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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2019

Neubau der Martin-Niemöller Gesamtschule in Bielefeld Schildesche

3. Preis

Preisgeld: 34.000 EUR

brüchner-hüttemann pasch bhp Architekten + Generalplaner GmbH

Architektur

Prinz & Pott GmbH - Beratende Ingenieure für das Bauwesen

Brandschutzplanung

Ingenieurbüro Con Tec GmbH

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

A ) Leitidee
Respekt, Vernetzung, Verbindung, Gemeinschaft
Respekt vor den Bedürfnissen aller Nutzer, alle lernen unterschiedlich und haben unterschiedliche Anforderungen an den physischen Raum. Flexibel organisierte Cluster und Raumsituationen ermöglichen dies.
Vernetzung mit dem Stadtteil vermittelt den offenen Charakter der Gesamtschule.
Verbindung durch ein „Grünes Band“ mit einer Vielzahl altersgerechter Lernumgebungen.
Gemeinschaft als Schlüsselwort, ablesbar durch die optische und inhaltliche Verwandtschaft beider Bauteile. Über die gemeinsame Mitte kann die Gemeinschaft flexibel, kreativ und sozial gelebt werden.

B ) Entwurfskonzept
Der Neubau der Martin-Niemöller Gesamtschule mit Stadtteilbibliothek in Bielefeld ist unter der Prämisse konzipiert, sowohl einen Ort des gemeinsamen, inklusiven Lernens im Ganztag zu schaffen, sowie die Anforderungen an ein außerschulisch nutzbaren Versammlungsort optimal zu organisieren.

Der Wunsch nach Transparenz, Kommunikation und Vernetzung mit den umgebenden Stadtteilen, hat zu der Gebäudeform geführt, bei der sich auf beiden Grundstücken alle Funktionen in Clustern um eine verbindende Mitte mit zentralem Forum organisieren.

C ) Äußere Erschließung und Städtebau
Die besondere Situation, dass für den Neubau einer Gesamtschule zwei Grundstücke, eines nördlich und das andere südlich der Straße An der Reegt, zur Verfügung stehen, erfordert eine Trennung der Jahrgänge 5 und 6 von den älteren Schülern der Jahrgänge 7-13.
Dieses wird als Chance gesehen, um den jüngeren Schülern eine geschützte Lernatmosphäre zu ermöglichen. Der südliche Baukörper ist quasi ein kleiner Verwandter des nördlichen.

Bewußt wurde auf ein ähnliches Erscheinungsbild und Materialität Wert gelegt, um das Bild der Zusammengehörigkeit einer Schule zu stärken. Auch die Innere Gliederung der beiden Baukörper ähnelt sich: von einem zentralen Forum gehen jeweils drei einzelne Häuser ab, die zur leichteren Orientierung jeweils eine Jahrgangsstufe, Fachklassen, die Mensa oder Verwaltung beinhalten.
Erschlossen werden beide Baukörper aus allen Himmelsrichtungen und vernetzen sich so mit dem Stadtteil, besonders im Bereich der Stadtteilbibliothek werden die schulischen Nutzungen (Mensa, Café) zu öffentlichen und umgekehrt (Bibliothek).

Über den zur Westerfeldstraße gelegenen Eingang des nördlichen Gebäudes, schaffen Schule und Bibliothek eine Platzsituation, dadurch entsteht für die Nachbarschaft eine neue lebendige Mitte. Sowohl der Eingang zur Bibliothek, als auch das Cafe´, die Mensa mit Lounge, öffnen sich zum Platz.
Über eine bespielbare Treppen u.- Sitzstufenanlage die zum Verweilen einlädt, erreicht man von der Platzebene die Ebene 0 und gelangt ins Herz der Schule. Hier wurde der natürliche Geländeversprung sinnvoll genutzt.

Ebenso wichtig ist der westlich gelegene Zugang, da viele Schüler, Lehrer und Eltern von der zukünftig geplanten Stadtbahnhaltestelle kommend, diesen benutzen werden. Auch die wichtige Verbindung zur Mensa, die sich im südlichen Gebäude befindet, wird stark nachgefragt sein.

D ) Innere Erschließung und funktionale Gliederung
Auf Grund der zu erwartenden Lärmimissionen wurde Wert darauf gelegt, dass sich die Clusterhäuser der Jahrgangsstufen süd-östlich, d.h. nicht entlang der Straßen befinden.
Alle Klassenräume erhalten eine Ost-West Ausrichtung.

1. Nördlicher Baukörper
Vom Eingangsbereich erschließen sich alle weiteren Funktionsbereiche in Form von „Clusterhäusern“, dies gewährleistet eine einfache Orientierung im Gebäude.

Der Verwaltungsbereich mit der Schulleitung und den Sozialpädagogischen Diensten ist unmittelbar mit dem Eingang verbunden und somit auf den ersten Blick, bereits von außen kommend, wahrnehmbar. Der Hausmeister profitiert von der Lage direkt im Eingangsbereich.
Oberhalb der Verwaltungsflächen vervollständigen auf den Ebenen +1 und +2 die Jahrgänge 7 und 8 dieses „Clusterhaus“

Die optische Verbindung der Geschosse wird über den Luftraum des Forums, wo Veranstaltungen mit 600 Personen stattfinden können, hergestellt.

Besonders die Theater- und Musikräume mit der Bühne sind hier verortet. Ebenso lassen sich mit dem angrenzenden Hauswirtschftsbereich Synergien nutzen. Großzügige Ganztagsbereiche ergänzen dieses Haus, in dem sich noch die Jahrgangsstufen 9 und 10 auf den Ebenen +1 und +2 befinden.

Über einen Luftraum und die Treppen - und Sitzstufenanlage gelangt man vom Forum der Ebene 0 in ein erweitertes, kleineres Forum auf der Ebene -1, in dem sich Selbstlernflächen, Lounge, Café und Mensa befinden. Alles ist hell und offen gestaltet und lädt zum Verweilen ein.

Im dritten „Clusterhaus“ befindet sich die Oberstufe (Jahrgang 11-13). Auf kurzem Wege, über eine breites Treppenhaus, ist die direkt darunter befindliche Stadteilbibliothek erreichbar. Auf der Ebene +1 sind die Naturwissenschaftlichen Fachklassen angeordnet, darüber Technik und Kunst. Beide Ebenen verfügen über großzügige geschützte Innenhöfe, die als Außenlabor, bzw. als Werk- oder Kreativhof dienen.

Auf den Fluren werden spannende Blickbeziehungen auf den Schulhof, die Dachterrasse und das Forum ermöglicht. Es entstehen Flurzonen, die die Möglichkeit der individuellen Nutzung, z.B. zum Präsentieren, als Rückzugsbereich in Sitzkojen, um sich zu informieren oder zum Ausruhen anbieten.

2. Südlicher Baukörper
Die erdgeschossige Mensa kann direkt, aus Richtung Norden kommend, betreten werden. Sie streckt sich den Schülern der Jahrgänge 7-13 quasi entgegen.
Ebenso kann die Mensa durch den Haupteingang betreten werden, wo sie mit dem Forum und der Bühne zu einem großzügigen Bereich zusammen geschaltet werden kann. Oberhalb der Mensa befindet sich das Cluster der Fachklassen mit erweiterten Lernflächen.
Das „2.Clusterhaus" beinhaltet auf der Ebene 0 die Verwaltungsflächen und auf Ebene +1 die Sonderpädagogischen Dienste.
Im „3.Clusterhaus" sind die Jahrgänge 5 und 6 auf zwei Ebenen beheimatet. Ein Zugang zu den Freibereichen wird über die vertikale Erschließung unkompliziert ermöglicht.

E ) Fassade
Der Bau der Gesamtschule setzt im Umfeld der benachbarten Bauten einen sympathischen Akzent.
Die nachhaltige, robuste, helle Klinkerfassade im Wechsel mit Holzlamellen ermöglicht ein lebendiges Spiel in der Fassade. Da z.B. mit der großzügig verglasten Bibliothek und den darüberliegenden Geschossen aus Oberstufe und Fachklassen, unterschiedliche Nutzungen übereinanderliegen, bildet der Einsatz der Holzlamellen das vertikal verbindende Element.
Die großflächig verglasten Zugangsbereiche schaffen eine Zäsur, so dass die einzelnen Jahrgangs -und Clusterhäuser deutlich ablesbar werden.

F )Aussenanlagen
Die Freibereichsflächen bieten jeweils ein altersgerechtes, angemessenes Lernumfeld mit entsprechend vielseitigen Angebote wie Außenfitness, Sandmulde, Kletterspinne, Sport - und Chillbereichen.
Auf die Erhaltung der Bäume wurde Wert gelegt, da sie eine hohe Qualität darstellen und unkompliziert in die Schulhofgestaltung integriert werden können.

Energiekonzept
Die Energie wird durch eine Luft/Wasser-Wärmepumpe in Kombination mit einem Spitzenlast Gas-Brennwertkessel bereitgestellt. Zur Stromerzeugung für die Wärmepumpe wird eine Photovoltaikanlage mit Ost/West-Ausrichtung auf den Neubauten errichtet.
Die Beheizung der Räume wird über schnell reagierende Heizflächen mit geringen Vorlauftemperaturen dargestellt.

Lüftungskonzept
Es werden ausreichend massive Innenwände und Decken vorgesehen, die als thermische Speicher zur Begrenzung des Raumtemperaturanstieges durch Sonneneinstrahlung und Innere Lasten dienen.
Für alle Fenster der Ost-,Süd-,und Westfassaden ist ein außenliegender Sonnenschutz geplant.

Be- und Entlüftung des Untergeschossbereiches einschl. Küche und Kantine ist durch ein kombiniertes Zu- und Abluftgerät mit Wärmerückgewinnung sichergestellt.

Die Klassen und Funktionsräume werden durch ein Hybrid-Lüftungssystem mit Außenluft versorgt.
Dabei hat die natürliche Lüftung durch motorisch zu betätigende Lüftungsflügel der Fenster Vorrang und wird solange genutzt, wie es aufgrund der Immissionsbelastung möglich ist. Durch gezielte Ansteuerung der Fenster wird der notwendige Luftwechsel erzeugt. Dabei wird insbesondere die freie Kühlung in den Nachtstunden ausgenutzt.

Ergänzend dazu werden dezentrale raumbezogene Fassadenlüftungssysteme einschl. Wärmerückgewinnung vorgesehen, die bedarfsweise eingeschaltet werden, wenn die natürliche Lüftung nicht mehr genutzt werden kann. Die Systeme werden regelungstechnisch vernetzt, um immer den optimalen Betriebsmodus auszuwählen.

Brandschutz
Bei der Brandabschnittsbildung der geplanten Clusterstrukturen wurden Vorschläge erarbeitet (siehe Prüfpläne), die nach Abstimmung mit der Feuerwehr grundsätzlich den Vorgaben der BauO NRW entsprechen. Die Cluster sind gegenüber angrenzenden Bauteilen F90 getrennt, so dass sie im Inneren lediglich eine F30 Abschottung benötigen und eine freiere Möblierung möglich ist. Die Fluchtweglängen zu den Notwendigen Treppenhäusern und Außentreppen wurden eingehalten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Neubau der Martin–Niemöller Gesamtschule wird auf den beiden Grundstücken jeweils aus einer Komposition von drei Baukörpern gebildet, die sich um eine gemeinsame Mitte zonieren. Die Baukörper werden schlüssig gesetzt, sodass eine räumliche und optische Verbindung der beiden Teilstandorte nachvollziehbar entwickelt wird. Am nördlichen Standort wird eine kontextverträgliche Höhengestaltung und Maßstäblichkeit zur anschließenden Nachbarschaft gebildet.

Die Gebäude zonieren gut nutzbare Freiflächen. Das nördliche Schulgebäude weist mehrere Zugangsmöglichkeiten auf, die jeweils in das zentrale Forum führen. Die klare Adressbildung zu der Westerfeldstraße mit Bibliothek und Forum wird von der Jury positiv bewertet, allerdings wird die Lage der Mensa mit ihrem Freibereich zum Parkplatz kritisch betrachtet.

Über das Forum, dass sich über einen Luftraum über drei Geschosse räumlich verknüpft, werden die drei Gebäudeflügel mit Fachräumen und Klassenclustern übersichtlich erschlossen. Das Forum erfüllt gleichzeitig die Funktion eines Zentrumstreff- und Veranstaltungsraumes. Der Lichtraum über den Sitztreppen lässt hinsichtlich er Dimensionierung und Belichtung eine eingeschränkte Aufenthaltsqualität erwarten. Die Cluster sind gut nutzbar, werden allerdings bezüglich der nicht ausreichenden Belichtung im 1.OG kritisch gesehen. Die Situation der Naturwissenschaftsräume erscheinen schlüssig, die Lage der Oberstufenräume wird aufgrund der Schallbelastung und Belüftung hinterfragt.

Die Materialität und Gestaltung der Fassade zeigt ein lebendiges modernes Schulgebäude. Das Wechselspiel zwischen hellen Klinkerflächen und raumhohen Holzlamellen bildet einen angenehmen Übergang in den Außenbereich. Die ausgestellte Fassade des Hörsaals über dem Hauptzugang erscheint hingegen fremdartig. An die Hauswirtschafträume schließt sinnvoll ein grünes Klassenzimmer an. Die Anlieferung der Cafeteria erfolgt unproblematisch über den nördlichen Parkplatz, die Anlieferung der südlichen Mensa erfolgt konfliktfrei über die Apfelstraße.

Die Zonierung des südlichen Baukörpers für die Unterstufe erfolgt nach gleichem räumlichen Prinzip. Über ein Forum, an dem die Mensa anschließt werden die weiteren Funktionen gut erschlossen. Die Lage der Mensa lässt eine autarke Nutzung für Akteure aus dem Stadtteil problemlos zu.

Insgesamt deckt der Entwurf gut die Ziele von Schule und Schulverwaltung ab und fügt sich harmonisch in das Stadtquartier ein und eröffnet damit dem Quartier neue Nutzungsmöglichkeiten.

Aus Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit wurde ein regeneratives Energiekonzept entwickelt, welches sich in hohem Maße auf einen wirtschaftlichen Betrieb fokussiert.

Die Komfortanforderungen der Gebäudenutzer / Schüler hinsichtlich thermischem, visuellem und akustischem Komfort, werden durch das Raumklimakonzept adressiert.

Die Flächenanforderungen werden überwiegend erfüllt. Der Entwurf liegt mit seinen Flächenkennwerten im Vergleich zu den weiteren Arbeiten im Durchschnitt und lässt eine wirtschaftliche Umsetzung erwarten.

Insgesamt handelt es sich um einen qualitätvollen Entwurf, welcher sich mit angemessener Architektursprache maßvoll und behutsam in die vorhandene Bebauung einfügt und eine gute Funktionalität der durch ein zentrales Forum erschlossenen Stufenhäuser ermöglicht.