modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb (nur für Studenten) | 08/2019

Studienpreis Konrad Wachsmann 2019

Radius 1-3

Preis

Preisgeld: 500 EUR

Kaspar Jamme

Student*in

Justus Schweer

Student*in

Barbara Herschel

Student*in

Erläuterungstext

Radius 1
Strukturelle Koexistenz, Berlin-Kreuzberg

Betreuung: Prof. Verena von Beckerath, Niklas Fanelsa,Till Hoffmann

Das Mitte des 19. Jahrhunderts entstandene Kasernengebiet in Berlin-Kreuzberg ist Ausgangspunkt der Überlegungen zur Verdichtung in der Stadt. Inmitten des erschlossenen und gentrifizierten Bergmannkiezes wirkt das Dragoner-Areal seltsam peripher und eingewachsen. Nach zahlreichen Versuchen privater Investoren, das Gebiet zu erwerben und zu entwickeln, wurde das Dragoner-Areal im Herbst 2018 an die Stadt Berlin vergeben und bietet nun die Möglichkeit, als modellhaftes Projekt für die Entwicklung von bezahlbarem Wohnungsbau auf innerstädtischen Brachflächen zu funktionieren. Der Entwurf setzt sich aus zwei zueinander versetzten Gebäuden zusammen, die den hofartigen Zwischenraum der Kasernenställe gliedern und fassen. Die beiden Gebäude sind eigenständig und funktionieren für sich. Durch die Setzung im System der ehemaligen Stallungen und die Nähe zum Bestand treten sie in Dialog mit der Umgebung. Das prototypische System der beiden Gebäude reagiert auf den spezifischen Ort. Analog zur 2017 verabschiedeten planungsrechtlichen Kategorie des urbanen Gebietes, nimmt das größere Gebäude ähnlich einer Stockwerkfabrik anteilig mehr Produktionsräume auf als das kleinere Wohngebäude. Gemeinschaftliche, öffentliche Angebote, wie die ausgelagerte Kochetage, eine Kindertagesstätte, Wasch- und Gemeinschaftsräume, die Dachterrasse und der Dachgarten durchsetzen die Häuser mit sozialer Infrastruktur. Beiden Gebäude liegt ein strukturelles System zu Grunde, das die programmatische Verbindung von Wohnen und Arbeiten auch räumlich erfahrbar macht. Die entsprechend den Produktionsetagen tiefen Wohnungsgrundrisse werden über Atrienhöfe belichtet und ein als gemeinschaftlicher Begegnungsraum und Gewächshaus nutzbarer Laubengang dient als Schallschutzpuffer. Die Produktionsetagen sind über Lufträume miteinander verbunden und regen Austausch unterschiedlicher Arbeitsweisen an. Durch das Einstellen von möbelhaften Objekten entstehen verschiedene Orte innerhalb der Wohnetagen. Eine hierarchische Zimmerstruktur von gemeinschaftlichen Wohn- und privaten Individualräumen löst sich zu Gunsten eines offenen Raumflusses vollständig auf. Die BewohnerInnen haben die Möglichkeit, sich - ihren Bedürfnissen entsprechend - unterschiedlich stark zur Gemeinschaft hin zu öffnen. Der periphere Charakter des Dragoner-Areals soll durch die koexistente Verbindung von Menschen, Natur und Technik in die Gebäude aufgenommen werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

An drei verschiedenen Standorten wird untersucht, wie Gebäude für Wohnen und Arbeiten in der Zukunft bestehende Strukturen ergänzen und verdichten können. Dazu werden auf einem ehemaligen Kasernen-Areal in Berlin-Kreuzberg, in Dahlewitz in der Peripherie von Berlin und in einem Brandenburger Dorf Neubauten entwickelt. Aufgrund der ähnlichen Herangehensweise an allen drei Orten, können die Entwürfe als Frage verstanden werden, ob die gewählte Typologie in Verbindung mit dem vorgesehenen Nutzungsmix universell einsetzbar ist.
Im Zentrum der Großstadt erscheint die Nachverdichtung absolut angemessen. Die Wohnungs-grundrisse und die Ergänzung durch Gemeinschaftseinrichtungen und Gewerbe sind zeitgemäß. Die Bewohner können sich die Gebäude und die Außenräume aneignen. Die Großstadt bildet sich in ihrer Vielfalt auf dem Areal ab.
In der Peripherie können die geplante Bebauung und der Nutzungsmix, in ähnlicher Art und Weise wie in der Innenstadt, die bestehende Situation ergänzen und aufwerten. Eine Vielzahl von Grundstücken im Speckgürtel, die mit dem Grundstück der Aufgabenstellung vergleichbar sind, bietet ein großes Potential für die Schaffung von zusätzlichem, stadtnahem Wohnraum. Die im Entwurf dargestellte Architektur lässt genügend Spielräume für die Bewohner. Ob die Aufständerung der Wohnräume über Logistikräumen, die mit Anlieferverkehr verbunden sind, tatsächlich die gewünschte Qualität bietet, muss angezweifelt werden. Möglicherweise könnte durch ebenerdige Außenräume, die durch die Bewohner genutzt werden, eine höhere Qualität erreicht werden.
Ob der mit dem ersten und zweiten Standort vergleichbare Entwurf für den ländlichen Raum einen angemessen Entwicklungsansatz bietet, ist eine interessante Frage. Auf den ersten Blick erscheint eine Bebauung in der dritten Reihe hinter den Ökonomiegebäuden fragwürdig. Das Dorf könnte einfacher belebt werden, wenn bestehende, leerstehende Gebäude wieder genutzt werden. Auch kann der wichtige Gedanke der Gemeinschaft im gesamten dörflichen Kontext gesehen werden. Die notwendigen öffentlichen Räume sind im Regelfall vorhanden (z. B. der Dorfanger). Unabhängig davon ist auch der Entwurf für die Gebäude im ländlichen Raum durch eine hohe architektonische Qualität geprägt. Er stellt in einem Bereich des ländlichen Raumes, der sich noch in relativer Nähe zu einer Großstadt befindet, eine Alternative zu Einfamilienhaussiedlungen dar.
Insgesamt bieten die Entwürfe an den drei unterschiedlichen Standorten viele Denkanstöße zur Frage, wie die politisch angestrebte Gleichwertigkeit der Lebensräume in der Stadt und auf dem Land tatsächlich erreicht werden kann.