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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2019

Steinwache in Dortmund

Anerkennung

Preisgeld: 2.500 EUR

LH Architekten Landwehr Henke + Partner mbB

Architektur

PONNIE Images

Visualisierung

Erläuterungstext

Unser Vorschlag zur Erweiterung des historischen Polizeigefängnisses an der Steinstraße basiert auf einer Abwägung der stadträumlichen Qualitäten, der denkmalpflegerischen Belange und der funktionalen Erfordernisse aus dem Raumprogramm der Mahn- und Gedenkstätte „Steinwache“.
Der ursprüngliche Gefängnisbau ist als solcher erhalten geblieben, in seinem historischen Kontext aber nicht mehr wahrnehmbar. Bauliche Veränderungen haben irreparabel auf das Erleben des kleinen, mahnenden und zu schützenden Ausschnittes aus der Geschichte Einfluss genommen.
Die Sichtbarkeit des Gefängnisbaus aus dem öffentlichen Raum ist durch den Erweiterungsbau der Auslandsgesellschaft zurückgedrängt worden. Der Kinoneubau verändert den Kontext baulich-räumlich aber auch inhaltlich signifikant. Das Tunnelbauwerk beschränkt die baulichen Möglichkeiten in erheblichem Maße und lässt eine Bebauung der vormals bebauten Gefängnisbereiche nicht mehr zu. Diese Gegebenheiten treffen andererseits auf ein Raumprogramm das zur Entwicklung eines zeitgemäßen Ausstellungs- und Gedenkortes einen Erweiterungsbau zwingend erforderlich macht.

Mit einem „Déjà-vu“ versuchen wir eine angemessene Lösung zu schaffen.
Ein Neubau, der wie ein Gipsabdruck den historischen Bau zitiert, zeichenhaft abstrahiert und im öffentlichen Raum sichtbar macht. Als eine Art Maske verdeckt er mit den Gesichtszügen der Hauptfassade den Bestandsbau, der dadurch „unangetastet“ erhalten und inszeniert wird. Eine unaufgeregte, steinerne Materialisierung des Neubaus ist dabei ein wichtiges Kriterium für die Integration in das Ensembles um den Gefängnishof und wider die extrovertierte Architektur des Kinokomplexes.

Der Neubau stimmt in abstrahierter, neutralisierter und rationalisierter Atmosphäre den Rundgang ein. Im Erdgeschoß befinden sich das Foyer mit Ticketing, Information, ggf. Shop Funktionen und eine kleiner Teil der Garderobe. Treppe und Fahrstuhl führen in das Untergeschoß mit allen weiteren Funktionen des Erweiterungsbaus, gruppiert und belichtet um einen Hof, der sich abgesenkt auf dem Niveau des Altbau-Kellers befindet.

Zwischen Neubau und Polizeigefängnis entsteht eine spannungsvolle Distanz am Beginn des Besuches und gleichzeitig eine funktionale Verbindung mit inszenierten Rückblick am Ende des Rundgangs.
Der Besucher beginnt somit seinen Rundgang ebenerdig vom Foyer aus im Freiraum zwischen den beiden Baukörpern, hier erlebt er einen ersten Eindruck des ehemaleigen Gefängnisbaus durch die Nähe der prägnanten Giebelfassade. Er setzt seinen Besuch über den Gefängnishof fort und betritt hier über eine barrierefreie Erschließung den Gefängnisbau selbst durch die historische Eingangstür.

Der Rundgang im historischen Gebäude wird durch das später hinzugefügte Treppenhaus gewährleistet. Dieses Treppenhaus erhält eine neue Fassade, die in gleicher Machart wie der Neubau entworfen ist und in seiner Reduziertheit den Blick auf die historische Fassade betont.

Im Untergeschoß wird der Rundweg über eine Tür in der Giebelfassade an den Neubau angebunden. Über einen offenen Hof, der zur Reflektion und Kontemplation einlädt, gelangt man in ein Zwischengeschoß des Neubaus. Der Hof dient darüberhinaus der Belichtung von Räumen im Untergeschoß. Aus dem Zwischengeschoß werden die Seminar-, Tagungs- und Ausstellungsräume sowie dienende Funktionen erschlossen. Ebenso bindet das Geschoß an den Ein- und Ausgang des Museums an. Ein Fahrstuhl erschließt alle Bereiche barrierefrei.

Beurteilung durch das Preisgericht

Diese Arbeit wird geprägt durch einen stark künstlerischen Ansatz, der einen Abguss und damit eine Wiederholung des bestehenden Gebäudes in leicht minimalisierter Form darstellt. Dadurch entsteht ein markantes und dabei irritierendes architektonisches Zeichen im Stadtraum. Dieses wird in dem heterogenen, durch mindere Architektur geprägten Stadtraum prinzipiell begrüßt. Diesem Gedanken des baulichen Zeichens, das zugleich auch den Eingang des Museums bildet, entspricht die Leere und damit praktische Funktionslosigkeit des Raumes. Nicht passend zu der Signalhaftigkeit und dem skulpturalen Monumentcharakter des Eingangsgebäudes erscheint die Rahmung der alten Steinwache durch ein gleichartig formuliertes neues Treppenhaus am östlichen Ende des Bestandsgebäudes.

Die Organisation der Grundrisse in der achsialen Fortschreibung des Bestandes ist nachvollziehbar und folgerichtig. Enttäuschend ist dagegen die Anordnung und räumliche Qualität der daran seitlich liegenden Haupträume wie Ausstellung und Seminarbereich, die scheinbar wie Resträume unter der Erdoberfläche entstanden sind. Die Vorzonen vor den Seminarräumen wie auch vor der Ausstellung sind zu klein dimensioniert. Die Zone für die Sonderausstellung ist in den Proportionen möglich. Die Erschließung des Museums ist richtig organisiert.

Der Entwurf erscheint aus denkmalpflegerischer Sicht problematisch. Zum einen verdeckt der geplante Baukörper den Blick auf das Denkmal in hohem Maße, was eine erhebliche Beeinträchtigung für das Erscheinungsbild darstellt. Sodann bedeutet die kopierende Wiederholung des Baudenkmals in Kubatur und Detailzeichnung eine Schwächung der Wirksamkeit und der Integrität des Originals. Die „Einfassung“ des Denkmals durch den vorgestellten Bau und das rückwärtige Treppenhaus erscheint aus denkmalpflegerischer Sicht bedrängend.

Bei den wirtschaftlichen Daten befindet sich das Projekt im obersten Bereich, sicherlich bedingt durch das große Maß an leerem Raumvolumen und dem großen Anteil an unterirdischen Räumen.

Einerseits gelingt es dem Projekt, durch seine irritierende Wiederholung die Aufmerksamkeit für das Denkmal zu wecken und den Ort zu betonen. Andererseits droht es allerdings zugleich das Original zu übertönen. Insgesamt handelt es sich um ein Projekt, das durch sein starkes Statement Anlass zur Diskussion bezüglich des Umgangs mit historischer Substanz wie auch mit vernachlässigten Stadträumen anregt.