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Award / Auszeichnung (auch für Studenten) | 08/2019

Daniel Gössler Belobigung für Architekturtheorie

Rekonstruktion der Moderne. Der Streitfall Haus Wolf, ein vergessenes Werk von Mies van der Rohe

Preis

Ortrun Bargholz

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

In ihrer Arbeit beschäftigt sich Ortrun Bargholz in vielschichtiger Weise mit dem Diskurs zur Rekonstruktion der Moderne am Beispiel des Hauses Wolf von Ludwig Mies van der Rohe in Gubin im polnischen Teil der Niederlausitz. Zur Kontextualisierung des Diskurses hat sie die Biographie des Hauses mit seiner Bau-, Nutzungs- und Zerstörungsgeschichte intensiv recherchiert und zum letzten Teil wichtige neue Erkenntnisse gewonnen. Außerdem stellt sie Bezüge zu anderen Rekonstruktions-Debatten wie zu den Dessauer Meisterhäusern her. Im Zentrum der Arbeit steht ihre Diskurs-Analyse der Jahre 2015-2016 zum Haus Wolf, die pointiert die Argumentationen der Debattierenden herausarbeitet. Dabei stellt sie die gesellschaftspolitischen Intentionen wie deutsch-polnische Völkerverständigung und Stadtmarketing im Grenzgebiet heraus sowie den Wunsch nach wissenschaftlich-fundierter Rekonstruktion des Originalzustands aufgrund der Bedeutsamkeit des Architekten. Dem stehen allerdings denkmalpflegerische Methoden und Authentizitätsaspekte der Erinnerungskultur gegenüber. Zugleich fragt die Verfasserin nach den Motivationen für das Pro und Contra der Rekonstruktion und konstatiert neben architekturhistorischem, auch persönliches Interesse als Förderer eines Ikonen-Aufbaus. Die Arbeit beinhaltet eine sehr dichte Dokumentation mit Bild- und Planmaterialien, aufschlussreichen Interviews, die die Verfasserin mit Befürwortern und Kritikern der Rekonstruktion geführt hat, Transkriptionen zu den öffentlichen Diskussionsveranstaltungen, einem schonungslosen Schriftwechsel der Debattierenden sowie dem Pressespiegel. Die konzise Analyse im ersten Teil basiert auf der Auswertung dieser interessanten Materialsammlung.

Mit ihrer eigenständigen Positionierung und Aufstellung von kulturpolitischen Forderungen verbindet die Autorin theoretischen Diskurs und analytisches Arbeiten mit einem engagierten Anwendungsbezug sowohl für den spezifischen Fall des Hauses Wolf als auch für andere Rekonstruktionsdiskurse. Als neue Erkenntnis geht aus ihrer Recherchearbeit hervor, dass das Haus Wolf nicht bereits im Krieg, sondern erst im Nachhinein etwa um 1947 nach Vertreibung der Bewohner zerstört wurde. Auch vor diesem Kontext der komplexen deutsch-polnischen Geschichte sowie angesichts der fehlenden Zeugnisse zur Gestalt des Baus stellt die Autorin die Forderungen nach einer kritischen Rekonstruktion und einer konstruktiven „Streitkultur“. Die Jury überzeugte neben den präzisen Thesen und der Verbindung von Architekturgeschichte und -theorie mit einer gegenwärtigen Debatte auch die Aufrichtigkeit, die Ortrun Bargholz im Diskurs gegenüber etablierten Vertretern von Architekturforschung und -politik einnimmt.
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