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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2019

Fassadenerneuerung am Hochhaus der Leibniz Universität Hannover

Anerkennung

Preisgeld: 13.000 EUR

Architekturbüro KNERER UND LANG

Architektur

Erläuterungstext

Mitarbeit
Thomas Knerer, Iwan Schröder, Siyu Ren, Matthias Hausschild

ARCHITEKTUR UND GESTALTUNG
Die charakteristische Architektursprache der Errichterzeit hat das Gebäude Appelstrase 9A der Leibniz Universität Hannover jahrzehntelang geprägt. Die Beibehaltung und Wiederherstellung dieser Anmutung ist Ziel und Inhalt des Sanierungskonzeptes. Aus der ursprünglichen Architektursprache sollen sowohl die geformten Brüstungselemente aus Faserzement als auch die Fensterteilungen und die Farbigkeit der Fassade abgeleitet werden.
Den roten Faden stellt für das Konzept dabei der auf ein Minimum reduzierte Eingriff in den Bestand dar.
Die Auskragung der Attika wird in die Gestaltung einbezogen. Zwischen horizontalen Brüstungsbändern und vertikalen Fassadenelementen entsteht eine Art räumlicher Gewebestruktur, die den massiven Proportionen des Hauses entgegenwirkt.

BAUPHYSIK / ENERGIEEFFIZIENZ
Die vorgeschlagene Verbundfensterkonstruktion aus einer innenseitigen, energetisch hochwertigen Mehrfachverglasung und einer äußeren Einfachscheibe als Witterungsschutz ist zur Erfüllung der bestehenden bauphysikalischen Anforderungen sehr gut geeignet. Alle bauphysikalischen Vorgaben können damit eingehalten werden. Die Zielstellung der Modernisierungsaufgabe wird erfüllt. Die Schalldämmung der Fensterkonstruktion wird entsprechend der konkreten Außenlärmsituation für die jeweiligen Fassadenbereiche dimensioniert. Der Gesamtwärmedurchgangskoeffizient liegt unter Berücksichtigung der thermisch getrennten Stahlrahmenkonstruktion bei ≤ 0,8 W/m2K (Rahmen- Fensterprofile Uf- Wert 1.2 W/m2K, 3- fach Isolierglas Ug- Wert 0.5 W/m2K, Glasrandverbund psi 0.04 W/m2K). Die Sonnen- und Blendschutzvorrichtung ist witterungsgeschützt im Scheibenzwischenraum angebracht und kann daher ausschließlich nach bauphysikalischen Kriterien (Abminderungsfaktor für den Sonnenschutz, Blendschutztauglichkeit, Tageslichtlenkung) ausgelegt werden. Die zu erwartenden Verschmutzungen und der Wartungsaufwand sind gegenüber außenliegenden Vorrichtungen deutlich geringer. Die speziellen Beschlagkonstruktionen ermöglichen verschiedene Lüftungsmodi. Möglich ist sowohl eine Stoßlüftung durch komplette Öffnung der Flügel für den schnellen Luftaustausch bspw. zu Arbeitsbeginn, in Pausen etc. als auch eine Quelllüftung mit geoffnetem Innenflugel und geschlossenem Ausenflugel, bei der ein langsamer Luftaustausch über die Lüftungsöffnungen im Rahmenbereich erfolgt, so dass die Belastungen durch von außen eindringenden Verkehrslärm minimiert werden. Diese Stellung ermöglicht außerdem eine witterungsgeschützte Nachtauskühlung im Sommer zur Verbesserung des sommerlichen Wärmeschutzes.
Die Befestigung der Fensterkonstruktion am Rohbaubestand erfolgt mittels druckfester hochverdichteter Dämmelemente, die eine weitgehend wärmebrückenfreie Montage und eine Verbindung der Dämmebenen „Fenster“ und „Brüstung“ bzw- „Sturz“ ermöglichen.
Die energetische Ertüchtigung der Brüstungen erfolgt durch eine zusätzliche hochwertige außenseitige Dämmschicht aus 180mm Mineralfaserdämmung der WLS 038 hinter einer belufteten Verkleidung, deren Unterkonstruktion thermisch entkoppelt am Rohbau befestigt wird. Der Wärmedurchgangskoeffizient der Brüstungen verbessert sich dadurch auf ca. 0,20 W/m2K. Die derzeit vorhandenen Wärmebrücken werden durch die Überdämmung minimiert.
Die massive Brüstung wird durch die zusätzliche außenliegende Dämmschicht wieder besser als Speichermasse zum Ausgleich von Temperaturschwankungen in den angrenzenden Räumen wirksam, da sie sowohl vor übermäßiger Erwärmung im Sommer als auch vor starker Abkühlung im Winter geschützt wird.
Die Brüstungsverkleidungen selbst werden als Leichtbeton-Sandwichelemente mit Kerndämmung ausgeführt. Hierdurch lasst sich ein erheblicher Einspareffekt erzielen, da eine große Stückzahl gleichartiger Elemente eingesetzt werden soll.

KONSTRUKTION
Das Fenster soll aus gestalterischen Gründen mit schmalen Profilbreiten ausgeführt werden. Die sich daraus und aus der Lüftungsstrategie ergebenden Anforderungen an das Fenstersystem werden am besten durch ein Stahlverbundfenster mit ausschließlich manueller Bedienung erfüllt. Das Fenster besitzt 2 miteinander verbundene Fensterflügel. Der äußere „kalte“ Flügel ist mit einer Prallscheibe als Einbruchsschutz (RC 3 möglich) und als Schutz vor Witterung und Schall versehen. Der innere Flügel stellt die Wärmedämmebene dar und kann mit einer 2 fach oder 3 fach Isolierglasscheibe ausgerüstet werden. Im kalten und mit der Außenluft verbundenen Verbundraum ist die motorisch verstellbare Jalousie als Sonnen- und Blendschutz angeordnet. Die Lasten der Fassadenelemente aus Faserbeton werden in Kombination mit optischen Trägersystem in die bestehenden Stahlbetondecken abgeleitete.
Das vertikale System besteht aus Quadratrohrprofilen und ist im Bereich der Stahlbetondecken befestigt. Die Befestigung erfolgt mit Hilfe einer justierbaren und thermisch entkoppelten Unterkonstruktion. Über diesen Punkt erfolgt die Lastabtragung in die Decken. Die Fassadenelemente werden auf dem Trägersystem montiert.

GEWICHT VERBUNDFENSTERKONSTRUKTION
Durch den Wegfall der Fensterputzgalerie entstehen Reserven für das Tragwerk im Bestand vom 3,00kN/m. Die Belastung aus der Fassade 4,20kN/m und beinhaltet die Brüstungskonstruktion, die Sturzkonstruktion und das Fensterband. Es ist geplant die Sturzkonstruktion zu reduzieren, die Fensterbänder zurückzubauen und die Brüstung zu ertüchtigen.
Die vorgeschlagene Verbundfensterkonstruktion weist ein Gewicht bei einer 2- fach Isolierverglasung von ca. 1,50 kN/m bei einem Wärmedurchgangskoeffizient von 1,3 W/m2K auf. Eine 3- fach Isolierverglasung wiegt ca. 1,70 kN/m bei einem angestrebten Wärmedurchgangskoeffizient in etwa bei 0,90 W/m2K.
Nach dieser Beurteilung ist mit keiner statischen Lastüberschreitung zu rechnen. Der neue Lasteintrag wird aufgrund der geprüften Rohbaukonstruktion der Brüstungselemente als realisierbar angesehen - ist allerdings nochmals statisch zu untersuchen und nachzuweisen. Bei Bedarf kann mit Hilfe der Fensterkonstruktion das Gewicht der Fassade reduziert werden.

SONNENSCHUTZ / BLENDSCHUTZ
Für den Einbau in Verbundfenstersystemen bieten die Hersteller eine ca. 50 mm tiefe, motorische betriebene Verbund – Jalousie an, die alle Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz (Gesamtenergiedurchlass 0,10 = 10%), Sonnenschutz und an den Blendschutz in einem System erfüllt. Ein zusätzlicher innerer Blendschutz als Rollo ist möglich - kann aber hinsichtlich der Kostenoptimierung entfallen. Die vorgeschlagenen Anlagen sind hitze – und korrosionsbeständig. Weiterhin ist die Anlage im Vergleich zu außen liegenden Lamellensystemen deutlich preiswerter und kann bei Bedarf von innen durch Öffnung des Revisionsflügels leicht gewechselt oder revisioniert werden.
Für diese Anlagen ist eine Wetterstation als Sonnenwächter sinnvoll. Weiterhin sind separate Steuergeräte vorzusehen, die einschl. der Bedientaster im Bereich der Bürotrennwände unterzubringen sind. Durch den Einbau der Jalousieanlagen im geschützten Verbundraum ist ein windunabhängiger Betrieb (ohne Windwächter) möglich. Eine Sichtverbindung nach außen ist durch die Lamellenzwischenräume gegeben.

REINIGUNG
Die Revision und Reinigung der Verglasungen, Sonnenschutz und Fensterelemente erfolgt kostengünstig von innen. Die bestehende Fassadenbefahranlage dient nur noch der Revision oder falls gewünscht zur Reinigung der Brüstungsverkleidungen. Aufgrund der öffenbaren Fenster kann die Anlage auch gänzlich entfallen. Alle der Witterung ausgesetzten Materialoberflächen können mit schmutzabweisenden Beschichtungen versehen werden.

DAUERHAFTIGKEIT

Dass die Stahlfenster und Metallverkleidung eine sehr dauerhafte, nachhaltige und umweltschonende Losung darstellen, muss nicht gesondert erwähnt werden. Bei den Fenstern und Vorhangfassaden kann man von einer Lebensdauer von mind. über 50 (bis 100) Jahren und langer ausgehen, so dass sehr geringe Lebenszykluskosten auftreten werden.

MONTAGETECHNOLOGIE UMSETZUNG IM LAUFENDEN BETRIEB, BAUZEIT
Zur Vermeidung von Witterungsschaden im Gebäude und hinsichtlich der Vermeidung von Wind - Soglasten im Montagezustand bietet es sich an, das Gebäude gestaffelt in Abschnitten je Fassadenseite einzurüsten. Die Kosten für das Gerüstvorhalten können reduziert werden.
Ein Bauabschnitt á 3-4 Geschosse (von Unten nach Oben) erscheint sinnvoll, da so ein geringer Platzbedarf an BE-Einrichtungsfläche und Lagerfläche besteht und 80% der Räumlichkeiten weiterhin wahrend der Bauzeit genutzt werden können. Durch die Einrüstung einer gesamten Fassadenseite verkürzt sich die Bauzeit, da auf allen Etagenebenen gleichzeitig gearbeitet werden kann (Abbruch, Ertüchtigung, neue Fassade). Das Gerüst ist winddicht abzuplanen. Raumseitig können Staubschutzwände errichtet werden. Der Vertikaltransport von Baustoffen kann über einen Fassadenaufzug erfolgen. Durch die gewählten Fenster und Fassadenelemente ist ein hoher Vorfertigungsgrad möglich, so dass der Abbruch von Altfenstern und der Einbau von neuen Verglasungen zeitnah bzw. möglichst an einem Arbeitstag erfolgen können. Austausch und Wiedereinbau der Fensterelemente sind aufgrund der durchgehenden Nutzung in einem Zuge zu organisieren. Sinnvoll hinsichtlich der Sanierungsarbeiten im genutzten Zustand ist der Austausch der Fenster in der warmen Jahreshälfte ca. April - Oktober. Je nach Kapazität der Ausführungsfirmen können mehrere Abschnitte gleichzeitig bearbeitet werden. Setzt man pro Abschnitt (3-4 Geschosse) einen Monat Bauzeit an, hatten wir 18 Monate Bauzeit. Der Bauablauf kann durch Errichtung eines Interimsbüros oder durch die Reduzierung der angegebenen räumlichen Nutzbarkeit von 80% verringert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Konzept
Die Entwurfsverfasser orientieren sich in der Fassadengestaltung sowohl im Aufbau als auch in Materialität, Farbigkeit und Haptik am bestehenden Universitätshochhaus. Auch Gebäudehöhe und -volumen bleibt unverändert. Zur möglichen Ausführung eines Gründachs und Einbeziehung regenerativer Energien im Fassadenbereich wird durch den Verfasser keine Aussage getroffen. Die Fassade bildet eine klare, teilweise durchbrochene Sockelzone sowie einen deutlichen oberen Abschluss aus. Der Sockel ist nicht gläsern und offen dargestellt, sondern mit Leichtbetonelemente in großen Teilen geschlossen. Diese Entscheidung wird vom Preisgericht sehr kritisch bewertet, weil sich das Gebäude zu wenig zum Umfeld öffnet. Die bestehenden Reinigungsbalkone in Gitterrostausführung werden durch winkelförmige, faserbetonverkleidete Brüstungselemente ersetzt. Die gewählte Ausführung und Ausformung der Elemente im Brüstungsbereich lässt vermuten, dass zur würdevollen Alterung des Gebäudes ein hoher Wartungs- und Reinigungsaufwand erforderlich sein wird. Die vorgesetzten, vertikalen Stahlrohrprofile sind als Hommage an das Bestandsgebäude zu werten, werden aber durch das Preisgericht aufgrund der Ausführung als reines Dekoelement eher kritisch gesehen. Im Vergleich zum Bestandsgebäude ist zu erwarten, dass sich durch die eingesetzten Materialien eine Verbesserung der raumklimatischen Bedingungen im Gebäudeinneren einstellen wird. Aufgrund der Reformulierung der bestehenden Fassade mit minimal invasiven Eingriffen wird aus Sicht eines Teils des Preisgerichts die Chance vertan, einen wesentlichen Beitrag zur gestalterischen Verbesserung des Unihochhauses mit städtebaulicher Fernwirkung zu leisten.

Energie
Unter energetischen Aspekten schlagen die Verfassenden ein einfaches Konzept mit einem wettergeschützten Sonnenschutz hinter einer Prallscheibe und gedämmten Brüstungselementen aus Faserbeton vor. Besonderheit sind die gedämmten Stahlfenster, die in der Überarbeitung technisch und physikalisch nachgewiesen werden müssen. Mit den Auskragungen wird dauerhaft Zenitlicht ausgeblendet, so dass der Tageslichteintrag in die Innenräume reduziert wird. Unter Nachhaltigkeitsaspekten wird die mit der Dämmung verklebte Faserzementfassade kritisiert. Zudem ist die Verschraubung ausschließlich auf Deckenhöhe statisch zu prüfen. Der Dämmstandard der Gebäudehülle ist ausreichend. Regenerative Energien werden nicht vorgesehen.

Fassade
• Die kombinierte Stahl, -Glas,- und Faserbetonfassade weist schwierig zu lösende Detailpunkte auf.
• Die vom Verfasser angegebenen Baukosten werden eher als zu gering eingeschätzt.
• Mit erhöhtem Aufwand baubarer Entwurf.

Statik
• Ob die Lasten aus der Fassade aufgenommen werden können, ist wesentlich von der Ausbildung der Fertigteile abhängig.
• Die auskragende Dachdecke ist berücksichtigt.

Brandschutz
• Die vom Entwurfsverfasser gewählten Baustoffe genügen den bauordnungsrechtlichen Regelungen.
• Die geplante Brüstung aus massiven Bauteilen kann hinsichtlich des Brandschutzes ausreichend
klassifiziert werden.
• Der Ausgang in das Freie aus dem Nottreppenraum bleibt unverändert und kann als ausreichend sicher bewertet werden.