der Waldspielplatz, der Spielplatz im Norden des Wettbewerbsgebietes. Der bestehende Wald im Norden ist sehr positiv in Szene gesetzt. Die vorgeschlagenen Mulden und Stege können nur mit Eingriff in den Strauchbestand umgesetzt werden.
Die temporären Gärten westlich davon hätten in die bestehende Vegetation integriert werden können. Erwünscht wäre eine verstärkte Synergie, Präsenz und Belebung zwischen Rathaus und Park, inklusive eines vielfältig bespielbaren Aufenthaltsraums an dieser Stelle. Das Wegesystem greift das bestehende Straßen- und Wegenetz auf und führt sie fort, ein wichtiger Aspekt zur Belebung des Parks. Der nördliche Eingangsbereich reagiert ungenügend auf die historische Kirche, die Platzierung der Minigolfanlage ist hier kritisch zu sehen. Der Entwurf für den Bahnhofsbereich ist ruhig und selbstverständlich. Die Verkehrsradien müssen überprüft werden. Die Ausstellungsflächen für die Landesgartenschau sind vorwiegend auf zukünftigen Wohnbaufächen angelegt. Die Flächen im südlichen Bereich werden entgegen dem städtebaulichen Bebauungsplan-Entwur̈fs mit einer KiTa und einer geänderten „Senioren Anlage“ genutzt.
Der Entwurf versucht bestehende Ökosysteme (Bestand „Wäldchen“, Baumbestand Nordwest) zu erhalten. Der südliche Teil des „Wäldchens“ wird teilweise erhalten, aber ausgelichtet zu gunsten der fließenden, offenen Wiese. Die Anlage von ausgeprägten Wasserflächen hat einen hohen sozialen und gesellschaaftlichen Wert. Die naturnahe Anlage von Retentionsflächen wird zu stark schwankenden Wasserspiegeln führen, Teile der Wasserfläche werden immer wieder trockenfallen können. In Trockenzeiten werden bei fehlender zusätzlicher Wassereinspeisung nur deutlich reduzierte oder gar keine Wasserflächen erlebbar sein. Die Anlage der Wasserflächen im Nord-Westen wird kritisch gesehen. Die Anlage von „Modernen Gärten“ (urban farming) ist unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten als sehr nachhaltig zu bewerten. Als Aneignungsort dienen diese Gärten der benachbarten Bewohnerschaft.
Lageplan 1:1000

Lageplan 1:1000

Erschließung - Raumbildung - Erlebnislandschaft

Erschließung - Raumbildung - Erlebnislandschaft

Wasserbecken & Wassertreppen

Wasserbecken & Wassertreppen

Detail Wäldchen & Naturerlebnispfad

Detail Wäldchen & Naturerlebnispfad