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Mehrfachbeauftragung | 06/2019

Entwicklung eines Gesamtkonzepts für den Campus Kartause in Köln

Eingangsperspektive

Eingangsperspektive

1. Rang

Preisgeld: 23.500 EUR

Kaspar Kraemer Architekten GmbH

Architektur

Andreas Schröder Landschaftsarchitekt

Landschaftsarchitektur

TOHR Bauphysik GmbH & Co. KG

Bauphysik

BSCON Brandschutzconsult GmbH

Brandschutzplanung

LORENZ tga ingenieure gmbh

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Der Entwurf für den Neubau des „Haus der Bildung“ ordnet die notwendigen baulichen Volumina analog der vorhandenen orthogonalen Grundstruktur des „Kartäuser-Geländes“ und entwickelt so die vorhandenen markanten städtebaulichen Setzungen mit den offenen U-förmigen Hofstrukturen fort. Darauf aufsetzend gestaltet der Entwurf seine städtebauliche Grundidee aus dem Topos des Kreuzganges: Um den quadratischen, nach Süden offenen Innenhof gruppieren sich die verschiedenen geforderten Nutzungeneinheiten und sind durch einen umlaufenden Arkadengang miteinander zu einer Gemeinschaftsform verbunden. Die viergeschossigen Riegel formen zudem einen Raum, der in seiner konzentrierten Strenge die Besonderheit des Ortes signifikant und unmittelbar deutlich erleben lässt. Würde und Anspruch religiös geprägten Lebens und des protestantischen Glaubens manifestieren sich in dieser architektonischen Grundform des Miteinanders.

Trotz seiner räumlichen Konzentration bleibt der Innenhof offen und ist von mehreren Seiten durchquerbar, insbesondere vom Kartäuserwall zur Kartäusergasse, sodass der Öffentlichkeitsgedanke auch räumlich umgesetzt wird. Die baukörperliche Öffnung zum Kartäuserwall bildet die Hauptadresse und empfängt den Eintretenden mit einer offenen Geste. Der hier angeordnete gastronomische Bereich sowie das Café im Kopfbereich des westlichen Baukörpers bilden mit dem Baumbestand eine reizvolle und vielfältig nutzbare, einladende urbane Situation, mit der der Besucher auf selbstverständliche Weise empfangen und in den Hof geleitet wird. Aus dem Innenhof werden die einzelnen Funktionsbereiche übersichtlich und eindeutig adressierbar erschlossen.

Im ersten Bauabschnitt sind im östlichen Baukörper in den Obergeschossen die einzelnen Bereiche der Melanchthon-Akademie, das evangelische Jugendpfarramt, die evangelische Familienbildungsstätte sowie Schulreferat und Pfarramt für Berufskollegs situiert. Das vorgeschlagene Dreibundsystem ermöglicht großzügige Gemeinschaftszonen und eine räumliche Atmosphäre, die dem Anspruch der Institution gerecht wird.
Die Erschließung der oben genannten Nutzungsbereiche erfolgt im Erdgeschoss über ein großzügiges längsgestrecktes Foyer. Ebenfalls erschließt dieses Foyer die gemeinsamen Funktionen wie Veranstaltungssaal, Bibliothek, Lehrküche, Kinderbetreuung sowie den Raum der Stille, der im nördlichen Bereich zum grünen Freibereich in einem „hortus conclusus“ konzipiert ist.
Die großflächigen Nutzungen der Akademie im Erdgeschoss entwickeln sich unter dem Bauwerk bis an die Grundstücksgrenze zum Kartäuserhof und bilden mit ihren begrünten Dachflächen und eingestreuten Höfen eine reizvolle Fortsetzung der privat genutzten Gartenbebauung der Straße Kartäuserhof.
Der gastronomische Bereich ist Teil des Foyers und schließt sich nach Süden direkt an dieses an und bildet die Schnittstelle zwischen der Akademie und der urbanen Platzfläche am Kartäuserwall auf selbstverständliche Weise.

Der zweite Bauabschnitt wird aus dem nördlichen und westlichen Baukörper gebildet. Sie nehmen die Verwaltungsräume des evangelischen Verwaltungsverbandes Köln-Nord sowie die Räume des Studierenden-Wohnens, der evangelischen Kommunität und des inklusiven Wohnens auf. Die 41 Studentenapartments werden in den Obergeschossen über einen „Campanile“ erschlossen, der gleichzeitig den Zugang zum Klosterhof definiert und sichtbares Zeichen des ‚Hauses der Bildung‘ und der Gesamtanlage wird. Zudem soll er die Verbindung zur Trinitatiskirche in der Innenstadt am Filzengraben symbolisieren und somit dem Zusammenhalt der protestantischen Gemeinschaft sichtbar Ausdruck verleihen.

Insgesamt will der Entwurf mit einer starken Grundfigur seine Bezugnahme auf die baugeschichtliche Tradition des Kartäuserordens sowie seiner disziplinierten Grundhaltung der hier versammelten geistigen Welt des Protestantismus und seiner Glaubensidee sichtbaren Ausdruck verleihen und so das ‚Haus der Bildung‘ zu einem attraktiven signifikanten Zentrum gelebter Religiosität im Kontext, der vorhandenen Struktur des Kartäuserkirchengeländes sowie der Stadt Köln insgesamt werden lassen.

Die unter dem Haus der Bildung angeordnete Tiefgarage nimmt in beiden Bauabschnitten 93 Stellplätze auf und wird über die Straße Kartäuserwall unmittelbar im Anschluss an die vorhandene Wohnbebauung erschlossen. Die für den zweiten Bauabschnitt benötigten Stellflächen werden ebenfalls über diese Zufahrt erreicht. Ebenfalls sind in der Tiefgarage großzügige Flächen für Fahrradstellplätze vorgesehen.
Die gesamte Anlage soll als Stahlbetonkonstruktion mit vorgeblendeter heller, beige-grauer Ziegelfassade errichtet werden. Dieser Farbklang bestimmt auch die Verwendung von hellem Holz sowie dezent farbigen Fußbodenbelägen im Innenausbau.

Die Gestaltung der Außenanlagen setzt im nördlichen Innenbereich den Grünbereich des Kindergartens bis an die Bebauung fort. Der quadratische Klosterhof ist im Wesentlichen steinern gedacht und erhält in der Mitte einen Brunnen bzw. eine Bronzeskulptur. Im südlichen Eingangsbereich sollen die vorhandenen Bäume maximal erhalten bleiben und in Verbindung mit den öffentlichen, urbanen Nutzungen die Geste des freundlichen, einladenden Eingangsbereiches unterstützen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf reagiert außerordentlich sensibel auf den Kontext und überzeugt in seiner klaren städtebaulichen Konfiguration. Mit den gewählten Dachformen, den Rücksprüngen im Dachgeschoss und den Gebäudehöhen fügt er sich angemessen und charmant, zugleich selbstbewusst in die Umgebung ein. Auch im Anschlussbereich an das Bestandsgebäude am Kartäuserwall entstehen stimmige Übergänge. Über das Motiv des Arkadengangs werden Bezüge zur geschichtlichen Entwicklung hergestellt.

Der Turm zur Erschließung der Studierendenwohnungen verwundert zunächst und wird kontrovers diskutiert. Er ist Blickfang und überzeugt für die Raumbildung des Platzes, wird jedoch auch als nicht authentisches Bühnenbild empfunden.

Das Raumprogramm ist insbesondere im Haus der Bildung mit dem vorgeschlagenen Dreibundsystem gekonnt umgesetzt. Die Verlagerung einzelner Nutzungen in das Untergeschoss ist geschickt gelöst. Der Veranstaltungssaal ist unmittelbar über das Foyer an den Hof angebunden. Der direkte Anbau an die Grundstücksgrenze bedarf der baurechtlichen Klärung und gegebenenfalls der nachbarschaftlichen Zustimmung. Der spirituelle Raum ist zu ebener Erde in einem separatem Baukörper angeordnet. Er steht in einem rundum durch eine Mauer geschützten, nach oben offenen Umgang, der den Raum zu einem Ort der Stille macht.

Durch die Anordnung der Gastronomie und eines weiteren Cafés entsteht eine überzeugende Torsituation mit belebenden Nutzungen. Die Lage des Müllraums über Eck am Kartäuserwall kann hingegen nicht überzeugen.

Die Fassadengestaltung ist überaus feingliedrig und wohltuend im Maßstab. Dabei wirkt sie sehr nah an historische Vorbilder angelehnt, was überwiegend kritisch, weil zu wenig zukunftsweisend beurteilt wird.

Der zentrale Platz ist gut proportioniert und besitzt in seiner geometrischen Strenge eine besondere Aufenthaltsqualität. Die übrigen Freibereiche bleiben in ihrer Gestaltung etwas unbestimmt, bieten jedoch ein großes Entwicklungspotenzial. Insgesamt ist hier eine stärkere Entsiegelung wünschenswert. Der Fußweg ist in Lage und Dimension angemessen gestaltet.

Die Arbeit besticht durch eine klare städtebauliche Raumbildung und eine funktional und räumlich überzeugende Grundrissorganisation. Sie schafft es, dem Campus ein unverwechselbares, in vielen Punkten kohärentes und hochwertiges Gesicht zu verleihen und weist die nötige Robustheit auf, um im weiteren Planungsprozess zu bestehen.
Innenhof

Innenhof

Vogelperspektive

Vogelperspektive

Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Obergeschoss

Obergeschoss

Schnitt

Schnitt

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Ansicht West

Ansicht West