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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2019

Neubau des Kultur- und Heimathauses „Ober dem Ufer“ für die Stadt Blankenberg

1. Preis

Preisgeld: 32.000 EUR

Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT GmbH

Architektur

faktorgruen

Landschaftsarchitektur

ZWP Ingenieur-AG

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Städtebau & Organisation
Weithin sichtbar, hoch oben auf einem Felssporn über der Sieg, thront das mittelalterliche Stadt Blankenberg mit malerischen Gassen, hübschen Fachwerkhäusern und einer historischen Burganlage. Um diesen besonderen Ort lebendig zu erhalten, investiert die Stadt in ein neues Kultur- und Heimathaus am bisherigen Standort der Feuerwehr gegenüber der historischen Stadtmauer und dem Ortskern.
Die Jury des Planungswettbewerbs „Ober dem Ufer“ hat am 12. Juli 2019 den Entwurf von Dietrich | Untertrifaller für ein Kultur- und Heimathaus sowie den Neubau der Feuerwache mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Das Konzept trennt die unterschiedlichen Funktionen und teilt sie auf mehrere Gebäude auf, die locker angeordnet an traditionelle Dorfstrukturen erinnern.
Das mehrteilige Heimathaus beherbergt das Besucherzentrum mit Ausstellungsraum, Café, Shop und multifunktionalem Veranstaltungssaal sowie das Archiv des Heimatmuseums. Jede dieser Einrichtungen ist in einem eigenen „Haus“ untergebracht. Die Verschiebung der satteldachgekrönten aneinandergereihten Baukörper erzeugt eine lebendige Front, die sich zum „Dorfplatz“ ausrichtet.
Die Kulturscheune ist als offene Struktur leicht verschwenkt am Platz situiert. Das offene Einraumkonzept gewährleistet eine flexible ganzjährige Nutzung. Die Setzung der Neubauten öffnet den Blick auf die historische Stadtmauer, die Altstadt und die Pfarrkirche St. Katharina. Gleichzeitig werden die neu geschaffene Fußgängerbrücke und das öffentliche Wegenetz mit eingebunden.
Die stufenförmige Landschaftsgestaltung im Süden lädt wie ein Amphitheater zum Sitzen und Verweilen ein und schließt den zentralen Platz räumlich ab.
Der Neubau der Feuerwehr besteht aus zwei Gebäuden: der Wagenhalle und dem um 90° versetzten Funktionstrakt. Das L-förmige Ensemble liegt unmittelbar an der Hauptstraße und schirmt das dahinterliegende Wohngebiet vor Lärm ab.
Das Freiraumkonzept verwebt Kultur- und Heimathaus sowie Feuerwehr zu einem allseits kommunizierenden Gesamtgefüge. Ein Lehrgarten mit Imkerei und alten Obstsorten oder ein grünes Klassenzimmer laden zu Erkundigungen ein.

Konstruktion & Materialität
Das Gemeindehaus ist in massiver Stahlbetonbauweise konstruiert. Die Dauerhaftigkeit und Robustheit der Konstruktion zeigt sich in einer Hülle aus Abbruchmauerwerk im Läuferverband, welche durch eine geschlämmte Oberfläche ein homogenes Gesamtbild erzeugt. Innen tragen hell lasierte Sichtbetonoberflächen und sägeraue Eichenböden zu dieser stimmigen Atmosphäre bei. Die Kulturscheune ist eine Hybridkonstruktion aus massivem Sockel und aufgesetztem Holzleichtbau. Die Holzkonstruktion und der offene Dachstuhl bleiben offen sichtbar. Bei der Feuerwehr werden die erdberührenden Bauteile ebenfalls in Massivbauweise ausgebildet. Die Konstruktion des aufgesetzten Holzleichtbaus gewährleistet eine ökonomische Realisierung der großen Spannweite der Wagenhalle sowie eine rasche und exakte Bauabwicklung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt entwickelt sich konzeptionell nachvollziehbar aus der Analyse vorhandener Typologie, Raumbildung und Maßstäblichkeit des historischen Ortskerns.
Für eine angemessene Einordnung der neuen Baumassen in den Landschaftsraum und seine sensible Topographie werden die Programme von Kultur- und Heimathaus und Feuerwehr entflochten und als unterschiedliche Gebäudestrukturen unabhängig voneinander in verschiedene Zonen bestehender Besiedlungsstruktur eingeordnet, die folgend über das Freiraumkonzept locker vernetzt werden.
Die entstehenden Setzungen und Raumfolgen überzeugen in ihrer Maßstäblichkeit und Adressbildung. Besonders hervorzuheben ist dabei die inszenierte Raumöffnung des zentralen Platzes am Kultur- und Heimathaus in Richtung historischer Altstadt. Die Raumrichtung der Brücke kann dabei in Abstimmung mit der Denkmalpflege weiter feinjustiert werden, da die Platzfigur unberührt bleibt.
Das freiräumliche Konzept bindet die neuen Gebäude sensibel in die Kulturlandschaft ein. Die Hauptwegachse von der Landschaft über die Fußgängerbrücke zur Stadtmauer wird von einer spannenden Sequenz aus Pflanzbändern und kleinen Platzsituationen begleitet, die in ihrer Kleinstruktur angemessen auf den dörflichen Charakter reagieren. Der von den Dorfhäusern gerahmte kleine Platz erhält im Südwesten seinen Abschluss durch eine Treppenanlage, die gut nutzbar für Veranstaltungen erscheint. Ihre genaue Höhenausbildung und Steilheit könnte jedoch eine zu starke Grenze zur Landschaft bilden und ist nochmal zu überprüfen. Der Übergang zum westlich gelegenen Spiel- und Sportbereich ist aufgrund der gut positionierten Gebäude gelungen, müsste jedoch noch weiter ausformuliert werden.
Der Ansatz, die notwendigen Stellplätze dezentral zu organisieren, erleichtert ihre Einbindung in die landschaftliche Situation und wird begrüßt.
Insgesamt kann die Freiraumgestaltung durch einen geringen Versiegelungsgrad, ihre klare Linienführung und eine zurückhaltende Gestaltung überzeugen, müsste jedoch noch konkreter ausformuliert werden.
In Interpretation ortsüblicher Satteldachtypologie entstehen mit dem Kultur- und Heimathaus und der Kulturscheune zwei selbstverständliche, moderne Gebäude, die im Dialog mit der lokalen Bautradition stehen, und dabei die neuen Programme modern und eigenständig umsetzen. Die Kulturscheune als offenes Holzständerbauwerk entwickelt sich als Bindeglied zum östlich angrenzenden Freiraum und wirkt in ihrer durchlässigen Kubatur einladend in die Raumachse zur Altstadt. Das Kultur- und Heimathaus addiert giebelständig die einzelnen Nutzungsbereiche in eine übergeordnete Adresse, die somit maßstäblich gegliedert auftritt.
Die Funktionalität des Kultur- und Heimathaus ist gegeben, die etwas zu große Gebäudetiefe im Bereich Café und noch zu umständliche Zugang zu Ausstellung können im Rahmen des robusten, additiven Systems sicherlich aufgenommen werden. Die in zwei Bereichen als Grenzbebauung ausgebildete Setzung ist nach aktuellen Eigentumsverhältnissen jedoch nicht möglich. Die Abstandsflächen nach BauONW sind in diesem Bereich nicht hinreichend berücksichtigt.
Das Gebäude der Feuerwehr überzeugt durch seine Baumassengliederung, insbesondere auch gegenüber dem angrenzenden Wohnquartier. Im Bereich Schwarz-Weiß-Trennung und Rettungswege sind die Grundrisse weiter zu präzisieren.
Eine Entflechtung der Alarmzufahrt vom Besucherverkehr ist noch nicht ausreichend nachgewiesen. Architektonische Aussagen zum Haus sind aktuell noch nicht in vergleichbarer Tiefe gegeben, können sich aber im Kontext der städtebaulichen Setzung ein Stück weit unabhängig entwickeln.
In der Materialisierung überzeugt die vorgestellte Architekturhaltung über einfache, analoge Konstruktionen und Materialbezüge zum Ort, die als moderne Fassaden offen und sympathisch umgesetzt werden.
Die baulichen Kennwerte der Arbeit für das Kultur- und Heimathaus und Feuerwehr liegen im durchschnittlichen Bereich.
Das Energie- und Technikkonzept überzeugt durch die Differenzierung von Grundlastversorgung und die Abdeckung von Lastfällen. Der vorgeschlagene Wärmeverbund ist nachvollziehbar und sollte weiter konkretisiert werden.
Insgesamt bietet die Arbeit einen Lösungsvorschlag, der nicht nur in seiner funktionalen und technischen Durcharbeitung überzeugt, sondern auch hinsichtlich der Angemessenheit des architektonischen und freiräumlichen Auftritts in exponierter Lage.
Perspektive mit Kultur- und Heimathaus

Perspektive mit Kultur- und Heimathaus

Lageplan M 1:500

Lageplan M 1:500