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Einladungswettbewerb | 06/2019

Sanierung und Erweiterung Gaststätte „Traube“ in Sindelfingen

ein 2. Preis

Preisgeld: 12.500 EUR

Architekturbüro Josef Prinz BDA

Architektur

Erläuterungstext

Das Projekt Sanierung und Erweiterung Gaststätte „Traube“, in Sindelfingen im Kontext zu der historischen Altstadt und der geschützten Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung erfordert eine sehr differenzierte Auseinandersetzung mit den funktionalen und gestalterischen Rahmenbedingungen der städtebaulich wertvollen stark historisch geprägten Umgebung.
Städtebauliche Zielsetzungen Der Umgang mit dem bestehenden Gebäude sowie die Herangehensweise an das neue, ergänzende Gebäude orientiert sich in seiner städtebaulichen Ausformulierung an den historisch verorteten vorgefundenen Randbedingungen. Ziel ist eine bestmöglichste Integration bei gleichzeitig zurückhaltenden, angemessenen und behutsam Identität stiftenden Erkennungswert in die jetzige Umgebung.
Das bestehende Gebäude soll in seiner historischen Erscheinung unter größtem Respekt behutsam in enger Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt ertüchtig und in Teilen eine ergänzende Nutzung erfahren. Ergänzungen sollen städtebaulich auf keinen Fall ortsprägend, sondern lediglich erst auf den zweiten Blick in Erscheinung treten. In bautechnischer Ausführung und dem Erscheinungsbild bewusst historisierende, aber ortstypische Schleppgauben erlauben dezente und angemessene zusätzliche Belichtungs- und Ausblickmöglichkeiten für das nunmehr zu Wohnzwecken genutzte Dachgeschoss.
Die neuen Gebäudeteile soll sich untergeordnet, selbstverständlich, zurückhaltend und unaufgeregt der Situation und der Nutzung angemessen präsentieren: Die vorgefundenen Strukturen und Körnungen werden aufgenommen und, ohne sich mit den neuen Gebäudeteilen in den Vordergrund drängen zu wollen, fortführt. Das neue giebelständige Hauptgebäude, gestützt durch die maßstäbliche Höhenentwicklung und die sensible handwerkliche Durcharbeitung, situiert sich im Kontext und vervollständig die städtebauliche Situation.
Die neuen eingefügten Bauteile folgen analytisch abgeleitet den historisch vorgefundenen örtlichen Bauweisen (Sockel der Gebäude im Erdgeschoss massiv, ab dem 1.Obergeschoss Holzfachwerk mit Füllungen) und übertragen diese in zeitgemäße technische Herstellungspraktiken:
Erdberührend und statisch tragend ein Sockelgeschoss mit aufsteigendem Erschließungsturm in Massivbauweise (einschaliger Dämmbeton), das darauf aufgestellte neue „Haus“ in Holz- bzw. in Stampflehmbauweise.
Diese Zielsetzungen der behutsamen sinnfälligen Integration bei gleichzeitiger zurückhaltender identitätsstiftender Selbstdarstellung wird durch die vorgeschlagene Materialität und Farbgebung gestützt: die graubeige Farbtönung der gebrochenen Körnung für den Sichtbeton, das harmonische graubeige des Stampflehms, das hellbeige der matten Dachziegel beim neuen Haus.
Der bestehende Gewölbekeller an der Nordostecke wird nicht überbaut, die Konstruktion des Gewölbes kann vom Straßenraum eingesehen werden. Die „stabile“ Tragplatte aus Ortbeton überspannt diesen Bereich, die Lastabtragungen erfolgen neben dem Gewölbekeller und sind auf ein Minimum reduziert.
Gebäudetypologie Nutzungskonzeption Das Gebäudekonzept gliedert die drei Funktionsbereiche: der Gastronomie, der Nutzung als städtisches Museum und der Wohnnutzung. Die drei Nutzungen können trotz überschneidender Erschließungsstrukturen bei Bedarf entsprechend abgetrennt werden. Synergieeffekte und konzeptionelle Zusammenarbeit zwischen Gastronomie sind gut möglich, aber nicht zwingend. Der Innenhof dient gleichermaßen allen drei Nutzungen. Im Erdgeschoss wird die Gastronomie angeordnet. Im Bestand werden die Gasträume erhalten, sie sind entsprechend den Vorgaben und Zielsetzungen behutsam zu restaurieren. Der neue Küchentrakt kann gemäß heutigen technischen Anforderungen im Neubauteil realisiert werden. Ebenso wird eine Gastraumerweiterung unter Einbeziehung des Innenhofs und unter Einbeziehung des Gewölbekellers vorgeschlagen.
Das erste Obergeschoss dient der Nutzung als städtisches Museum. Die historischen Räume bieten einen herausragenden Rahmen, das „neue Haus“ ergänzt dieses Angebot um einen großen, lichten Raum für vielfältige Nutzungen. Das zweite Obergeschoss sowie anteilige Dachräume des 3.Obergeschosses werden für eine Wohnnutzung vorgeschlagen. Zwei geräumige 3-4 Zimmerwohnungen können entstehen. Im 2. Obergeschoss sollen die bestehenden Strukturen weitgehend unangetastet bleiben, im 3.Obergeschoss sollen sämtliche Holzbauteile erhalten bzw. ertüchtigt werden. Leichte, nichttragende Trennwände ermöglichen flexibel die Umsetzung eher offener oder konventioneller Wohnkonzepte. Dachgauben, auf das historische Gebälk aufgesetzt, ermöglichen ausreichende Ausblicke und Belichtungsmöglichkeiten.
Konstruktion Das Gebäude soll dem Konzept der angemessenen Reduktion der Mittel bei gleichzeitig technischer und handwerklicher Raffinesse folgend in einer Mischbauweise aus Dämmbeton sowie Holzbauweise kombiniert mit Stampflehm entstehen. Der Dachstuhl zimmermannsmäßig konstruiert, mit Stampflehm ausgefacht, das Dach mit matten, beigen Biberschwanzziegel gedeckt.
Das bestehende und das „neue“ Gebäude, verbunden über die städtebauliche Fortführung der Volumen und Körnung in hoher Präzision und Disziplin, verbunden durch die Farbigkeit und Helligkeit der Materialien, verbunden durch gleichermaßen, den Möglichkeiten seiner Zeit folgend angepasster handwerklicher Kunst und dennoch fein sensibel differenziert jeweils für sich selbst und für die Epoche stehend.
Freianlagen Die Freiflächen sind einfach und der Funktion gemäß eindeutig ausgerichtet gestaltet. Der bestehende Baum in Innenhof soll erhalten bleiben. Kleinteilige Natursteinpflasterbeläge binden sämtliche Gebäude und den neu gestalteten Hof zusammen.
Energie und Ökologie Angestrebt wird eine anspruchsvolle, technisch innovative und dennoch sehr einfache, den heutigen Anforderungen an ein öffentliches Gebäude dennoch gerecht werdende technische Installation.
Für den anzustrebenden sinnvollen Einsatz von erneuerbaren Energien wird eine gute und tragfähige Grundlage gegeben. Durch sinnvollen Einsatz der höchst nachhaltigen Baustoffe wird ein auch ökologisch zeitgemäßes Gebäude entstehen.
In einer künftigen intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit mit den entsprechenden Ingenieuren in Zuge der weiteren Planungsphasen werden diese sinnvolle Zielsetzungen und beabsichtigten Maßnahmen weiter untersucht und präzisiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit dem Entwurf zur Erweiterung der historischen Gaststätte „Traube“ in der Altstadt Sindelfingens wird dem denkmalgeschützten Gasthaus mit den Worten der Verfasser ein „neues Haus“ beigestellt.
Die Verfasser achten bewusst auf die Fügung der Gebäudeteile. Mittels eines konstruktiv eigenständigem Erschließungs- und Sockelbauwerks wird dem Entwurf ein selbstbewusster, markanter Charakter verliehen. Auf dem neuen Passstück ruht ein archaisch einfaches Volumen, das als Ausstellungsraum vorgesehen ist. Hier verknüpfen sich im 1. Obergeschoss die einer musealen Nutzung vorbehaltenen Flächen im Gebäudebestand mit dem Neubau.
Die Sensibilität von Bauvolumen und Ausgestaltung trägt zu einer guten städtebaulichen Setzung bei, die mit dem sich öffnenden Hof zur Stumpengasse einen überraschenden Bezug zum städtebaulichen Kontext herstellt. Inwieweit die zur Schaustellung des offengelegten, nordöstlich gelegenen Gewölbekellers angemessen ist, wird im Preisgericht konträr diskutiert.
Das eigentliche Manko des Entwurfs besteht in der unzureichenden Flächenzuordnung der für die Gastronomie bestimmten Bereiche im Erdgeschoss. Während die Anordnung der Küche und Nebennutzflächen nachvollzogen werden kann, sind die eigentlichen Flächen für die Gasträume unzureichend und teilweise in „Restflächen“ nachgewiesen. Die üppigen Bereiche für die Außengastronomie werden begrüßt, wenngleich eine ganzjahreszeitliche Nutzung des neu konzipierten Innenhofs durchaus denkbar wäre.
Die Erschließung von Gastronomie, Museum und den beiden Wohnungen über das neu konzipierte Treppenhaus wird kritisch gesehen. Die sich überschneidenden Wegebeziehungen insbesondere mit den Querungen durch die Gastronomie, führen zu einem Konfliktpotential, das sich aus den Tagesabläufen ergeben dürfte. Eine Entflechtung dieses Knotens wäre ganz im Sinne des Preisgerichtes.
Erwartungsgemäß hat die mutige Haltung zum flächigen Vorbau der Ostfassade für keine Begeisterungsstürme gesorgt, gleichwohl wird die architektonische Haltung anerkannt. Zur Vereinfachung des Sockelbausteins sollte auf die rahmenartige Einfassung von Freibereichen verzichtet werden.
Das auf dem Sockel stehende, sauber geschnittene Bauvolumen mittels einer horizontal versetzten Stampfbetonfassade und einer Biberschwanzdeckung auszuführen ergibt einen architektonischen Duktus, den man sich sehr wohl in der Sindelfinger Altstadt vorstellen könnte.
Die Arbeit ist insgesamt ein konsequent durchgearbeiteter Entwurf, der durch seine gute Maßstäblichkeit im Kontext mit der historischen Substanz von Zurückhaltung und Angemessenheit geprägt ist.